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Das Beatles-Buch „One Two Three Four“ von Craig Brown – Total wild und derbe

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Von: Thomas Stillbauer

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April 1964 in London: Der Bildtext behauptet, dass die Beatles hier für Shakespeares „Sommernachtstraum“ probten.
April 1964 in London: Der Bildtext behauptet, dass die Beatles hier für Shakespeares „Sommernachtstraum“ probten. © AFP

Beatles-Geschichte in Anekdoten, ein unterhaltsamer und lehrreicher Spaß.

Wir wissen Bescheid über die Beatles. Alles, was die Beatles sangen und taten, alles, was sie zur berühmtesten Band der Welt machte, hat sich inzwischen längst zum 50. Mal gejährt. Aber wissen wir wirklich alles? Hier ist ein Buch, das weiß vielleicht noch mehr: „One Two Three Four – Die fabelhaften Jahre der Beatles“, vor zwei Jahren vom englischen Journalisten und Autor Craig Brown veröffentlicht, jetzt in der deutschen Übersetzung von Conny Lösch erschienen. Ein Füllhorn an Anekdoten, Erinnerungen und Geschichten. Ein unterhaltsamer und lehrreicher Spaß, einfach mit dem Finger reinzupiksen und sich überraschen zu lassen.

Hier: Seite 121, 18. April 1963, eine Party in einem Ein-Zimmer-Apartment auf der Londoner King’s Road. Hutchins (ein Journalist): „Die Fans halten euch für anständige, sittsame Jungs.“ John: „Das ist nur ein Image, und zwar ein falsches. Schaut euch die Rolling Stones an. Total wild und derbe. Wir haben das zuerst gemacht, und jetzt haben sie’s geklaut.“ Ringo: „Das kannst du ihnen nicht vorwerfen.“

Das Buch

Craig Brown: One Two Three Four – Die fabelhaften Jahre der Beatles. A. d. Engl. v. Conny Lösch. C.H. Beck, München 2022. 670 S., 29,95 Euro.

John wird dann im Verlauf des Gesprächs unflätig. Das waren sie bekanntermaßen oft in den Anfängen, besonders in der Hamburger Zeit. Da beschreibt Brown, wie sie die Mädchen rumkriegen, nein, wie sie die Mädchen gar nicht rumkriegen müssen, wie alles viel zu sehr ganz von selbst geht. Wir lesen auch, welcher Beatle wie war. Das haben wir schon öfter gelesen, aber jetzt erfahren wir detailliert, warum die Mädchen welchen der vier Beatles als Lieblingsbeatle hatten. Paul, weil er schön war (ist er ja immer noch), John „für diejenigen, die Witz und Intellekt schätzten“ (als ob er nicht auch schön gewesen wäre!), George wegen seiner Spiritualität (wie sich aber erst später herausstellt) und Ringo „aus unerfindlichen Gründen“, was noch die freundlichste Charakterisierung ist. Aus den im weiteren Verlauf aufgezählten Gründen, aus denen Mädchen angeblich in den 60er Jahren Ringo Starr liebten, möchte eigentlich niemand geliebt werden. Aber man kann ihn als Leser und Hörer auch weiterhin dafür lieben, dass er ein super Schlagzeuger ist, der Humor hat und nicht müde wird, Liebe und Frieden zu preisen.

Wie sie als Teenager Songs komponierten, John und Paul, zu zweit, bei Paul zu Hause in der Forthlin Road, steht in dem Buch. Wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass Paul irgendwas komponiert: weil seine Noch-nicht-Mutter, als Nazi-Bomben auf London fallen, beim Bruder ihrer Vermieterin übernachtet: „Als Entwarnung gegeben wird, sind sie überzeugt, füreinander bestimmt zu sein.“ Bei der Familie Harrison wird in jener Zeit das gute Ledersofa, auf dem nur zu besonderen Anlässen gesessen werden darf, bei einem Bombardement von umherfliegenden Glassplittern zerfetzt. „Hätte ich das vorher gewusst“, sagt Georges Mutter, „hätten wir uns all die Jahre auch draufsetzen können.“

Es gibt etwas zu lachen, etwas zu staunen (unfassbar, wie sehr sich die Vier innerhalb von fünf Jahren veränderten) und – wie am Ende jeder Beatleserzählung – etwas zu weinen. Aber auch Rührendes: „Liebe Beatles“, schreibt Joan aus St. Paul, Minnesota, „meint ihr, ihr könnt auf unserem Schulball am 15. Mai singen? Der Grund ist, niemand hat je auf unserem Schulball gesungen außer Marsha Goldman aus der Zehnten. Marsha singt ok, vergisst aber immer den Text. Bitte sagt ja.“

Für das Ende hat Craig Brown einen verblüffenden Kniff gefunden, der hier nicht verraten wird, klar, nur so viel: Es ist ein verblüffender Kniff. Und das Buch ist ein Wälzer, in den man immer wieder hineinplatzen kann wie der Auftaktakkord von „A Hard Days Night“.

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