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Kuriose Songtexte: Mir tut mein Herz so leid

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Von: Thomas Stillbauer

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Sarah Connor: „Du bist das Licht in meiner Wunde“.
Sarah Connor: „Du bist das Licht in meiner Wunde“. © imago images/BRIGANI-ART

Ein witziges Buch über irrwitzige Songtexte der Popmusik.

Jahrelang haben wir uns in der Schule darüber gestritten, ob es bei Kiss hieß: „I was made for loving you, Baby, you were made for loving me“ (ja) – oder eben noch mal „was“ statt „were“ im zweiten Teil (nein). Man konnte das durchaus falsch verstehen, aber die Guten in Englisch (wir) wussten es ja besser. Auch dass es bei Shirley & Company hieß: „Shame, shame, shame/Shame on you, hey/If you can’t dance too“ und nicht etwa „wie viel Geld häs du?“ im zweiten Teil.

Aber das waren Missversteher. Eine ganz andere Sache ist es, wenn Songtexte wahrhaftig den bizarrsten Unsinn transportieren wie bei Marius Müller-Westernhagen 1994: „Ihr Name war Carmelita/Sie war die Schönste im Ort/Sie brachte Lahme zum Gehen/In ihrem 50er Ford“. Mit solchen Juwelen beschäftigt sich der Musikjournalist und Buchautor Michael Behrendt in seinem Buch „Mein Herz hat Sonnenbrand“.

Ein Traum, sich aus Herzenslust über Liedtexte lustig zu machen, aber auch ein bisschen wohlfeil. Es gehe um das, was die Augenbrauen hochziehen lässt in eigentlich ernst gemeinten Texten, schreibt Behrendt im Vorwort. Um den rauen Charme des Unrunden, um grammatikalische Extravaganzen. Doch Vorsicht: „Ein schräger Vers macht noch keinen schrägen Songtext.“

Es gibt was zu lachen. Erstes Opfer: die berühmte Band America. Als sie noch nicht gar so berühmt war, schrieb Sänger und Gitarrist Dewey Bunnell ein Lied namens „Desert Song“, später umbenannt in „A Horse With No Name“. Behrendt zitiert dazu den britischen Musikjournalisten Johnny Sharp, der den Text schon 2009 auseinandernahm. „In the desert you can remember your name“, heißt es darin, „cause there ain’t no-one for to give you no pain“. Ins Deutsche übersetzt hört sich vieles doof an, auch das: In der Wüste kannst du dich an deinen Namen erinnern, weil da niemand ist, der dir Schmerzen zufügt. Weiter im Text: „The heat was hot.“ Oder hier: „There were plants and birds and rocks and things“ – „... and things?“, fragt Behrendt. „Echt jetzt?“

Der Autor macht sich nicht durchgängig lustig, er äußert durchaus Verständnis für beide Seiten: für das romantische „Alles geht“ der Kunstschaffenden und für den strengen Blick der Kritik. Manche historischen Texter kriegten noch die Kurve: „Yesterday“ von den Beatles hieß in einer frühen Version bekanntlich „Scrambled Eggs“ – Rührei.

Das Buch:

Michael Behrendt: Mein Herz hat Sonnenbrand. Reclam, Stuttgart 2023. 233 S., 20 Euro.

Jetzt Geometrie: „Ey, wenn sich alles in Kreisen bewegt“, behauptete Johannes Oerding 2017, „dann gehst du links, dann geh ich rechts/Und irgendwann kreuzt sich der Weg/Wenn wir uns wiedersehn“. Behrendt: „Das ist schwer nachzuvollziehen.“ Haben die Meisten vermutlich auch schon mal morgens mit der Zahnbürste im Mund radiohörend und stirnrunzelnd gedacht.

Weitere interessante Beispiele: Ricky Shayne, 1974: „Die Wände seh’n mich schweigend an/Oh Ma, was hab ich dir getan?“ Sarah Connor, 2021: „Du bist das Licht in meiner Wunde“. Roland Kaiser, 1982: „Manchmal möchte ich schon mit dir/Eine Nacht das Wort Begehren buchstabieren“. Grammatik, ohnehin ein weites Feld. Rap-Texte, im Buch ausführlich diskutiert, sind da eine ganz eigene Kunstform, aber auch die Band Selig hat etwas zu bieten: „Der Pfeil traf tief und hinterließ einen Comicheld in einer grauen Welt“. Oder Xavier Naidoo: „Ich ahnte nicht, dass mein Gesicht mehr Eindruck auf dich macht/Als das Taj Mahal auf einen Tourist.“

Deutsche Bands, die englisch singen. The Lords, 1966: „When I was born, you know/I couldn’t speak and go/My mother worked each day/And she learned me to say ...“. The Rattles, 1969: „Who know what I’ve could done“ Camouflage, 1988: „The great commandment shows the contempt/Between the world and their embarrassing pavement“. Deutsch (also „deutsch“): „Die große Vorschrift zeigt die Verachtung/Zwischen der Welt und ihrem beschämenden Gehweg.“ Wenn du einen Text schreibst, und plötzlich hört die Welt genau hin. Es ist doch Kunst.

Und es tut auch ein bisschen weh, Helden wie Philip Boa („He drank out empty glasses“, 1989) neben Text-Existenzen wie Dieter Bohlen („Wham, bam, oh thank you, madame“, 2003) vorzufinden und neben Höhepunkten wie „Wir jungen Leute von heute sind oho/Dass wir so jung sind, das macht uns froh“ (Ted Herold & Lil Babs, 1962). Abgesehen vom titelgebenden „Mein Herz hat Sonnenbrand“ (1968) lieferte Bata Ilic weitere Klassiker. „Und mir tut mein Herz so leid“. Oder den hier: „Es war im letzten Sommer/Sie hat mir ganz gehört/Ich wollte für sie sterben/Doch das hat sie nicht gestört“.

Michael Holm suchte 1970 „sein Girl“ in „Mendocino“, er war sehr verliebt, „doch dann vergaß ich leider ihren Namen“. Kommentar Michael Behrendt: „Wie dumm kann man denn sein?!“ Eine schöne Fleißarbeit, all das zusammenzutragen. Eine Playlist gibt es auch, mit QR-Code zum Scannen.

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