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Eine SMS für Cat Morland

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Liebe und Geschichte in Großbritannien.
Liebe und Geschichte in Großbritannien. © REUTERS

Die erfolgreiche schottische Krimiautorin Val McDermid erzählt Jane Austens Roman „Northanger Abbey“ nach. Und bleibt bei allen Modernisierungen doch deutlich hinter ihrem Vorbild zurück.

Briten haben Probleme im Umgang mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, aber im Schnitt ein vitales Verhältnis zu ihren literarischen Klassikern. Nicht nur Shakespeare-Stücke werden derzeit von eigens damit beauftragten Autoren neu erzählt, variiert, auf ihre inhaltliche Übertragbarkeit in unsere Tage überprüft. Auch eine Jane-Austen-Reihe ist auf diese Weise entstanden und einer der Bände jetzt auf Deutsch erschienen. Beim Projekt des Mutterhauses Harper Collins war Val McDermids Roman „Jane Austens Northanger Abbey“ der zweite der Serie. Bei Harper Collins Germany dürften die hiesigen Erfolge der schottischen Krimiautorin die Übersetzung ermuntert haben.

Jane Austens „Northanger Abbey“, 1798/99 entstanden, später mehrfach überarbeitet, erzählt spöttisch von den Folgen übermäßigen Gruselromankonsums. Und ist in einigen Passagen selbst ein parodierender Text auf „Gothic Novel“-Routinen von quietschenden Türen bis zu haarsträubenden Mord-Theorien. Alles löst sich in eine Blamage für die Heroine und dann in Wohlgefallen auf.

Bei Val McDermid wird aus der sympathischen Vielleserin und Romantikerin Catherine Morland (17) die ebenfalls sehr junge Cat, Fan der „Twilight“-Bücher. Die Crux: Auch einer noch so begeisterten „Twilight“-Anhängerin ist kaum abzunehmen, dass sie sich in die Idee hineinsteigert, beim Aufenthalt im unheimlich abgelegenen Landschloss ihrer neuen Bekannten könnten Vampire im Spiel sein. Der Charme: Auch die echte Catherine war in dieser Sache naiver, als die Literatur erlaubt. Autorin Austens Leistung wiederum war es, das Amüsement über das Kopfschütteln allemal gewinnen zu lassen. Val McDermid, sagen wir mal, geht der federleichte Ton nicht so leicht von der Hand. Ihr Versuch einer Eins-zu-eins-Übertragung ist unterhaltsam, aber nicht enorm unterhaltsam, und sie wirkt etwas lieblos.

Geschickt wählt sie als Schauplatz zunächst das Edinburgh Festival und seine quirlige Atmosphäre – und andauernd braucht es eine Eintrittskarte, wie eben auch die Gesellschaft von Bath zu Catherine I. Zeiten nicht jedem offen stand. Werkgetreu lernt Cat hier etliche junge Leute kennen, darunter das Luder Bella (vormals Isabella Thorpe), und den hübschen Henry Tilney fast schon lieben. Der Liebe glaubt man zu allen Zeiten, das Geflirte, Geklatsche, die verbreitete Heimlichtuerei und allemal der Versuch, einer Verlobung unter heutigen Jugendlichen noch einmal eine Bedeutung zu geben, macht eher skeptisch.

Dass statt Billetts jetzt elektronische Nachrichten hin- und herfliegen, ist putzig, aber eine doch zu oberflächliche Aktualisierung, hinter der das Altmodische durchscheint: Die Mädchen müssen abwarten, die Jungen können abtauchen. Eine aparte Frage wäre natürlich, ob die Jugend sich gerade in delikaten Belangen weiter in konservativen Mustern bewegt. Allerdings stellt Val McDermid sie sich wohl nicht, sondern hält sich schlicht stets knapp hinter dem Original.

Vorwagen möchte sie sich, als Cat beim späteren, ebenfalls verbürgten Aufenthalt in Northanger Abbey (Henrys Elternhaus) gewaltigen Ärger mit dem Hausherren bekommt. Er hält sie nun aber nicht für eine Schwindlerin, was ihre finanzielle Situation betrifft, sondern für eine Lesbe. Das eine ist so konservativ wie das andere – im Gegenteil fragt man sich sogar, ob für einen englischen Landsitz-Inhaber heute die Finanzlage einer potenziellen Schwiegertochter nicht sogar ein Thema Nummer 1 ist. Aber Val McDermid ist aus irgendwelchen Gründen nicht zum Spielen und Spekulieren aufgelegt.

Val McDermid: Jane Austens Northanger Abbey. Roman. A. d. Engl. v. Doris Styron. Harper Collins, Hamburg 2016. 302 Seiten, 19,90 Euro.

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