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Immer schön fragen und bitten

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Von: Sylvia Staude

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Demonstration gegen Nixon und für eine Amtsenthebung.
Demonstration gegen Nixon und für eine Amtsenthebung. © afp

Lisa Sandlins fabelhafter, geerdeter 70er-Jahre-Kriminalroman "Ein Job für Delpha".

Lisa Sandlin, Jahrgang 1951, hat in ihrer Heimat USA unter Kritikern und einer wohl eher übersichtlichen Leserschaft einen beeindruckenden Ruf als Autorin von Kurzgeschichten. Über die Jahre sind einige Sammlungen erschienen und wurden viel gelobt. Vielleicht wollte die in Texas Lebende, in Omaha, Nebraska, kreatives Schreiben Lehrende aber auch einmal ein bisschen mehr Geld verdienen als mit einem Short-Story-Band in kleiner Auflage. Vielleicht war ihr einfach nach Kriminalroman, genauer: der guten alten Privatdetektiv-plus-vife-Sekretärin-Konstellation. Der hat sie dann gleich so viel originelles, aber auch bodenständiges Leben eingehaucht, dass sie 2016 in den USA den Dashiell Hammett Prize und den Shamus Award erhielt – und man auf ihrer Homepage mit Vorfreude liest, sie arbeite gerade an der Fortsetzung ihres Krimi-Erstlings.

„Sie erkundigte sich nach der Stelle aus der Anzeige“: So der Auftritt Delpha Wades mit der ersten Zeile. Bald erfährt die Leserin auch, warum es für diese junge Frau im Texas des Jahres 1973 verdammt schwer ist, einen Job zu finden: Sie kommt frisch aus dem Knast. Sie war 14 Jahre im Gefängnis, weil sie im Fall eines Vergewaltigers nicht strikt bei der Notwehr aufhörte, sondern die Sache zu Ende brachte. „Schätzchen“, sagen die Männer, bei denen sie nun vorstellig wird, „geschäftlich lass ich mich auf solche wie dich nicht ein.“

Delphas Bewährungshelfer geht schließlich über schlichte, aber nützliche Ratschläge hinaus – darunter „So tun als ob“ und „Fragen und bitten“ – und schickt sie zu einem Bekannten: Der Vietnam- und Ölplattform-Veteran Thomas Phelan will sich gerade als Privatdetektiv etablieren und braucht eine Sekretärin. Tom ist erstmal nicht begeistert – „ein wenig umwölkt, abwesend“ findet er den Ausdruck in Miss Wades Augen – aber sie ist schlagfertig und offensichtlich kompetent.

So holpert die Detektei los, die ersten Aufträge sind denkbar unspektakulär. Ein Teenager ist verschwunden; die Mutter ist verzweifelt, weil sie weiß, dass er in schlechte Gesellschaft nicht mehr erst kommen muss. Ein untreuer Ehemann soll beschattet werden, kompromittierende Fotos wären gut fürs Scheidungsverfahren. Eine Hundebesitzerin glaubt, die Nachbarin – sie heißt schließlich Juanita! – vergiftet ihren Liebling. „Das ist unsere erste Hundeüberwachung“, sagt Tom Phelan und Delpha Wade freut sich über das „unsere“.

„Ein Job für Delpha“ (Orig. „The Do-Right“, 2015) ist ein auf keineswegs langweilige Art besonnener Krimi. Es geht um Eifersucht und Erbschleicherei, Betrug und Drogenhandel, die meisten der Täter (nicht alle würde man überhaupt so nennen) sind nicht gerade skrupellos. Zuletzt geht es auch um mehr, um Mord, aber selbstverständlich schaltet Tom Phelan die Polizei ein. Er kennt seine Grenzen.

Und Delpha Wade hält den Ball flach, wie es der Bewährungshelfer ihr geraten hat. Für eine kostenlose Wohnmöglichkeit kümmert sie sich jeden Abend um eine Greisin, macht sie sauber, füttert sie. Sie widerspricht nicht (na ja, fast nicht), sie klagt nicht.

Lisa Sandlin lässt den Krimi im konservativen texanischen Beaumont spielen. Der Staub und das Öl sind nie weit weg. Aber die „girls“ sollen sich selbstverständlich hübsch machen. Die Rednecks schlagen sich so durch, hier und da, die Schwarzen müssen in der Regel eh jeden Job annehmen. Und der schwarze Krankenhaus-Arzt geht vorsichtshalber gleich in die Defensive: „Wenn Sie einen andersfarbigen Arzt haben wollen, kann ich einen für Sie kommen lassen.“ Im Fernsehen kann man indessen Tag für Tag verfolgen, wie Präsident Nixon immer mehr unter Druck gerät, wie vor allem junge Menschen auf die Straße gehen, damit ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn eingeleitet wird. Die Watergate-Berichterstattung ist in diesem Roman ein Hintergrundrauschen.

„Ein Job für Delpha“ ist im 70er-Jahre-Alltag gut geerdet. Dazu kommt die nuancierte, überzeugende Zeichnung der Psyche einer Frau, die mit Anfang 30 aus dem Gefängnis kommt, die sich nichts Schöneres vorstellen kann, als ein Zimmer für sich zu haben, dessen Tür sie jederzeit schließen und wieder öffnen kann – und draußen gibt es Licht, Wind, Bäume und Gras, eine Straße, die man entlanglaufen kann, die nass ist vom Regen. Manchmal sitzt Delpha stundenlang nur da: „Die Sonne ging auf und überstrahlte den Himmel, und sie trank Kaffee.“ Menschen, sieht sie, sind unterwegs, grüßen oder ignorieren einander, haben die Haare toupiert oder stecken im Blaumann, Vögel zwitschern auf den Stromleitungen oder regen sich über eine Katze auf. Lisa Sandlin schreibt eher schlichte Sätze und fasst damit die Essenzen.

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