Wie die Messe in die Stadt ausstrahlt

„Literatur im Römer“ hat sich über Jahrzehnte behauptet, „Open Books“, das große Lesefest parallel zur Buchmesse, konnte sich in wenigen Jahren ein großes Publikum erobern. Vier Tage lang, an 13 Orten, präsentieren sich Autorinnen und Autoren mit ihren Neuerscheinungen.
Als alles begann, prägte der damalige Frankfurter Kulturdezernent Hilmar Hoffmann (SPD) nicht umsonst den Titel „Literatur-Circus“. In den Römerhallen gab es 1975 erstmals eine Mischung aus Lesungen, Talk-Shows, Clownerien und Akrobatik. Der bekannte Talkmaster Reinhart Hoffmeister führte durch den Abend, der sich durch eine ganz besondere Atmosphäre auszeichnete. Alles proppevoll, ganz besondere Nähe zwischen Schriftstellern und Publikum, das sich als durchaus streitbar erwies.
Kulturdezernent Hoffmann hatte aus dem städtischen Haushalt eine kleine Summe von 30 000 Mark zusammengekratzt, Literatur stand bei der eher strukturkonservativen SPD-Mehrheit im Rathaus damals nicht hoch im Kurs: Alles linke Chaoten, das war so der Ruf.
Aus diesen Anfängen entwickelte sich in 40 Jahren ein Klassiker: die älteste Live-Leseveranstaltung Deutschlands. Sie trägt seit etlichen Jahren schon den Namen „Literatur im Römer“, die Akrobaten und die Clowns sind verschwunden, übriggeblieben sind die Lesungen. Und der Ort ist der alte: die Römerhallen im Rathaus, Römerberg 23.
Am Mittwoch, 14. Oktober, und am Donnerstag, 15. Oktober, jeweils von 20 Uhr an, präsentiert „Literatur im Römer“ insgesamt 16 Autorinnen und Autoren, selbstverständlich bei freiem Eintritt. Deshalb empfiehlt es sich auch, frühzeitig da zu sein. Am ersten Abend ist etwa Jenny Erpenbeck mit ihrem Flüchtlings-Roman „Gehen, ging, gegangen“ zu Gast, aber auch Ilija Trojanow mit seinem Opus Magnum „Macht und Widerstand“ und Najem Wali mit seinen wehmütigen Erinnerungen an die untergegangene Weltstadt Bagdad. Am zweiten Abend kommt unter anderem Feridun Zaimoglu mit seinem großen Buch über das Siebentürmeviertel in Istanbul.
„Literatur im Römer“ hat sich über Jahrzehnte behauptet, „Open Books“, das große Lesefest parallel zur Buchmesse, konnte sich in wenigen Jahren ein großes Publikum erobern. Vier Tage lang, an 13 Orten, präsentieren sich Autorinnen und Autoren mit ihren Neuerscheinungen.
Als Juergen Boos vor zehn Jahren Direktor der Frankfurter Buchmesse geworden war, kritisierte er im Interview mit der Frankfurter Rundschau, dass die Messe so wenig in die Stadt hinein ausstrahlte. „Open Books“ war die Antwort der Kommune auf diesen Vorwurf. Mit dem Frankfurter Kunstverein als Zentrum wuchs das Lesefestival auf nun weit mehr als 100 Autorinnen und Autoren, darunter Navid Kermani (15. Oktober, 18 Uhr, Katharinenkirche), Reinhold Messner (15. Oktober, 17 Uhr, Haus am Dom), Ulrich Peltzer (16. Oktober, 18 Uhr, Katharinenkirche), Jürgen Todenhöfer (15. Oktober, 20 Uhr, Haus am Dom) und Clemens J. Setz (16. Oktober, 20 Uhr, Römerhallen).
Eine Veranstaltungsreihe, seit langem organisiert von dem engagierten Literatur-Aficionado Lothar Ruske, muss unbedingt Erwähnung finden: der Literatur-Bahnhof im Frankfurter Hauptbahnhof (Konferenzraum 2, 1. Stock, Rolltreppe neben Buchhandlung Schmitt&Hahn). Vom 14. bis 17. Oktober hat Ruske dort wieder ein spannendes Programm zusammengestellt. Am Mittwoch um 16 Uhr stellt der große Schweizer Schriftsteller Adolf Muschg sein Buch „Die japanische Tasche“ vor, und Manfred Mittermayer präsentiert seine umfassende Biografie Thomas Bernhards. Am Freitag um 13 Uhr liest der frühere Hanser-Verleger Michael Krüger aus seinen neuen Erzählungen „Der Gott hinter dem Fenster“. Und der ukrainische Schriftsteller Andreij Kurkow, ein Mann begnadeter Ironie, hat seinen Roman „Die Kugel auf dem Weg zum Helden“ dabei (Freitag, 17.15 Uhr).
Zum Ende noch zwei besondere Blicke auf die Familie Mann. Frido Mann, der Enkel von Thomas, hat eine besondere Hommage geschrieben: „An die Musik“ – und stellt sie am 15. Oktober um 19.30 Uhr im Holzhausenschlößchen, Justinianstraße 5, vor. Und Tilmann Lahme hat sich anhand bisher unbekannter Dokumente mit der ganzen Familie auseinandergesetzt: „Die Manns“ wird am 16. Oktober um 19.30 Uhr in der Deutschen Nationalbibliothek, Adickesallee 1, präsentiert.
Die letzten beiden Bücher erscheinen übrigens im größten Frankfurter Verlag, S. Fischer.