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Das bringt die Buchmesse 2016

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Von: Claus-Jürgen Göpfert

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Bücher, Bücher, Bücher.
Bücher, Bücher, Bücher. © dpa

Die Frankfurter Buchmesse im Oktober will auf Aufklärung setzen – und aufs Kochen, kündigt Direktor Juergen Boos an.

Kampf um die Freiheit des Wortes fast weltweit, Krieg, Terror, Chaos – was vermag da noch die Frankfurter Buchmesse? Mehr denn je will die größte Medienschau der Welt vom 19. bis 23. Oktober ein Gegengewicht bilden. „Gerade in chaotischen Zeiten mit wenig Orientierung spielt Literatur eine wichtige Rolle“, sagt Juergen Boos in beschwörendem Ton. Der Direktor der Frankfurter Buchmesse streift das Regime in der Türkei, das Autoren ins Gefängnis wirft, erwähnt die schwindende Freiheit in Ungarn, Polen, aber auch Saudi-Arabien. Unter den mindestens 7100 Ausstellern sind Saudi-Arabien, Bahrain und Kuwait in diesem Jahr nicht mehr dabei – Boos sieht darin eine politische Abgrenzung der autoritären Staaten.

Ganz bewusst stellt die Buchmesse die „Idee der Aufklärung“ dagegen, lädt verfolgte türkische Autoren zur Diskussion ein, lässt den Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, bei der Eröffnung zur europäischen Einheit sprechen. „Dialog steht im Mittelpunkt“, sagt Boos.

Aber man darf sich nichts vormachen: Auf dem Frankfurter Messegelände sind auch die Geschäfte wichtiger denn je. Nirgendwo auf der Welt werden mehr Medienrechte gehandelt als hier: Bücher, Hörbücher, Spiele, Filme und vieles mehr. Noch vor der eigentlichen Eröffnung am Abend des 18. Oktober beginnen hinter verschlossenen Türen die Agentinnen und Agenten an 480 Tischen den Rechtehandel. „Wir starten dieses Mal so früh wie noch nie, schon während des Aufbaus der Messe“, sagt Boos. Wenn am Samstag, 22. Oktober, zum ersten Mal das allgemeine Publikum aufs Messegelände darf, sind die Geschäfte längst gelaufen, die Händler abgereist. Am Messe-Donnerstag, 20. Oktober, ist „Networking-Tag“ unter dem Motto „A Book is a Film is a Game“: An zwölf Fallbeispielen zeigen Experten, wie aus Büchern eben auch Filme und Spiele werden. „Fachmesse und Publikumsevent werden sich immer stärker trennen“, so der Direktor.

11. „The Arts+“

Und weil das Team rund um Boos ständig auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern ist, erwartet die Besucher in diesem Jahr zum ersten Mal „The Arts+“. Das ist eine neue Messe für die Kreativ- und Kulturwirtschaft innerhalb der Buchmesse. Mitveranstalterin ist die Medieninvestorin und Kunstsammlerin Christiane zu Salm. Genau deshalb haben die Veranstalter auch den 79-jährigen britischen Maler und Fotografen David Hockney zur Eröffnungspressekonferenz eingeladen – er soll die neue Geschäftsidee mit internationalem Glamour schmücken.

Bei „TheArts+“ werden teuerste Kunstbücher zu sehen sein (Boos: „Das Buch wird zum Luxusobjekt“), aber auch Museen präsentieren sich, wie das niederländische Van-Gogh-Haus. Die Google-Tochtergesellschaft Cultural Institute zeigt sich zum ersten Mal auf der Messe. Auf das Publikum am Wochenende warten dann spezielle Brillen, mit deren Hilfe sich virtuelle Welten betreten lassen.

Mit der großen Kunstschau Documenta in Kassel vereinbart die Buchmesse eine ganz besondere Zusammenarbeit. Die argentinische Künstlerin Marta Minujin sammelt auf dem Messegelände ehemals verbotene Bücher – abzugeben bei einer Stelle auf dem Messemarktplatz Agora. Das ehrgeizige Ziel: Bis zu 100 000 verbotene Bücher sollen zusammenkommen. Minujin will sie dann bei der Documenta 14 in Kassel vom 10. Juni 2017 an zeigen.

An dieser Stelle steht also das kulturelle Erbe im Zentrum. Die Buchmesse-Macher wollen aber auch ganz direkt die Sinne ansprechen und Emotionen mobilisieren. Das gelingt immer besser mit – Kochen. Frankfurt wird alljährlich während der Messetage zum Treffpunkt der internationalen Kochbuch-Community. Und es wird gekocht, gebacken und gebrutzelt, was das Zeug hält. Schauplatz sind 1000 Quadratmeter im ersten Stock der Messehalle 3, die unter dem Motto „Gourmet Gallery“ stehen. Es gibt nicht nur rund 1000 Kochbücher zu sehen und zu studieren. Angeboten werden Kochshows, Degustationen, Fachgespräche und Lesungen. Am Messesonntag, 23. Oktober, tritt hier die Hilfsorganisation ZAN für die Rechte afghanischer Frauen auf, gegründet von Nadia Qani. Einmal wöchentlich kocht Qani schon seit längerem mit Flüchtlingen in Offenbach.

Nicht weit davon entfernt, ebenfalls im ersten Stock der Halle 3, zeigen 22 Verlage mehrsprachige Bücher, die sich an Geflüchtete wenden: „Bücher sagen Willkommen“. So bricht die gesellschaftliche Wirklichkeit an etlichen Stellen immer wieder in den Messetrubel ein. Eher um Traumwelten geht es bei den „Herzenstagen“ in der Halle 4: dem neuen Liebesromanfestival auf der Buchmesse. Hier können die Fans von Herz-Schmerz-Romanen ihren Autorinnen nahekommen: „Meet & Greet“.

Neu ist auch eine „Abend-Location“, die sich speziell an „junge, wilde Branchenvertreter“ und ihr Publikum richtet. Von Mittwoch bis Samstag ist ihr Treffpunkt „zum Runter- und wieder Hochkommen“ die „Booklounge“ in der Bar AMP, Gallusanlage 2, betrieben von Ata Macias, dem Gründer des Clubs Robert Johnson in Offenbach.

Doch halt: Wo bleibt nun eigentlich inmitten des ganzen Trubels die Literatur? Buchmessen-Direktor Juergen Boos zeichnet da ein durchaus romantisches Bild, schwärmt vom Überleben der kleinen, unabhängigen Buchhandlungen: „In jeder gibt es mittlerweile einen Espresso!“ Achten Sie also beim nächsten Besuch in der Buchhandlung ihres Herzens einmal darauf ...

Zur Beruhigung: Neben Stars und Sternchen haben tatsächlich noch Autorinnen und Autoren ihr Kommen bei der Buchmesse zugesagt. Der große britische Historiker Ian Kershaw ist ebenso zu Gast wie der niederländische Schriftsteller Arnon Grunberg, der Algerier Boualem Sansal, aber auch Katja Lange-Müller und Sibylle Lewitscharoff, um einmal zwei deutsche Autorinnen zu nennen, und Ilija Trojanow, Olga Martynova und, und, und.

Rund 4000 Veranstaltungen drängt die Frankfurter Buchmesse in diesem Jahr in nicht einmal einer Woche zusammen. Wer die Messe nicht einfach nur besuchen, sondern sich auch öffentlich zu ihr bekennen möchte, kann Mitglied im neu gegründeten Freundeskreis der Buchmesse werden. Die Zahl der Mitglieder ist erst einmal auf 1000 begrenzt. Wer 60 Euro investieren möchte, bekommt dafür im Gegenzug nicht nur ein rotes Bändchen fürs Handgelenk, sondern Zugang zum Messegelände auch an den Fachbesuchertagen, reservierte Sitzplätze im Lesezelt auf der Agora und anderes mehr (Infos unter www.buchmesse-freundeskreis-shpo.de).

Das Führungsteam um Juergen Boos macht sich wieder auf einen großen Ansturm auf das Messegelände gefasst. Im vergangenen Jahr kamen rund 270 000 Menschen.

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