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Louise Penny: „Auf einem einsamen Weg“ – Berthas geheimnisvoller letzter Wille

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Von: Sylvia Staude

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Ein Québecer Örtchen an der Grenze zu den USA.
Ein Québecer Örtchen an der Grenze zu den USA. © afp

Louise Penny beschäftigt Superintendent Gamache mit einem kleinen und weiterhin einem ganz großen Fall.

Eigentlich ähneln sich Jean-Baptiste Adamsberg, Kommissar in Paris, und Armand Gamache, Chief Superintendent in der kanadischen Provinz Québec, kaum: Ein kleiner verträumter „Wolkenschaufler“ der eine, ein stattlicher Strippenzieher und gewiefter Bodenständiger der andere. Dennoch erinnern die an der kalten Grenze zwischen den USA und Kanada spielenden Romane Louise Pennys an die ihrer französischen Kollegin Fred Vargas. In der Verschrobenheit mancher Figuren zum Beispiel, die einerseits besondere Talente haben, andererseits ihren Mitmenschen – in Pennys Fall in einem Dorf namens Three Pines – gehörig auf die Nerven gehen können. Aber auch in der Dunkelheit der Atmosphäre, die in mysteriöse, manchmal fast gruselmärchenhaft anmutende Bedrohlichkeiten (Ohrensessel-)Inseln zwischenmenschlicher Wärme setzt. Beide Autorinnen haben immer einen Blick auf das leibliche Wohl ihrer Protagonisten, mitnichten schreiben sie aber kulinarische Krimis. Vielmehr dienen ihnen Alltagsschilderungen dazu, die oft kuriose oder gewaltige, jedenfalls überlebensgroße Handlung zu erden.

In Louise Pennys „Auf einem einsamen Weg“ setzt sich die Geschichte von „Hinter den drei Kiefern“ fort, worin Superintendent Gamache eine große Drogenlieferung die Grenze passieren lässt, um Hintermänner zu erwischen. Ein Verfahren gegen ihn ist deswegen anhängig – denn was, wenn diese synthetischen, hochgefährlichen Drogen auf den Markt gelangen? Freilich ist Gamache der erste, den dieser Gedanke beständig umtreibt. Und es ist auch nicht so, dass er nicht schon einen Plan hätte.

Im Vordergrund jedoch steht eine scheinbar ganz nebensächliche Sache (seltsam, dass ein Superintendent, auch wenn er als solcher beurlaubt ist, sich damit befasst): Gamache, die Psychologin Myrna und der Handwerker Benedict sollen dafür sorgen, dass der letzte Wille einer Putzfrau erfüllt wird, die in ihrem Testament nicht nur die drei scheinbar völlig willkürlich benannt hat, sondern auch über Millionen und unter anderem ein Haus in Wien verfügt haben will. Hochoriginell ist die Auflösung, warum sich Bertha Baumgartner (sie wollte „Baronin“ genannt werden!) diese drei ausgesucht hat. Das ist ziemlich verzwickt, aber nicht so sehr, dass man den Überblick verliert.

Louise Penny: Auf einem einsamen Weg. Roman. A. d. Engl. von Andrea Stumpf, Gabriele Werbeck. 476 S., 16,90 Euro.
Louise Penny: Auf einem einsamen Weg. Roman. A. d. Engl. von Andrea Stumpf, Gabriele Werbeck. 476 S., 16,90 Euro.

Louise Penny gehört nicht zu den Krimi-Autoren, deren Stärke entweder auf der Konstruktion der Handlung oder der Zeichnung der Figuren oder auch der Schaffung atmosphärischer Dichte liegt. Bei ihren Romanen, von denen nun der dritte auf Deutsch vorliegt, bekommt die Leserin ein starkes Gesamtpaket, das nicht sehr auf Action setzt, aber auch nicht zu gemächlich wird.

Und keineswegs nur ins malerische, immer wieder eisklirrende Three Pines führt Penny. Die elenden Ecken Montréals spielen eine ebensolche Rolle, Ecken, in denen die Abhängigen sich einen Schuss setzen, Prostituierte und Transsexuelle angegriffen werden. Gewalt und Winterkälte können in den Straßen ein tödliches Gemisch sein. Nachdrücklich beschreibt die Kanadierin Absteigen, die vor Hoffnungslosigkeit und Schmutz starren, in denen die Junkies und andere Arme um eine Bleibe konkurrieren.

Einmal mehr hat der Verlag Kampa sich für ein Cover wie für einen Reiseführer entschieden. Das ist schade, denn Louise Penny ist lang nicht so bekannt wie Vargas, leicht kann man den Roman liegen sehen – und ihn unterschätzen. Aber es hat die scharfen Kanten, die ein guter Krimi braucht.

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