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Liebe führt stets zu einer Form von Schönheit

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Von: Christoph Schröder

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Schriftsteller Richard Ford in Spanien, als er den Asturien-Preis erhielt.
Schriftsteller Richard Ford in Spanien, als er den Asturien-Preis erhielt. © rtr

Der große amerikanische Schriftsteller Richard Ford rekapituliert in zwei nur vermeintlich unspektakulären Texten das Leben seiner Eltern.

Was ist es wert, erzählt zu werden, aufgeschrieben zu werden? Man könnte sagen, dass alles, wirklich alles literaturfähig ist, wenn es nur in die richtige Form gebracht wird und wenn ein Autor den passenden Ton dafür findet. Richard Ford hat ein Buch über seine Eltern geschrieben. Genauer gesagt: Richard Ford hat vor rund 30 Jahren einen Text über seinen Vater und vor einem Jahr einen Text über seine Mutter geschrieben. Beide sind nun gemeinsam in einem noch immer schmalen Buch erschienen.

Es ist nicht das geworden, was man möglicherweise von einer Elternerzählung erwartet. Keine Abrechnung, keine Bilanz verfehlter Leben, im Gegenteil. Was Richard Ford hier aufgeschrieben hat, sind die Biografien zweier Jedermänner, denen im Leben nicht viel Aufregenderes passiert ist, als sich kennen gelernt, einen Sohn gezeugt und davor ein paar wilde Jahre gehabt zu haben. Es geht also nicht darum, soziale und historische Marksteine im Kleinen an Lebensläufen zu exemplifizieren. Es geht um ein familiäres Binnenverhältnis; um Väter, Mütter, Söhne und Töchter. Es geht darum, wie man sich zueinander verhalten und stellen kann. Und es geht, das macht dieses Buch so ungemein einnehmend, um die ganz selbstverständliche, beiläufig formulierte Elternliebe.

Edna Akin und Parker Ford lernen sich in den 20er Jahren in Hot Springs, Arkansas, kennen. Er ist 24 Jahre alt und arbeitet in einem Lebensmittelladen; sie ist gerade einmal 17. Es ist, wie Ford schreibt, kein Paar, dem die Welt und ihre Chancen offen stehen. Beide vom Land, beide nicht übermäßig gebildet. „Ich kann“, schreibt Ford, „sie mir gut als Paar vorstellen. In zueinander passendem Maße attraktiv. Freundlich und scheu. Meine Mutter schwarzhaarig, dunkeläugig, kurvig. Mein Vater blauäugig wie ich, groß, leichtgläubig, redlich, nachgiebig. Und ich habe ein Gefühl dafür, was sie über den anderen gedacht haben mögen.“ Dieses Gefühl grundiert das Buch; gibt ihm seine dezente Eleganz. Edna und Parker leben nicht auf ein Ziel hin, streben nicht nach symbolischen Erfolgen, sondern leben, ohne das auszusprechen, für ihre gegenseitige Zugeneigtheit. Parker verliert seinen Job als Verkäufer; die Wirtschaftskrise rückt näher; er wird Vertreter für Wäschestärke. Den Job wird er bis zu seinem Tod behalten. Man siedelt sich in Mississippi an, weil es zentral liegt; zu Beginn führen die beiden ein Leben im Unterwegssein. Als der Sohn auf die Welt kommt, bleibt die Mutter zu Hause; der Vater reist allein und ist nur am Wochenende präsent.

Die etwas eigentümliche Konstellation, dass Ford in zwei streng getrennten Texten zunächst vom Vater, dann von der Mutter erzählt, erweist sich im Nachhinein als ein genau kalkulierter Zug. Zum einen kommt jeder einzelne uns auf diese Weise als Individuum näher; zum anderen weisen aber die beiden Lebensberichte deutliche Überschneidungen auf und werfen so immer wieder neue Schlaglichter auf die Existenz der Familie. Das ist nicht dezidiert als Gesellschaftsbild angelegt, birgt aber trotzdem auf engem Raum nicht wenige Erkenntnisse über den Alltag auf dem amerikanischen Land zu jener Zeit.

Der Vater, stark übergewichtig und ohnehin mit Herzproblemen belastet, stitbt, als Richard Ford 16 Jahre alt ist. Er war nicht der Überdaddy, der mit dem Sohn Jagen oder Angeln ging oder ihm praktische Dinge zeigte. Wenn Ford überlegt, was genau er in seiner frühen Jugend mit dem Vater gesprochen oder unternommen hat, stößt er auf nicht wenige Leerstellen. Die belässt er auch als solche. Mit dem Tod des Vaters muss der Sohn selbst Verantwortung übernehmen. Als Ford seine ersten literarischen Texte veröffentlicht, fragt die Mutter ihn nicht ob, sondern wann er denn gedenke, etwas Richtiges zu arbeiten. Seine große Bekanntheit als Schriftsteller wird sie noch erleben.

„Zwischen ihnen“ – der Titel klingt nach Störfaktor, nach fehlender Geborgenheit. Ein Trugschluss. Alles, was sich zwischen den Eltern, quasi an ihm vorbei, abgespielt hat, hatte trotzdem Wirkung, gab Impulse. Selbst bei größter Aufmerksamkeit, so Ford, geschehe vieles, was man nicht begreife. Und: Liebe führe stets zu den unterschiedlichsten Formen von Schönheit. Eine davon ist dieses Buch.

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