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Michael Stavaric „Suche nach dem Ende der Dunkelheit“: In den Zahnlücken des Kummers

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Von: Björn Hayer

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Michael Stavaric. Foto: Yves Noir
Michael Stavaric. Foto: Yves Noir © Yves Noir

Anmutig und lakonisch:Michael Stavarics erzählende Lyrik feiert die Zweisamkeit als letzte Bastion gegen den Weltuntergang.

Eine Liebe, so groß wie das Meer. Mit der Jukebox an den Strand und dann gemeinsam davon träumen, auf eine verlassene Bohrinsel zu ziehen, zumal sich das Finanzamt dort auch selten blicken lässt – mit dieser humorvollen Leichtigkeit verbringt das Paar in Michael Stavarics neuen, erzählenden Gedichten, versammelt in dem Band „Die Suche nach dem Ende der Dunkelheit“, seine Tage an der Küste. Doch die Idylle trügt. Denn längst ist das weite Blau von einer Krankheit befallen. Müll treibt in den Fluten, ein Blutgerinnsel wandert über den Sand, der Himmel trägt Hämatome und die Gewitter am Horizont gleichen einem „Torpedohagel“.

Angesichts des Klimawandels macht sich also Endzeitstimmung breit: „Wir schliefen kopfüber in den Zahnlücken unseres // Kummers (...) Wir waren wie erloschene Vulkane, mit / steinernen Mi(e)nen und kollabierenden Glutnestern“. Und die Zukunft? Die konnte man, wie man in einem letzten ironischen Seufzer vernimmt, früher noch im Katalog bestellen. Indessen ist sie „verderbliche Ware“ geworden. Sie „war ein / Papierboot, das wir zu Wasser ließen, um ihm unser restliches Leben lang / nachzublicken“.

Trotz einiger Pointen täuscht in den Miniaturen nichts darüber hinweg, dass der 1972 im tschechischen Brno (Brünn) geborene und heute in Wien lebende Schriftsteller vor allem einen Abgesang auf eine naturfeindliche Spätmoderne verfasst hat. Prophetisch deutet er genauso einen planetaren Kollaps wie das sich schon im konsequenten Präteritum spiegelnde Ende eines anthropozentrischen Weltbildes an. Nur was folgt auf den Menschen?

Das Buch:

Michael Stavaric: Die Suche nach dem Ende der Dunkelheit. Gedichte. Limbus, Innsbruck 2023. 60 S., 15 Euro.

Nachdem uns schon der Ozean in den Texten Stavarics, der mittlerweile auf mehr als 30 Bücher zurückblicken kann, als handelnde, eigensinnige Person begegnet, stellt sich mitunter die Frage, wie wohl überdies die Erde unter dem Regime von Pflanzen aussähe. „Vielleicht würden einige Bäume Menschen mit frittierten Ästen // anzulocken versuchen“, sinniert das Paar noch spaßend.

Im Bewusstsein, selbst zur letzten Generation zu gehören, bleibt dem Ich und dem Du in einer ernsthaften Sichtweise auf die Dinge nur das Bekenntnis „zusammen zu bleiben“ als einzige Konstante, die sich auf Ebene der Textorganisation übrigens in strikten Verspaaren abbildet. Sätze wie „Du hattest das einmalige Talent, // aus allem etwas Gutes zu extrahieren“, entspringen dabei nicht nur einer Schmeichelei, sondern lesen sich wie leiser Widerstand gegen den allgemeinen Ennui des Bandes an. Lakonisch zeichnet er die Gefährdung der Ökosphäre nach, projiziert sie bisweilen sogar auch auf eine nicht näher benannte Todesnähe der Geliebten.

Das Paar will sich jedoch nicht mit der Passivität abfinden. Immer wieder stellt es sich gegen den Lauf der Dinge, ganz so, „als könnten wir dadurch der Bucht etwas Linderung // verschaffen“. Der Konjunktiv enthält zumindest die Möglichkeit zur Wende, wodurch sich diese so bildreiche wie anmutige Dichtung durchaus ein Hintertürchen offenhält. Öffnet es und schaut auf das Meer, ruft uns diese Poesie zu, es zu retten, ist ein Gebot der Liebe!

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