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Kim Koplin „Die Guten und die Toten“: Am liebsten zählt sie nur bis eins

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Von: Sylvia Staude

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Kim Koplins Heldin, eine Polizistin, ist gern nachts unterwegs.
Kim Koplins Heldin, eine Polizistin, ist gern nachts unterwegs. © imago images/Sabine Gudath

Kim Koplins unglaublicher Thriller „Die Guten und die Toten“.

Saudische und deutsche Waffenhändler. Ein zugekokster Staatssekretär mit einer Leiche im Kofferraum. Eine Journalistin, die in der saudischen Botschaft verschwindet (und bestimmt nicht mehr lebend gesichtet werden wird). Eine taffe Polizistin, die wettkampfmäßig boxt. Ihr ganz okayer Chef namens Bernd. Ein Migrant mit ungeahnten Fähigkeiten, einer Tochter und zupackenden Freunden, darunter ein treuer Mohammed. Französische Mafiosi. Eine Edelprostituierte, die Sinologie und Kunstgeschichte studiert. Haben wir noch jemanden vergessen?

Schnell und schnoddrig

„Die Guten und die Toten“ heißt der erste Krimi einer Autorin (eines Autors?), die nicht Kim Koplin heißt und ungefähr die freche Schreibe der Hamburgerin Simone Buchholz hat. Allerdings spielt dieser schnelle, schnodderige, blutige Thriller in Berlin. „Mit dieser Lache könnte man Füchse aus dem Bau treiben“, so denkt Hauptfigur 1, Nihal, über die Begleitung ihres Bruders. Mit dieser Schreibe kann man allemal Leserinnen (und Leser natürlich auch) an die Couch tackern.

Polizistin Nihal Khigarian wird zufällig Zeugin, als Saad (Hauptfigur 2), seine kleine Tochter Leila an der Hand, morgens um 5 auf dem S-Bahn-Bahnsteig Ärger mit zwei rechten Typen bekommt. Zwar denkt Nihal noch, sie müsse „echt an ihrer Affektkontrolle arbeiten“, aber diesen Mann mit seinem Kind im Stich lassen? „Affektkontrolle erst wieder von 9 bis 17 Uhr“, beschließt sie. Sie ist dabei, die beiden zu verhaften und die Kollegen von der Streife zu rufen, als der Mann mit der Kleinen einfach geht. Aber das wäre kein Roman, wenn Nihal und Saad sich nicht wieder begegnen würden. Und wieder. Und könnte es sein, dass aus den beiden sogar ein Paar wird?

Das Buch:

Die Guten und die Toten. Thriller. Suhrkamp, Berlin 2023. 254 S., 16 Euro.

Saad hat eine andere Vergangenheit, als er angibt, bringt darum die falschen Leute um – allerdings ist das so verkehrt auch wieder nicht, denn die beiden waren Killler, wenn auch nicht, wie er glaubte, auf ihn angesetzte Killer. So dreht Kim Koplin zügig die Actionschraube an. Nun muss Saad die zwei Toten von seinem Arbeitsplatz – Wachdienst in einem Parkhaus – wegschaffen. Einen kann er in einem Kofferraum (siehe oben) verstauen, den anderen nur noch schnell unter einem Sofa verstecken. „Worüber reden wir hier eigentlich?“, sagt Kumpel Mohammed. Kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus, hat aber auch Ideen.

Ja, worüber reden wir hier eigentlich? Allemal über einen überkandidelten, diversen, dazu politischen Thriller. Zwar hält sich Kim Koplin nicht groß mit Milieuschilderungen auf, doch hat man die Figuren auch so vor Augen, vor allem dank der den Sound der Straße und des Alltags ebenso wie den Sound der Politik abbildenden Dialoge. „Wer schneller ist!, ruft Leila. – Okay, ich zähle bis drei. Eins… Da ist Leila schon los.“

Und auch Kim Koplin, wer auch immer sie ist, ist an jedem Satzende schon wieder los zu neuen Ufern, neuen unerhörten Ereignissen.

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