"Alle lieben Obelix"

Am Donnerstag erscheint "Asterix in Italien". Es ist eine Liebeserklärung an den so herrlich irrationalen Hinkelsteinträger Obelix. Unser Autor Axel Veiel hat Texter und Zeichner getroffen.
Beim Teutates! Das zumindest ist verbürgt: Alle Wege führen nach Rom bei diesem Wahnsinnsrennen quer durchs antike Italien. Auch die schauderhaftesten Schlaglochholperpisten, auf denen Obelix und Asterix in ihrem neuesten Abenteuer dahinrumpeln. Auch die Sackgassen. Jawohl, Obelix und Asterix. Nicht andersherum, auch wenn der Titel des neuen, am heutigen Donnerstag in 25 Ländern erscheinenden Heftes „Asterix in Italien“ dies nahelegt.
Der Hinkelsteinträger nimmt diesmal nämlich die Dinge in die Hand. Obelix hält hoch auf dem gallischen Wagen die Zügel, steuert das Pferdegespann bei der von Cäsar veranstalteten Tour d’Italie – klapper, schepper, wieher, kreisch – von Monza über Siena und Rom nach Neapel. Was nicht heißt, dass Asterix im Schatten des beleibten Gefährten stünde. Als Co-Pilot denkt und lenkt er mit.
Nicht, dass Rom sich keine besseren Verkehrswege leisten könnte. Aber das Geld wird halt woanders gebraucht. Orgien zum Wohle der Mächtigen heißt es zu finanzieren. Wenn die Regenten glücklich sind, hat ja bekanntlich auch das Volk was davon. Wobei im Fall des mächtigsten aller Regenten, des Imperators Julius Cäsar, zum Glück auch weltweiter Ruhm gehört. Weshalb dieser eben auf Anraten des Verkehrssenators Lactus Bifidus als Ausrichter eines internationalen Wagenrennens ins Rampenlicht getreten ist, nicht ohne dem Senator ins Pflichtenheft zu schreiben, dass das römische Gespann als Sieger durchs Ziel zu gehen hat.
Mit vier PS auf Olivenöl
Die frohe Kunde vom internationalen Rennwettbewerb erreicht nicht nur Briten, Goten oder Perser, sondern auch Gallier. Und als Obelix, der angesichts des Aufkommens federleichter Dekor-Hinkelsteine in eine Sinnkrise abzugleiten droht, von einer Wahrsagerin erfährt, dass er als Renn-Champion Furore machen wird, ist kein Halten mehr.
Texter Jean-Yves Ferri und der Zeichner Didier Conrad brennen ein Ideenfeuerwerk ab, dass nur so die Funken sprühen. Neu- oder Gebrauchtwagen? Die Wahl fällt auf einen zweirädrigen Holzkarren mit gallischem Hahn als Gallionsfigur und einem Vier-PS-Motor in Gestalt von vier gestressten Schimmeln. Afrikaner ziehen naturgemäß Kamele oder Zebras als Zugtiere vor. Lusitaner versuchen im Fischkopfkarren ihr Glück, ein angesichts der in Kanälen und Lagunen endenden Verkehrswege Veneziens weiser Entschluss.
Und dann wird es so richtig herb. Auf Italiens Straßen herrscht, wen wundert’s, Olivenölglätte. Der Überschuss an Fett geht gelegentlich einher mit einem Mangel an Wildschweinen, ein Manko, das Obelix zumal in Vesperpausen zusetzt. Das gallische und gotische Wagenlenker noch heute verwirrende Labyrinth der Gassen von Siena macht ihren Vorfahren das Reisen nicht minder zur Qual. Und in Rom dann noch dieser Berufsverkehr! Müssen denn aber auch alle Beamten zur gleichen Zeit ihre Amtsstube verlassen?
Sie müssen. Ferri und Conrad, seit 2013 geistige Ziehväter von Asterix und Obelix, haben es so gewollt. Und sie allein haben nun das Sagen. Der Zeichner Albert Uderzo, der mit dem Texter René Goscinny 1959 Asterix und Obelix erschaffen und nach dem frühen Tod Goscinnys das Schicksal der gallischen Recken allein bestimmt hatte, ist mit 90 Jahren ein Schatten seiner selbst. So gern er den Nachfolgern auch weiterhin auf die Finger sehen, ihnen gar die Hand führen würde, er kann es nicht mehr. In einer Videobotschaft hatte er kürzlich mit stockender Stimme von Gesundheitsproblemen berichtet, die es ihm leider auch verwehrten, bei der offiziellen Präsentation des neuen Heftes dabei zu sein.
In Asterix und Obelix hineindenken
Und so sind es nun Ferri und Conrad, die kurz vor Erscheinen des Bandes fern aller Schlaglöcher, Staubwolken und Fettfilme im makellosen Glaspalast des Hachette-Verlags offenbaren, was sie sich so gedacht haben beim Schreiben und Zeichnen. Das heißt: So viel gedacht haben sie dann auch wieder nicht. „Das ist nicht so, dass ich gezielt in eine große Trickkiste greife, vieles ist Intuition“, erzählt Conrad.
Arbeitet das Duo also aus dem Bauch heraus, hört auf innere Stimmen, quittiert deren Witz und Genialität mit befreitem Lachen? Diesmal ist es Ferri, der abwinkt. Eine durch und durch ernste Angelegenheit sei das Erarbeiten einer Asterix-Geschichte, versichert der Mann mit ernster Miene. In der Abgeschiedenheit der französischen Pyrenäen, wo er zur Welt kam und aufwuchs, pflegt er sich in Asterix und Obelix hineinzudenken, die Tür zum Arbeitszimmer fest verschlossen. Allenfalls dann und wann lasse er sich eine Portion Pyrenäenschinken unten durch Türspalt schieben, sagt er. Mehr Ruhestörung sei nicht.
Trockener Humor spricht aus diesen Worten, wie er ja auch Ferris gallischen Alter Egos zu Eigen ist. Hier ein Augenzwinkern, dort eine Anspielung, dazu Conrads filigraner Strich, das genügt. Wenn die Arbeit freilich getan ist, wenn sich in Ferris Gegenwart die Leser amüsieren, dann ist der Bann gebrochen: „Das Lachen der Leser steckt an, da lache ich mit.“
„Der Austausch zwischen uns zwei ist aber schon auch manchmal vergnüglich“, wirft Conrad ein. Wobei die beiden anders als einst Uderzo und Goscinny nicht auf einem Pariser Balkon bei einem Pastis die Köpfe zusammenstecken und überlegen, was Asterix und Obelix so alles zustoßen könnte. Der aus Marseille stammende Zeichner, wie Ferri 58 Jahre alt, lebt in Texas. „Wir mailen und skypen oft“, sagt Conrad, „2013 haben wir uns ja überhaupt erst kennengelernt.“
Ferri reicht Details. „Ich arbeite wie ein Dramaturg, schicke Conrad nicht ein paar Textzeilen, sondern ganze Szenen“, erzählt der Texter. Im fernen Houston schleife der Empfänger dann an den Ecken herum, schicke das Bearbeitete zurück, wo dann in den Pyrenäen wiederum einiges weggeschnitten werde. Es sei wie bei der Musik, die Bildfolge müsse letztlich einem gewissen Rhythmus folgen.
Kommerz und Korruption überschatten das Sportereignis
Politische Aktualität scheint durch den Türspalt ebenfalls den Weg zu Ferris Schreibtisch gefunden zu haben. Kommerz und Korruption überschatten das sportliche Großereignis. Auch stellt sich während des Wagenrennens die Frage, ob sich vom Zentralstaat vereinnahmte Völker, damals Veneter, Etrusker, Umbrer, Apulier, Gallier oder auch Goten, gegeneinander ausspielen lassen oder besser gegen die Besatzer verbünden sollten. „Wir sind Konkurrenten, keine Feinde“, appelliert Asterix an den Gemeinsinn der Unterdrückten. Katalonien lässt grüßen.
Den Gedanken, Obelix stärker herauszustellen, ihm die Zügel in die Hand zu drücken, hatte Ferri schon länger. „Alle lieben Obelix, dieses zu groß geratene Kind, das etwas tollpatschig ist und ein großes Herz hat, und ich liebe ihn ganz besonders“, sagt der vom Körperbau wesentlich mehr an Asterix erinnernde Texter. Die Sympathie rühre auch daher, dass er in Obelix etwas von sich selbst finde, etwas Irrationales, das es einem Menschen erlaube, zu tun, wozu er Lust habe. Es sei an der Zeit gewesen, Obelix in einem Album angemessen herauszustellen.
Womit sich die Rebellion gegen Überkommenes aber auch schon erschöpft. An Charakteren und Erzählrahmen, die sich in 36 Asterixabenteuern herausgebildet haben, wird auch im 37. nicht gerüttelt. Der Abschied der Helden am Palisadenzaun des Dorfes, ihre mit Wildschweingelage zu zelebrierende glorreiche Wiederkehr zählen dazu. Nicht zu vergessen der obligate Bösewicht, in diesem Fall bedacht mit dem Namen Bleifuß. Und natürlich geht auch das 37. Abenteuer gut aus, nach allfälligen Keilereien und Karambolagen, versteht sich. Die beglückende Botschaft des neuen Bandes ist die alte: Freundschaft, Treue und Großzügigkeit zahlen sich aus, der Kleine kann die Großen besiegen, auch er kann austeilen, auch er muss sich nicht alles gefallen lassen.
Gewiss, der Verkehrssenator rät, Asterix und Obelix kurz vor dem Ziel festnehmen und deren Gefährt beschlagnahmen zu lassen. Cäsar aber ist der Kollateralschaden zu groß. Vor aller Völker Augen als Rennbetrüger dastehen, nein, das will er nicht – oder vielmehr: Das wollen die Autoren nicht. „So tief wollten wir Cäsar moralisch nicht sinken lassen“, sagt Ferri, „wir brauchen ihn schließlich noch fürs nächste Heft.“