Ian Rankin: „Ein Versprechen aus dunkler Zeit“ – Die Vergangenheit vergangen sein lassen

Ein Fall für John Rebus: Der Kriminalroman „Ein Versprechen aus dunkler Zeit“ von Ian Rankin erzählt auch von schottischen Internierungslagern.
Der Schotte Ian Rankin hat seinen Ermittler John Rebus kräftig altern lassen – jetzt muss Rebus, ohnehin eine ganze Weile schon pensioniert, auch noch in eine Erdgeschoss-Wohnung ziehen, weil er die Treppen kaum noch schafft. Allerdings reicht seine Energie noch dafür, seine Nase in Ermittlungen zu stecken, die ihn nichts mehr angehen.
Und in diesem, dem jüngsten Fall mit dem Titel „Ein Versprechen aus dunkler Zeit“ („A Song For the Dark Times“) außerdem nichts angehen dürfen, weil Rebus’ Tochter verwickelt ist: Samanthas Mann Keith ist verschwunden, sie gehört als Ehepartnerin automatisch zu den Verdächtigen. Aber da ist noch die Tatsache, dass Keith sich mit einem ehemaligen schottischen Internierungs-Lager fast obsessiv beschäftigt hat, auch mit der Tatsache, dass es dort einst einen Mord und eine Hinrichtung gab. Die Reste des Lagers sollten seiner Meinung nach bewahrt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Aber es liegt auf dem Grund eines reichen Mannes, der eher Trump’sche Golfplatz-Pläne hat.
Camp 1033 also, eines von vielen Kriegsgefangenen- und/oder Internierungslagern auf britischem Grund, in die auch Menschen gesteckt wurden, die zum Beispiel einfach nur deutschstämmig waren. Rebus/Rankin führt die Leserin über das Gelände seines fiktionalen Camps 1033 (aber Schottlandreisende können in Comrie das Cultybraggan WWII POW Camp besichtigen), führt über überwucherte Wege, zu den Resten von Wellblechbaracken. „Früher mussten dort Stockbetten gestanden haben und ein Ofen, vermutlich nicht mehr.“ Leute vom Local History Workshop, einige haben die Camp-Zeit noch miterlebt oder waren gar dort untergebracht, machen dort Ausgrabungen. Keith hat sie eifrig befragt, hat seine ganze Freizeit damit verbracht, Material zu sammeln. Jetzt ist nicht nur er verschwunden, sondern auch Laptop, USB-Stick und anderes mehr. Als hätte jemand dafür sorgen wollen, dass die Vergangenheit vergangen und vergessen bleibt.
Ian Rankin, Jahrgang 1960, schickt Rebus bereits seit 1987 durch die Straßen und Kneipen von Edinburgh. Mit der Zeit wurde der Ermittler als einsamer Wolf abgelöst vom – wenn auch oft notgedrungen – Teamplayer. Dies umso mehr, als die clevere Kollegin Siobhan (gesprochen Shiv-aun) Clarke stärker ins Spiel kam. Die sich nun sogar um Rebus’ Hund kümmern darf bzw. muss, während er sich auf die Spuren der ehemaligen Camp-Insassen begibt.
Das Buch
Ian Rankin: Ein Versprechen aus dunkler Zeit. Kriminalroman. A. d. Engl. von Conny Lösch. Goldmann 2022. 510 S., 22 Euro.
Clarkes Fall eines ermordeten saudiarabischen Studenten – an dem sie vor allem zusammen mit Malcolm Fox arbeitet, dem Bedächtigen, den man so leicht unterschätzt – scheint zunächst mit Fremdenfeindlichkeit zu tun zu haben. Dann vielleicht mit Investitionen, man könnte es auch Geschäftemacherei nennen. Auch von Drogen scheint sich die Clique der jungen Schönen und Reichen nicht unbedingt ferngehalten zu haben.
Ian Rankin erzählt eher besonnen als knapp, in der Komplexität der Welt (und des Verbrechens) nimmt er selten eine Abkürzung. Auch zeichnet er seine Figuren nicht Schwarz-Weiß. Ohnehin lässt er jetzt, da John Rebus niemandem mehr hinterherrennen, keine Actionszenen mehr bestehen kann, ihm Zeit für den ein oder anderen Tee, das ein oder andere Bier. Langatmig ist das nicht, wenn der Detective Inspector im Ruhestand seine Fragen stellt. Er ist nicht mehr ganz so schroff wie früher, aber die sprichwörtliche Altersmilde ist auch nichts für ihn.
Der Ermittler, der das Ermitteln einfach nicht sein lassen kann, ist zwar ein Krimi-Klischee; aber von diesem knurrigen, in Privatdingen so ungeschickten alten Mann mag man sich noch bei der ein oder anderen Lese-Stunde begleiten lassen.