Am Klavier, im Zirkus, unterm Sofa

Neue Kinderbücher von Claudia Schreiber, Ulrich Hub und Valija Zinck erzählen vom Jung-, Anders-, Einsamsein.
Von Cornelia Geißler
Eine Künstlerin reift heran: Über Kindheit und Jungsein kursieren die verschiedensten Ansichten, doch in einem Punkt gibt es einen Konsens: Ideal sind sie als unbeschwerte Zeit. Clara aber, Titelheldin und Ich-Erzählerin dieses Buches von Claudia Schreiber, hat kaum unbeschwerte Tage. Sie ordnet alles dem Ziel unter, Pianistin zu werden – von klein auf. Um ihrer Begabung gerecht zu werden, übt Clara, bis ihr die Finger weiß werden, erträgt die Demütigungen strenger Lehrer, setzt sich Wettbewerben aus, gilt in der Schule als arrogant.
Ihre Eltern finanzieren die Leidenschaft, die zuweilen wie eine Sucht wirkt, passen das Familienleben den Auftritten an. Die Autorin lässt ihre ambivalente Figur in Momentaufnahmen erzählen, von der Quälerei wie vom Erfolgsrausch. Man folgt ihr gern, weil der Ehrgeiz nie Selbstzweck ist, sondern mit der Liebe zur Musik verknüpft. Das Mädchen reift dabei, nicht nur technisch. Einfühlung ermöglicht das Buch auch, weil einige Klavierstücke mittels QR-Code beim Lesen hörbar werden. Ab 12 Jahren.
Zirkustiere in queerer Mission: „Was sitzt ihr hier herum wie zwei Hustenbonbons?“, fragt der Trainer noch, aber dann verderben Lucky, der weiße Tiger, und Pascha, der schwarze Panther, die ganze Probe. Und den Auftritt beim Zirkusfestival können sie sich gleich abschminken. Zumal ihr Trainer die Prinzessin nicht heiraten wird, denn der ist ja wohl schwul, wie die anderen Tiere schnell herausfinden. Er benutzt Maiglöckchenparfüm!
Doch in dieser knallkomischen Geschichte um ein tolpatschiges Raubkatzenpaar und einen Preisboxer in Kängurugestalt zerplatzen haufenweise Vorurteile wie Kaugummiblasen. Die Prinzessin ist nicht mehr jung, aber eine fitte Motorradbraut, der Tiertrainer mag ein gutes Herz haben, doch ein borniertes Hirn, die Seehunde sind eingebildeter als Barbie. Ulrich Hub schreibt erfolgreich fürs Theater. Seinen Sinn für Spannung und überraschende Wendungen nutzt er für dieses erlebnisreiche Kinderbuch. Ab 8 Jahren.
Die Hempels und ihr Sofaheim: Bisher waren sich Experten uneinig, woher die Redewendung „Wie bei Hempels unterm Sofa“ stammt. Schon Martin Luther schimpfte einen unkultivierten Menschen einen „groben Hempel“. Was die Hempels unterm und auf dem Sofa treiben, klärt jetzt dankenswerterweise Valija Zinck auf. Ihr Buch um einen Jungen, der ein kleines Völkchen zufällig im roten Sofa seiner Nenntante entdeckt, setzt die Hempels ins Recht. Es sind verständige, verantwortungsbewusste Wesen aus einer eigenen Welt, die zu unserer nur an einigen Punkten durchlässig ist.
Sich in Fussel, Krümel oder Bonbonpapier zu verwandeln, gehört zur Überlebensstrategie der Hempels: So schützen sie sich vor Menschenblicken. Jakob, seit dem Umzug in eine andere Stadt etwas einsam, findet in ihnen Freunde und Gesprächspartner. Ein lustiges, lebenskluges Buch. Ab 8 Jahren.