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"Das Abentheuer auf dem Katheder überstanden"

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Nirgendwo sonst zeigte er sich so lebhaft: Friedrich Schillers Briefe sind Spiegelbilder eines intensiven Fühlens und Denkens - Verschiedene Ausgaben liegen zweihundert Jahren nach seinem Tod vor

Von URSULA HOMANN

Nur wenige Dichter haben einen so umfangreichen Briefwechsel hinterlassen wie Friedrich Schiller. Mehr als zweitausendzweihundert Briefe sollen es sein. Dabei ist Schillers Korrespondenz keineswegs vollständig erhalten geblieben. Gerade in so genannten Herzensdingen fehlt uns so manches Zeugnis. Sei es, weil frühe Liebschaften keine Ahnung hatten, dass sie einem künftigen Klassiker begegnet waren und Schillers Liebesbriefe weggeworfen haben; sei es, dass Schillers Tochter Emilie von Gleichen-Rußwurm Dokumente vernichtet hat, die sie für unschicklich hielt.

Dabei ermöglichen dem Wissbegierigen gerade Schillers Briefe, den Dichter näher kennen zu lernen und etwaige Vorurteile abzulegen, die sich gegen ihn als Klassiker inzwischen überall breit gemacht haben. Denn nirgends zeigt er sich als Mensch und als Dichter so deutlich und unmittelbar wie in seiner Korrespondenz. Immerhin war Schiller außerordentlich mitteilsam, gesprächs- und freundschaftsbereit und sprach ebenso gern wie er schrieb. In seinen Briefen hat er seine Freundschaften ausgelebt und seine Gegner beim Wort genommen. In ihnen spricht er unverstellt als Freund und Liebhaber, als kluger Gesprächs- und Geschäftspartner, der seine wirtschaftlichen Interessen verfolgt, als selbstkritischer Schriftsteller, der sich lebenslang um sein Werk und dessen "Vermarktung" bemüht, als fürsorglicher Sohn, als selbstbewusster Professor, als umsichtiger Herausgeber, als zufriedener Ehemann, und als besorgter und zugleich heiterer Vater. "Ich kann nicht beschreiben", berichtet Schiller in einem Brief an seine Eltern über seinen Sohn, "wie viel mir das Kind ist", und nach dem dritten Kind, "alle drei machen mir große Freude, und geben mir eine neue Existenz". Gelegentlich kommt auch der kummervolle Alltag zum Vorschein, so wenn er Tage und Nächte lang am Krankenbett seiner Frau verbringt.

Ein Meister der Kondolenz

Die umfassendste Auswahl aus Schillers Briefwechsel mit über hundert Adressaten unterbreiten gegenwärtig in einer handlichen, eleganten Form die beiden letzten Bände der Schiller'schen Werkausgabe im Deutschen Klassiker-Verlag, abgesehen von den zwischen 1956 und 1992 erschienenen zehn Briefbänden der Nationalausgabe. Für die Klassiker-Ausgabe wurden 890 Briefe ausgewählt, darunter 28 Briefe, die erst nach Erscheinen der Briefbände der Nationalausgabe zugänglich waren. Auch zeichnet sich der Abdruck der Briefe dadurch aus, dass sie, im Gegensatz zu anderen Ausgaben, ohne modernisierende Bearbeitung, also ohne Berücksichtigung der jüngsten Rechtschreibreform, in der Originalschreibweise dargeboten werden.

Schillers Korrespondenz begann während der Carlsschulzeit, als Jugendfreunde seine ersten Briefpartner waren. Sie handelt von Freundschaft und von der Aufkündigung von Freundschaften. Ein rhetorisches Meisterstück ist der Kondolenzbrief an den Vater seines früh verstorben Freundes August von Hoven. Während seiner Flucht- und Wanderjahre waren die Adressaten vielfältig: der Mannheimer Intendant Wolfgang Heribert von Dalberg, Henriette von Wolzogen, die Schiller von Dezember 1782 bis Juli 1783 in Bauerbach Asyl gewährt hat, sowie der Meininger Bibliothekar und spätere Schwager Wilhelm Friedrich Hermann Reinwald.

Nach seiner Flucht nach Mannheim teilt Schiller am 6. November 1782 seiner Schwester Christophine mit, dass seine "völlige Trennung vom Vaterland und Familie nunmehr entschieden ist". In den Briefen an die Schwester stehen Familienberichte im Vordergrund. Aus vielen spricht tiefe Sorge um die Eltern. Nach dem Tod des Vaters am 19. September 1796 schreibt der Dichter seiner Mutter einen bewegenden Trostbrief. Hervorzuheben sind auch Schillers Briefe an die Schwestern Lengefeld, in denen er beiden seine Liebe gesteht.

Vorrangig aber konzentrierte sich Schillers Korrespondenz im Laufe seines Lebens auf drei ihm nahe stehende Menschen. Den sein Leben am längsten begleitenden Briefwechsel führte er mit Christian Gottfried Körner. Das große, vom 3. Mai 1792 bis zum 2. April 1805 dauernde Briefgespräch mit Wilhelm von Humboldt zeichnet sich weniger durch seinen Umfang als durch seine Intensität aus. Eine bedeutende und für die deutsche Literaturgeschichte einzigartige Brieffreundschaft entwickelte sich in Schillers letztem Lebensjahrzehnt mit Goethe.

Viele der im Klassiker-Verlag abgedruckten Briefe handeln von Schillers Arbeit, vom Schreiben, das seinem Tagesablauf bestimmt, und sind vor allem deshalb ungewöhnlich, weil man an ihnen die Entwicklung einer vielseitigen Individualität beobachten kann, die sich nie mit dem Erreichten zufrieden gibt.

In seiner Einführung zum ersten Band weist Georg Kurscheidt darauf hin, dass Schiller mit Vorliebe den Brief als Medium philosophischer und ästhetischer Reflexion genutzt hat, wie etwa im Fall der Kallias-Briefe an Körner, der Briefe an den Herzog von Augustenburg aus dem Jahr 1793 und der poetologischen Briefe an Humboldt und vor allem an Goethe. In den Briefen an Körner und den Herzog von Augustenburg überwiegt der Essay-Charakter so sehr, dass diese Briefe in der Frankfurter Ausgabe den Theoretischen Schriften Schillers in Band acht zugewiesen wurden.

Wem die Briefbände der Klassiker-Ausgabe zu kostspielig und zu umfangreich sind, ist mit Helmut Koopmanns Band Schillers Leben in Briefen ebenfalls gut bedient. Dieser Band enthält nur knapp ein Drittel der in den Klassiker-Bänden aufgeführten Briefe, dafür wartet er aber auch mit einigen Briefen auf, die uns die beiden großen Bände vorenthalten. Der Kreis der Adressaten ist zwar erheblich kleiner. Doch sind die Kommentare und Erläuterungen des ausgewiesenen Schiller-Experten Koopmann zu den Briefen noch ausführlicher und mitunter stringenter auf den Inhalt bezogen als in den Klassiker-Bänden. Denn Koopmann gliedert die Briefe in einzelne Abschnitte mit den wichtigsten Briefpartnern und bindet jeden Briefkomplex in einen Essay ein, der die Zusammenhänge erläutert, die Briefe auswertet, Schwerpunkte hervorhebt und den Stellenwert des jeweiligen Briefwechsels in der gesamten Korrespondenz Schillers begründet. Auf diese Weise vermittelt auch dieser Band eine lebendige, authentische Darstellung von Schillers Leben im Spiegel seiner Briefe.

Über Schillers Korrespondenz gibt es jedoch nicht nur so genannte Gesamtausgaben, sondern auch einzelne Bände über seinen Briefwechsel mit nur je einem Briefpartner, wie etwa den Briefwechsel mit Christian Gottfried Körner, den Christine Theml unter dem Titel Wem der große Wurf... herausgegeben hat. In ihrer Vorbemerkung erklärt sie, dass Friedrich Hebbel gemeint habe, erst nach dem Briefwechsel Schiller-Körner könne "eine gültige Biographie des Dichters" geschrieben werden, so reich an biografischen Bezügen seien diese Briefe. Denn beide, Schiller und Körner, pflegten eine rege Korrespondenz. Als Schiller Körner 1785 kennen lernte, hatte er ein Medizinstudium hinter sich, die Flucht aus der Heimat mit allen Konsequenzen überstanden und drei Dramen verfasst. Auch wenn diese Briefe "nur" aus Schillers Jenaer Zeit stammen, also die Jahre 1789 bis 1799 umfassen, so erhält der Leser durch sie doch einen guten Einblick in das gesellschaftliche Treiben jener Zeit und in das persönliche wie geistige Leben der beiden Freunde. Man erfährt vom Aufsehen, das Schillers Antrittsvorlesung in Jena hervorgerufen hat - "vorgestern als den 26sten habe ich endlich das Abentheuer auf dem Katheder rühmlich und tapfer bestanden, und gleich gestern wiederhohlt" berichtet Schiller dem Freund am 28. Mai 1789 - , sowie von seinem Verhältnis zu den Professorenfamilien und zur Stadt, von der Ehe mit Charlotte von Lengefeld, vom Vaterwerden und dergleichen mehr, vor allem aber von seinem unermüdlichen Ringen um sein Werk. Daneben ziehen sich durch etliche Briefe Schillers finanzielle Sorgen und gesundheitliche Nöte.

Die Heimat der Ehe

Im selben Verlag erschien in ähnlicher Aufmachung Schillers Briefaustausch mit Charlotte von Lengefeld. Er trägt den Titel Auch meine Liebe ist still und erzählt von Schillers behutsamer Annäherung an seine künftige Lebenspartnerin. Später hat er seiner Frau nur noch geschrieben, wenn sie getrennt waren. Diese Briefe wiederum lassen erkennen, dass aus dem früher so stürmisch werbenden Bräutigam ein sorgsamer Hausvater geworden ist, der seine Frau über Alltäglichkeiten unterrichtet, aber kaum noch über seine seelischen Befindlichkeiten schreibt. Zweifellos bot ihm diese Ehe eine Art "Heimat", ohne die der Dichter in seinen letzten Jahren wohl kaum so unablässig schöpferisch hätte tätig sein können, wie es der Fall war.

Eine besondere Kostbarkeit bietet die von Norbert Oellers geschickt getroffene und mit knappen Erläuterungen versehene Auswahl von zweiundzwanzig Briefen in einer luxuriösen, bibliophilen Ausgabe mit Faksimiles und Transkriptionen. Sie gewährt nicht nur einen Eindruck von der Denkart des deutschen Klassikers sondern auch von seiner Schreibweise. "Die Klarheit und Fryheit der Handschrift besticht", hatte schon Goethe festgestellt. In der Tat, so ist es. Schrift und Inhalt bilden in ihrer Schönheit und vollendeten Form eine sinnfällige Einheit und machen uns mit einem Briefschreiber vertraut, der seine Worte wohl zu setzen weiß und sich ganz auf den Adressaten einstellt, einerlei ob er seine Zeilen an den württembergischen Herzog Carl Eugen richtet, an den Vater seines toten Mitschülers, an seine zeitweilige Beschützerin Henriette von Wolzogen, an seine Freunde oder seinen Verleger Johann Friedrich Cotta, an seine Mutter oder seine Schwestern.

Schillers Briefwechsel mit August Wilhelm Schlegel gehört zu den wichtigsten Dokumenten der literarischen und privaten Beziehungen zur Zeit der Weimarer Klassik und Jenaer Romantik. Diesen Briefwechsel präsentiert die jetzt erschienene, ebenfalls von Norbert Oellers herausgegebene Edition zum ersten Mal in einer selbständigen Veröffentlichung mit je einundzwanzig Briefen von beiden Partnern und ausführlichen Erläuterungen. Zudem sind acht Briefe - je vier von Schiller und Schlegel - faksimiliert wiedergegeben und dürften wie die "Schönen Briefe" vor allem Graphologen herausfordern.

Zunächst hatte sich Schillers Verhältnis zu Schlegel, der seinetwegen im Mai 1796 nach Jena gezogen war, günstig entwickelt. August Wilhelm Schlegel richtet seinen ersten Brief an Schiller am 4. Juni 1795 aus Amsterdam mit ausgesuchter Höflichkeit. Schiller antwortet in derselben Tonlage. Es geht um August Wilhelm Schlegels Mitarbeit an den Horen und am Musen-Almanach.

Am 12. Juni 1995 richtet Schiller an Schlegel folgende Zeilen: "Sie haben durch den schönen Beitrag, den Sie in Ihrem Dante zu den Horen gegeben, ein zu entschiedenes Verdienst um den glücklichen Fortgang dieses Journals, als dass ich Ihnen nicht den verbindlichsten Dank dafür sagen sollte." Schiller nennt Schlegel, "mein vortreflicher Freund" und schließt seine Briefe zuweilen mit: "Ganz der Ihrige Schiller." Schlegel wiederum zeigt sich hocherfreut über Schillers "gütige Zuschriften". So geht es eine Weile hin und her - in einem fast zu höflichen Ton nach unserem Geschmack -, bis es zum Bruch kommt und zwar durch Friedrich Schlegels kritische, von Schiller als verletzend empfundene Rezensionen des Musen-Almanachs für das Jahr 1796 und der Horen.

Sogleich macht der Herausgeber der Horen kurzen Prozess. Er kündigt im Mai 1797 August Wilhelm Schlegel Freundschaft und Mitarbeit auf mit folgenden Worten: "da ich aber vernehmen muß. dass mich H.Frid.Schlegel zu der nehmlichen Zeit, wo ich Ihnen diesen Vortheil verschaffe, öffentlich deßwegen schilt, und der Uebersetzungen zu viele in den Horen findet, so werden Sie mich für die Zukunft entschuldigen". Schiller bricht die Verbindung ab, "die unter so bewandten Umständen gar zu sonderbar ist, und mein Vertrauen zu oft schon compromittierte". Schlegel versucht sich zu rechtfertigen, aber vergeblich, für Schiller ist und bleibt das gegenseitige Vertrauen zerstört.

Am bedeutsamsten ist freilich Schillers Briefwechsel mit Goethe. Kein Wunder, dass zu Schillers zweihundertstem Todestag dieser gleich in drei Sonderausgaben wieder aufgelegt wurde: in einer revidierten Neuausgabe der 1966 zuerst von Emil Staiger betreuten Edition des Insel-Verlags, die ab 1977 um 22 Illustrationen erweitert als Inseltaschenbuch zu haben war, sowie in zwei inhalts- und seitenidentischen Neuauflagen - in Leinen bei Hanser und als Taschenbuchausgabe bei Goldmann -, denen zwei Bände aus der vom Hanser Verlag 1990 verlegten Goetheschen Werk-Ausgabe zugrunde liegen.

Dieser Briefwechsel konfrontiert uns mit der Freundschaft von Schiller und Goethe. Begonnen hatte diese, die dann zu einem regen Briefkontakt führte, bekanntlich an jenem denkwürdigen Abend nach einer Veranstaltung der "Naturforschenden Gesellschaft" im Hause des Mediziners und Botanikers Karl Batsch, das beide "zufällig" gemeinsam verließen. Gefestigt wurde ihre Freundschaft alsbald durch einen Brief von Schiller an Goethe, in dem er ein Psychogramm seines Dichterkollegen entwarf, das schließlich in dem Satz mündete: "So ungefähr beurteile ich den Gang Ihres Geistes." Goethe, der seinem Kollegen bis dahin viele Jahre lang aus dem Weg gegangen war, betrachtete dessen Beurteilung als die "Summe meiner Existenz". Diese und zahlreiche andere Briefe sind in den Sonderausgaben nachzulesen. Durch sie lernt man einen einzigartigen Briefwechsel kennen, der sich, bei Licht betrachtet, als fortlaufender Werkstattbericht zweier schöpferischer Menschen erweist, die bestrebt sind, einander zu ergänzen und voneinander zu lernen.

Im Gespräch mit Goethe

Man erlebt mit, wie beide die im Entstehen begriffenen Werke kritisch kommentieren und durchsprechen, wie sie gemeinsam die Grundgesetze der Dichtung und ihrer Genres aufzudecken und die eigene Praxis poetologisch zu fundieren suchen und dabei die klassische Kunsttheorie entwickeln. Manchmal stößt man beim Lesen der Briefe auf Sätze, die schmunzeln lassen, etwa wenn Schiller seinem Kollegen mitteilt: "Montag erhalten Sie den Wallenstein ganz. Tot ist er schon und auch parentiert (,Leichenrede gehalten')", worauf Goethe ihm "zum Tode des theatralischen Helden!" gratuliert und den frommen Wunsch anhängt: " könnte ich doch meinem epischen vor eintretendem Herbste auch das Lebenslicht ausblasen".

Köstlich ist ebenfalls, wenn bei Schiller hin und wieder der Schalk durchbricht. Am 30. November 1803 meint er gegenüber Goethe, dass sich sein philosophierender Landsmann Hegel nicht allgemein verständlich ausdrücken könne, im Gegensatz zum Kunsttheoretiker, Professor und Bibliothekar Karl Ludwig Fernow, der diese Gabe zwar besitze, aber wenig Substanz habe. "Suchen Sie doch Hegeln und Fernow einander näher zu bringen, ich denke es müßte gehen, dem einen durch den andern zu helfen. Im Umgang mit Fernow muß Hegel auf eine Lehrmethode denken, um ihm seinen Idealismus zu verständigen, und Fernow muß aus seiner Flachheit herausgehen."

"Goethes und Schillers vereinte Literaturpolitik nahm in der deutschen Geschichte einen nicht zu übersehenden Einfluss auf das kulturelle und politische Leben der Nation", merkt Manfred Beetz, der Herausgeber der Hansa- und Goldmann Ausgabe, in der Einführung an und lobt die "langjährige Bemühung der Auseinandersetzung und Annäherung, die auf beiden Seiten von einer außerordentlichen Dialogfähigkeit zeugt".

Goethe findet in Schiller den kongenialen Ansprechpartner und umgekehrt. Zwei literarische Genies mühen sich in intensiven Austausch und kreativem Wettbewerb um "wechselseitige Perfektibilität". Beetz bringt den Unterschied der beiden Dichter wie folgt auf den Punkt: Schiller predigte das "Evangelium der Freiheit", während Goethe die Rechte der Natur nicht verkürzt wissen wollte. "Dass Schiller Kunst und Kunsttheorie, dagegen Goethe die Natur als Gegenstand des Gesprächs nennt, braucht uns nicht zu beirren", schrieb einst Emil Staiger in seiner Einführung. Der intensive gedankliche Austausch der beiden Dichter bewirkte (darauf weisen sowohl Beetz als auch Staiger hin) eine reiche literarische Ernte auf beiden Seiten. Goethe vollendete Wilhelm Meisters Lehrjahre und andere Texte und kam mit seinem Faust gut voran. Schiller wiederum arbeitete an seinem Wallenstein und schuf wie Goethe unzählige Gedichte und Balladen, die es ohne das freundschaftliche Zusammenwirken der beiden Dichter wahrscheinlich nie gegeben hätte. Nach Schillers Tod bewahrte Goethe einen der letzten Briefe Schillers "als ein Heiligtum" unter seinen Schätzen auf, wie er Eckermann am 24. Februar 1825 gestand.

Natürlich gibt es kleine Unterschiede zwischen den einzelnen Ausgaben. Die Hanser- Ausgabe bietet mit ihren 1015 Briefen neun mehr als die Insel-Ausgabe und drei sogar in Faksimile, ferner Briefe von Goethe an verschiedene Adressaten über seine Korrespondenz mit Schiller, die er verschickte, als er im Begriff war, seinen Briefwechsel mit Schiller herauszugeben.

Hier kommen Zeitgenossen der beiden Dichter über den 1828/29 erschienenen Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe zu Wort. Aber nicht alle äußern sich so freundlich und verständnisvoll wie Wilhelm von Humboldt und Caroline von Wolzogen. August Wilhelm Schlegel bemerkt beispielsweise: "Viel kratzfüßelnde Bücklinge macht dem gewaltigen Goethe Schiller; dem schwächlichen nickt Goethes olympisches Gold." Christian Dieter Grabbe wiederum befindet, dass man diesen Briefwechsel "ewig unter ihrem Siegel hätte ruhen lassen und nie der Welt zum Skandal mitteilen sollen." - "Schiller und Goethe, ihre beiden Heroen am deutschen Dichterhimmel, brauchtet euren Glanz nicht mit den Erbärmlichkeiten eures Privatlebens zu umnebeln." Dagegen erhob Emil Staiger vor einigen Jahren empörten Einspruch: "Törichter kann man wohl schwerlich sprechen. Wo finden sich ,Erbärmlichkeiten' in diesen mehr als tausend Briefen?"

In den Insel-Band wurden weniger Zeugnisse zur Rezeption aufgenommen als in die Hanser-Ausgabe. Allerdings gibt es dort einige neuere Stellungnahmen, wie die von Georg Lukács, Brecht und Hugo von Hofmannsthal, der den Goethe-Schiller-Briefwechsel zu jenen Büchern zählte, die er, "wenn man unter allen existierenden Büchern eine geringe Zahl auswählen müsste, am schwersten vermissen würde". Während die Hanser-Ausgabe Brief für Brief kommentiert, werden in der Insel-Ausgabe nicht alle Briefe mit ausführlichen Bemerkungen bedacht. Nicht verschwiegen sei ferner, dass Emil Staigers Einführung im Insel-Band leichter zu lesen ist als die von Manfred Beetz. Sie ist lebendiger und anschaulicher, da der Herausgeber von vornherein die Absicht hatte, den Briefwechsel weiteren Kreisen zugänglich zu machen.

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