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„Er greint, heult, jammert“ - Die Donald Trump-Tagebücher

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Von: Jürgen Wagner

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Donald Trump bei einer Rede.
Donald Trump bei einer Rede. © Getty Images via AFP

Das Geheimnis ist gelüftet: Gerhard Henschel ist der Autor der „Trump-Tagebücher“.

Frankfurt - Fast könnte einem Donald Trump leidtun. John Wayne schrieb ihm, er sehe aus, als ob er „in seiner Jugend zu oft vom Pferd gefallen“ sei. Tom Waits bescheinigte ihm brieflich eine „äußerst schwere Form der Gehirnerweichung“. Und Johnny Cash wollte nur für ihn spielen, wenn er im Folsom State Prison einsitze. Rupert Murdoch immerhin hielt Trump für den geeigneten Mann, um eine Rangliste der besten Peep-Shows in New York zu erstellen. Wie Trump reagierte? Sein Tagebuch verrät’s: „Für Murdoch ein paar Miezen begutachten? Ja!! Nur wann, wann, wann?“

Unter all den investigativen Büchern über Donald Trump liefern die vor genau einem Jahr anonym erschienenen „Trump- Tagebücher“ (Hoffmann & Campe) die intimsten Einblicke in das „Denken“ des ehemaligen US-Präsidenten. Zugleich ist dies das lustigste Buch über den „größten Esel, der jemals die Geschicke der USA gelenkt hat“, wie der Autor im Vorwort schreibt. Nur hier erfährt man, an was sich Muhammad Ali beim Anblick von Trump erinnerte: an „das Grinsen im Gesicht einer überfahrenen Ratte“.

Doch wer war der Whistleblower? Wem ist diese gleichermaßen witzige und stilsichere Kunst der Attacke zuzutrauen? Nach einem Anfangsverdacht und einem Telefonat lüften wir an dieser Stelle weltexklusiv das Geheimnis: Ausgedacht und in Form gebracht (die Briefe sind im Buch als Faksimiles abgedruckt!) hat sich dies der Schriftsteller und Bob-Dylan-Übersetzer Gerhard Henschel. Wir haben mit Henschel über die Spätfolgen seiner obskuren Beschäftigung gesprochen.

Gerhard Henschel schreibt die Trump-Tagebücher

Herr Henschel, als eine Art Ghostwriter mussten Sie sich in Donald Trump hineinversetzen. Kommt man aus so einer Sache ohne Schaden wieder heraus?

In meiner Bibliothek nehmen die Bücher über Donald Trump seit letztem Jahr mehr Raum ein als die über Bob Dylan. Das ist sicherlich ein besorgniserregendes Zeichen. Ich fühle mich aber noch ganz wohl.

Laut Tagebuch haben sich viele Künstler von Trump abgewendet. Robert Crumb empfahl ihm, er solle „von seinem hässlichen Scheißturm“ springen. Gibt es da neue Entwicklungen? Man hört ja nicht mehr so viel von Trump.

O doch. Er greint und heult und jammert jeden Tag darüber, dass ihm die zweite Amtszeit gestohlen worden sei, und gespenstischerweise rutschen die führenden Republikaner vor ihm auf dem Bauche – von vier, fünf ehrenwerten Ausnahmen abgesehen.

Es gibt noch mehr Schurken auf der Welt, von Kim Jong-un über Gianni Infantino bis Sebastian Kurz. Folgen weitere Tagebücher?

Herr Infantino scheidet aus, weil er in meinem Roman „SoKo Fußballfieber“ bereits ins Gras gebissen hat, und auch Kim Jong-un und Sebastian Kurz wären als Kriminalromanfiguren wahrscheinlich ergiebiger.

Kommt Donald Trump zurück? Gerhard Henschel kennt die Antwort

Macht es eigentlich Spaß, Dokumente zu fälschen?

Ich kann Konrad Kujau seither nachfühlen, wie viel Freude ihm seine Arbeit bereitet haben muss. Es war auch vergnüglich, die gefälschten Briefe mit kleinen Gimmicks zu verzieren, also beispielsweise mit Rotweinringen, Fettflecken und Fusseln. In einem Fall haben mein technischer Assistent und ich einen aus dem Internet heruntergeladenen Floh in einen Brief eingearbeitet. Das Ergebnis ist recht ansehnlich.

Zur Person

Gerhard Henschel, geboren 1962, ist Schriftsteller und Übersetzer. Im vergangenen Jahr erschienen von Anonymus „Die Trump-Tagebücher“ (Hoffmann und Campe, 208 S., 22 Euro). Sein jüngstes Buch „Schauerroman“ (Hoffmann & Campe), erscheint kommende Woche. Es ist Band 9 der autobiographischen Martin-Schlosser-Reihe, die ein Panorama deutscher Befindlichkeiten von den 60er Jahren bis heute liefert.

War’s das? Kommt Trump zurück? Seinem Tagebuch nach zu urteilen, ist ihm alles zuzutrauen.

Er hat vor aller Augen einen blutigen Putschversuch unternommen. Wenn das Department of Justice keine Anklage gegen Trump erhebt, um ihn hinter Schloss und Riegel zu bringen, wird er alles daran setzen, die USA in eine faschistische Diktatur zu verwandeln. Als Maulwurf der Russen ist er Wladimir Putin das immer noch schuldig.

Warum sich Gerhard Henschel als Trump-Tagebuchautor outet

Haben sich Trumps Anwälte gemeldet? Und wenn ja: Lief denen beim Videotelefonat die Farbe aus den Haaren?

Es wäre mir ein Vergnügen gewesen, von Trump verklagt zu werden, doch in diesem Fall hat er gekniffen.

Und weshalb jetzt das Outing?

Das gibt mir endlich die Gelegenheit zu einer Berichtigung. Die in den Trump-Tagebüchern auf Seite 183 abgebildete Buchseite stammt nicht, wie dort angegeben, aus John Boltons Enthüllungsbuch „The Room Where It Happened“, sondern aus Bob Woodwards „Fear“. Das musste mal raus. (Interview: Jürgen Wagner)

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