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Das Jana-Experiment

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Probandin Jana beim Lesen.
Probandin Jana beim Lesen. © Anne Heigel/FR

Bei so viel literarischem Input kann schon mal jemandem eine Sicherung durchbrennen. Ob die Männer, die auf Frankfurter Buchmesse in weißen Kitteln rumlaufen, da helfen können? Unsere Autorin wagt ein Experiment.

Von Jana Weiss

Zu Männern in weißen Kitteln gibt es verschiedene Assoziationen. Die häufigsten sind wohl Panik (Zahnarzt) und irgendwieheiß (McDreamy). Aber was machen diese weißgekittelten Herren auf einer Buchmesse? Tatsächlich gibt es darauf mehrere Antworten. Es scheint hier nämlich einen heimlichen Trend zu den weißen Roben zu geben. Da ist ein Buchdoktor, der das richtige Buch für jede Gemütslage parat hat. Und ein verrückter Hendrick’s-Gin-Professor, der seine Patienten an einen Apparat fesselt, der aussieht wie eine Mischung aus Trockenhaube und Elektrischem Stuhl. Als Medikament gegen den buchmesseinduzierten Kreativitätsverlust wird eine mysteriöse Substanz verschrieben, Insider behaupten, es könnte sich dabei um Gin handeln. Jedenfalls hilft’s.

Im Grünberglab auf der Agora arbeiten sogar echte Wissenschaftler in weißen Kitteln. Sie führen Experimente an lebenden Menschen durch: Wer möchte, kann sich hier an (etwas unhygienische) Sensoren anschließen und seine Hirnaktivität während des Lesens messen lassen. Die App, na klar, wertet dann anhand dieser Messdaten und Fotos, die sie vom Leser während der Lektüre macht, dessen Emotionen aus. Am Ende sollen diese dann mit den Hirnströmen verglichen werden, die bei dem Autor Arnon Grünberg beim Verfassen des Textes aufgezeichnet wurden. Grünberg verfasste die Novelle „Die Datei“ eigens für die Studie.

Da der Autorin gelegentlich ein kaltes Herz und Emotionslosigkeit nachgesagt werden, beschließt sie, den Test zu machen und ihre Fähigkeit zu Mitgefühl, Freude und vielleicht sogar ein bisschen Leidenschaft zu beweisen. Dr. McDreamy erklärt das Prozedere, Pulsmesser um den Bauch, auf den Kopf kommt eine coole Sensor-Stirnbrille aus dem „Matrix“-Kostümfundus und um die Finger ein bisschen Klettverschluss. Fünf Minuten lesen, dann Auswertung. Totale Ernüchterung: Die Emotionen während des Lesens wertet das Programm durchgehend als „neutral“, sogar als eindeutig der Ansatz eines Lachens im Gesicht der Probandin zu erkennen ist. Nur eine emotionale Abweichung will der Computer erkennen – „sad“.

Ein unbefriedigendes Ergebnis – aber wer braucht schon echte Wissenschaft, wenn es Männer in weißen Kitteln gibt, die einem Gin-Cocktails verschreiben. 

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