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Zum letzten Mal ZDF-Nachtstudio

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Volker Panzer, fünfzehn Jahre Moderator und immer neugierig.
Volker Panzer, fünfzehn Jahre Moderator und immer neugierig. © ZDF

Am Kamin sprach Volker Panzer mit seinen Gästen über fast alle Themen auf etwas andere Art und Weise. Am Sonntag erleben er und seine Zuschauer die letzte Sendung des „ZDF-Nachtstudio“.

Von Dirk Pilz

Am Sonntag setzt sich Volker Panzer zum letzten Mal vor seinen Fernsehkamin, um mit sechs Gästen darüber zu sprechen, wie viel Kultur der Mensch braucht. Danach wird das „ZDF-Nachtstudio“ Geschichte sein. Volker Panzer, der Moderator, ist 65, er geht in Rente und mit ihm die Sendung. Fünfzehn Jahre hat es sie gegeben, 2500 (in Worten: zweitausendfünfhundert!) Gäste kamen. Sie durften rauchen und vom Wein nehmen. Es gab kein Publikum im Studio, also auch keine Großaufnahmen von Tante Emma aus Schnarrtanne. Es wurden einstündige Gespräche geführt und keine Talkshows performt. Es war immer, als spiele die Quote keine Rolle. Auch das ist jetzt vorbei. Ach.

Aber gut, stimmen wir nicht in den Chor der Niedergangssänger ein, obwohl auch dieses Sendungsende Anlass böte, dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen die Leviten zu lesen, weil es unsere Gebührengelder lieber in Projekte versenkt, die sich um hohe Werte im Peinlichkeitsranking bemüht (hallo Olli Kahn nach Heringsdorf am Fußballstrand!). Stimmen wir dagegen ein Loblied an: Fünfzehn Jahre hat es das gegeben? Man stelle sich vor! Fünfzehn Jahre geist-, gedanken- und witzreiche Gespräche über Gott und die Welt! Und fast nie war’s anbiedernd oder insiderisch!

Die erste Sendung hieß: „Fernsehen – der Kult im Kasten“. Es sollte mit diesem Format verhandelt werden, so der damalige Hauptabteilungsleiter, was tiefliegende Wurzeln und weitreichende Konsequenzen hat. Genau das hat das „Nachtstudio“ getan, mit Langzeitfolgen für die Zuschauer. Der Biologe Josef H. Reichholf erklärte, warum die Ausbreitung des Mais’ eine Katastrophe ist; man ist danach anders an den Maisfeldern vorbeispaziert. Der Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibesfeld imitierte den Ruf der Graugänse; man hörte sie seitdem anders rufen. Heinrich August Winkler pries Preußen, Reinhold Messner die Berge, und Robert Gernhardt war einfach immer komisch.

Wahrscheinlich war auch das ZDF überrascht, dass die Leute so etwas tatsächlich sehen wollen (zwischen drei- und fünfhunderttausend, immerhin). Anders lässt sich kaum erklären, dass die Chefs die Sendung so lange am Leben ließen. Denn eigentlich spricht der öffentlich-rechtliche Ideologieapparat dagegen, ist er doch von dem Glauben getragen, dass die Zuschauer Deppen seien und seifige Berieselung wollen, wenn sie überhaupt etwas wollen.

So gesehen: Volker Panzer hat das Unwahrscheinliche wirklich werden lassen. Er hat etwas getan, was sonst kaum jemand tut im Fernsehen: Er hat Gespräche geführt. Er hat von seinen Gästen wirklich etwas wissen wollen, also zuhören können. Seine Fragen zielten nie darauf, schlagzeilentaugliche Statements zu produzieren. Panzer war einer, der seine Rolle als Gedankengeburtshelfer verstand, ein neugieriger, uneitler Moderator, der Moderieren im Wortsinne (moderieren, lateinisch von moderare, „mäßigen“, „lenken“) als Gesprächslenkung um der Sache willen verstand. Das zum Beispiel unterschied ihn von den Herren Sloterdijk und Safranski, deren „Philosophisches Quartett“ ja unlängst auch eingestellt wurde.

Wie viel Kultur braucht der Mensch?, das Thema der letzten Sendung mit den Liedermachern Dota Kehr, Konstantin Wecker und Hannes Wader und mit dem Schriftsteller Hanns-Josef Ortheil und der Publizistin Cora Stephan, ist Stoff für sehr lange Nächte. So viel aber steht fest: Eine Sendung wie das „Nachtstudio“ braucht das Fernsehen um seiner eigenen Kultur willen. Seien wir dankbar für die Vergangenheit: Werter Herr Panzer, vielen Dank!

ZDF-Nachtstudio, 24.6., 0.20 Uhr.

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