„Wolken“ in Bad Homburg: Die sich nicht halten lassen

„Wolken“ in Bad Homburgs Sinclair-Haus
Man muss natürlich nicht ins Museum gehen, um sich Wolken anzusehen. Schon gar nicht in einem April, der wolkenmäßig gerade alles gibt. Aber seien wir ehrlich: wenn sie sich nicht mächtig aufplustern, gar zum Gewitter auftürmen, mit Regenguss drohen, schauen wir doch meist über sie hinweg – oder vielmehr unter ihnen auf alles, Häuser, Straße, Autos, Leute, Hunde, Hundedreck – doch selten heben wir den Blick hin zu diesen flüchtigen Wundergebilden.
Das Museum Sinclair-Haus, stets originelle Natur-Themen findend, widmet seine jüngste Ausstellung den „Wolken“. Sogar mit dem Namen Gerhard Richter kann es sich schmücken, dunklen, schweren Himmeln, nur hinter „Wolke (411)“ liegt auch etwas freundliches Licht.
Prächtige fluffige Gebilde malt Ian Fisher, nimmt zwar eine Fotografie als Ausgangspunkt, löst sich dann davon, denn es geht ihm nicht um ein Naturtreue. Angela Schwank zeichnet zum Beispiel „Cirren“, mit so fein-nervösem Strich, dass man meint, sie bewegten sich übers Papier. Julius Bockelt sieht sich als „Cloudspotter“. Seine Wahrnehmung von Wolken setzt er in mit blauer Tusche gezeichnete, kantige Muster um, die kaum mit Wolken in Verbindung gebracht werden können. Es geht ihm um Formveränderung und Farbdichte. Interessant sind für ihn dabei auch die Kondensstreifen der Flugzeuge.
Diese haben durch den Klimawandel zuletzt eine andere, eine bedrohlichere Bedeutung erfahren. Dass es nicht nur natürliche Wolken gibt, daran erinnert im Sinclair-Haus die minutiöse, bestürzende Recherche Jonas Fischers, die man sich so ausführlich wie man möchte am Computer ansehen kann. „Cloud Index“ nennt er sein immer noch wachsendes Archiv, das Wolkenbilder „von Orten fossiler Verbrennung sammelt“. Etwa von Steinkohle im VW-Kraftwerk, von Steinkohle und Erdgas im Chemiepark Marl, von Abfall im Ersatzbrennstoffwerk Knapsack. Viele dieser Wolken sind trotzdem hübsch und weiß, das galt auch für die gerade abgeschalteten Atomkraftwerke; anderen – gräulichen, bräunlichen, auch rotbraune sind darunter – sieht man an, dass sie Schadstoffe transportieren.
So führt auch diese gleichsam durch die Räume schwebende Ausstellung immer wieder zurück zum Menschen und seinem fatalen Einfluss. Mit Hinterlist berechnet die Niederländerin Noa Jansma mit ihrem Projekt „Buycloud“ den Verkaufspreis von Wolken. In ihrer Installation können sich Besucherinnen und Besucher auf einen Kunstrasen legen, in den Wolkenhimmel blicken und verfolgen, wie ständig Wolkengrößen und eben auch -preise berechnet, wie Kaufangebote gemacht werden.
Eine Wolke kaufen? Die sich bereits aufgelöst haben wird, ehe wir ihr einen Namen geben und uns mit ihr anfreunden können? Oder gerade weil sie uns am Himmel zerrinnt, wir sie nie werden besitzen können? Lyoudmila Milanova hat eine zarte weiße Wolke in Acryl gegossen – aber natürlich ist es keine Wolke. Während man staunend auf ihr Werk herabschaut, ergreift einen die Sehnsucht, öfter mal in den Himmel zu schauen.
Sinclair-Haus, Bad Homburg: bis 13. August. www.museum-sinclair-haus.de