Lebensfreude, kleines Feuerwerk

Eine bewegende Beerdigung für den Verleger Egon Ammann in Berlin.
Am 9. August starb im Alter von 75 Jahren Egon Ammann, der 1981 zusammen mit seiner Frau Marie-Luise Flammersfeld den in Zürich ansässigen Ammann-Verlag gegründet hatte. Am 10. August 2009 hatte Egon Ammann die Schließung des Verlages zum 30. Juni 2010 mit den Worten angekündigt: „Die Gründe für diesen Entschluss liegen im fortgeschrittenen Alter der Verleger und in einer Marktsituation, die für Literatur zunehmend schwieriger wird. Ein Verlag mit dem Profil des Ammann Verlags ist eng an die verantwortlichen Personen gebunden und kann ohne sie nicht fortbestehen. Marie-Luise Flammersfeld und ich haben gegeben, was wir zu geben hatten. – ‚Alles hat seine Zeit.‘“
Am Montag wurde Egon Ammann auf dem Berliner Stubenrauch-Friedhof beerdigt. Es gab zwei Reden und ein kleines Musikstück. Thomas Hürlimann, dessen Erzählband „Die Tessinerin“ zu den ersten Büchern des neugegründeten Verlages gehört hatte, erzählte vom Leben Egon Ammanns, wie dieser nach dem Krieg im „wilden Kurdistan“ recht erfolgreich Goethe-Gesamtausgaben verkauft habe. Hürlimann spiegelte die Ammann-Geschichte immer wieder in Zitaten aus „Das Buch der Unruhe“, einem der großen Werke des Portugiesen Autors Fernando Pessoa (1888-1935), den Ammann für Deutschland entdeckt und dem er eine wunderschöne und durch Inés Koebel grandios übersetzte vielbändige Ausgabe bereitet hat. Wer sich nicht so recht auskannte im Leben des in Bern geborenen Zürcher-Verlegers, dem konnte es passieren, dass er nicht wusste, ob gerade von Ammann oder von einer Pessoa-Figur gesprochen wurde. Eine schöne Rede, die Ammann nicht in seine Zeit stellte, sondern ihn aufs Vergnüglichste mythologisierte, ihn auch als einen Odysseus vorstellte, der in den Weiten der Literatur nach ungehobenen Schätzen suchte und uns immer wieder ansteckte mit seiner Begeisterung über seine Entdeckungen.
Monika Schoeller, seit 1974 Verlagsleiterin der Frankfurter S. Fischer Verlage, sprach ganz ohne literarischen Aufwand eher noch ergreifender von der nimmermüden Neugierde, von der Tatkraft und Energie Ammans. Sie sprach mit brüchiger, aber immer wieder sich zur Disziplin zwingenden Stimme. Nein, sie zwang sich nicht zur Disziplin. Sie schien ihm und uns die Freude machen zu wollen, ihn zu preisen. In einfachen, klaren Worten. Mit einer immer wieder in tiefer Traurigkeit fast verstummenden Stimme.
Caspar Ammann, der Sohn des Verstorbenen, ein bekannter in den USA lehrender Klimaforscher und Klimaarchäologe, hatte darauf hingewiesen, dass sein Vater keine religiöse Feier hatte haben wollen und dass er sich besonders auf den Schluss dieser Feier gefreut hätte, nämlich auf das kleine Konzert des Komponisten und Schlagzeugers Michael Wertmüller.
Ich saß nicht in der Kapelle, sondern draußen in der Sonne und blickte auf eine miniaturisierte Fassung des Jesus von Thorvaldsen. Es war schön da draußen zu sitzen und die Reden zu hören. Dann schlug Michael Wertmüller zu, und ich war froh draußen zu sein und nicht in der winzigen Friedhofskapelle. Aber spätestens jetzt liebte ich Egon Ammann, denn mit Wertmüller kam Leben in die Veranstaltung. „Alles hat seine Zeit“, hatte er zitiert und jetzt war, so traurig und schrecklich es sein mag, Ammanns Zeit wirklich zu Ende. Aber in dem kleinen Feuerwerk der Wertmüllerschen Schläge lebte Ammanns Lebensfreude, sein Lebenshunger, seine Lebensenergie, nein, nicht weiter, sondern wieder auf. Hürlimanns Rede hatte mit einem Pessoa-Zitat geendet, das ungefähr so lautete, und es klang, als wäre es Ammanns Glaubensbekenntnis: „Am Ende wird alles, die Sterne und jedes Ich, hinausgefegt, damit, was existiert, von neuem beginnen kann.“