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„Tanz am Strand“ von Edvard Munch vor dem Auktionsspektakel: Ein paar tanzen, alle schauen zu

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Von: Ingeborg Ruthe

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Vor der Versteigerung beim Auktionshaus Sotheby’s: Fototermin für „Tanz am Strand“ von Edvard Munch, 1906 entstanden.
Vor der Versteigerung beim Auktionshaus Sotheby’s: Fototermin für „Tanz am Strand“ von Edvard Munch, 1906 entstanden. © AFP

Am Mittwoch wird das zentrale Stück aus Edvard Munchs Reinhardt-Fries versteigert – der Kunstmarkt erwartet ein Spektakel.

Es heißt, Sammler und Sammlerinnen aus aller Welt hätten Interesse bekundet. Bei Sotheby’s London schrillen die Telefone, denn am 1. März kommt in der New Bond Street Edvard Munchs Gemälde „Tanz am Strand“ von 1906 unter den Hammer – einst war das der Hauptteil des „Reinhardt-Frieses“, eines zwölfteiligen Auftragswerk des Intendanten Max Reinhardt für sein Deutsches Theater in Berlin.

Die Rede ist in Auktionskreisen von mehr als 20 Millionen Schweizer Franken (das sind mehr als 20,2 Millionen Euro). Steigerung möglich. Es ist das einzige Bild der großen Serie, das sich noch nicht in Museumsbesitz befindet. Der Fries steht exemplarisch für Munchs starke, psychologisierende, irritierend schöne und zugleich verstörend abgründige Sinnbild-Malerei über den Widerstreits der Geschlechter. Und für den zerstörerischen Reigen von Leben, Liebe und Tod. Für den Theatermann Reinhardt war der gesamte Fries, leider 1912 beim Umbau des Deutschen Theaters abgenommen, zerlegt und über die Berliner Galerie Fritz Gurlitt verkauft, ein Werk „der modernen Psyche“. Das Publikum sollte vor Eintritt in den Zuschauerraum in die Bildwelt des Norwegers eintauchen.

Das vier Meter in der Breite ausladende Werk des Expressionisten gehörte seit 1912 dem jüdischen Sammler und Mäzen Curt Glaser, Munchs erstem Biografen. Er liebte die auf den ersten Blick liebliche, auf den zweiten Blick aber auch melancholisch-abgründige Sommerromanze am Fjord von Oslo über alles.

Vor den Nazis gerettet

Glaser, Kunsthistoriker, Kurator und Kritiker war, auch als Direktor der Berliner Kunstbibliothek, eine zentrale Figur im Berliner Kunstleben der 1910er und 1920er Jahre. Mit seinem Schicksal verbinden sich das immense Engagement für die moderne Kunst und zugleich für die Wechselfälle und Abgründe des 20. Jahrhunderts. Mit seiner Frau Elsa trug Glaser eine handverlesene Privatsammlung zusammen, mit Spitzenwerken zuvörderst von Munch, Henri Matisse und Max Beckmann.

Aber schon seit Januar 1933 wurde Glaser wegen seiner jüdischen Herkunft und seiner progressiven Kunsthaltung von den Nazis verfolgt, aus der Direktoren-Position gejagt. Es blieb nur noch die Emigration. Er floh schon 1933 mit seiner Familie in die Schweiz und von dort 1941 in die USA.

Eilends ließ er noch den Großteil seiner Kollektion versteigern, um Geld für die Flucht zu haben. Damit wurden die Bilder in alle Welt zerstreut. Es war Munchs Landsmann, der Reeder Thomas Olsen, der damals in einem Osloer Auktionshaus die Gelegenheit ergriff und den „Tanz am Strand“ erwarb – und diese eng umschlungenen Paare im Sonnenlicht, den Schein des Liebesglücks der einsamen Gestalten mit den schwarzen Augenhöhlen vielleicht vor der Zerstörung rettete. Denn Munch galt bald als „entarteter Künstler“.

Olsen hatte zudem den richtigen Instinkt, das Gemälde noch 1939, im Jahr vor der deutschen Invasion in Norwegen, aus dem Luxus-Salon der „Black Watch“, eines Kreuzfahrtschiffs von Olsens Reederei, zu nehmen und zusammen mit einer Pastell-Variante von Munchs berühmtem „Schrei“ in einer Scheune zu verstecken. Beide Werke überdauerten ohne Schaden. Dieser „Schrei“ erbrachte 2012 in einer New Yorker Auktion 120 Millionen Dollar, ein Rekord.

Munchs „Tanz am Strand“ wurde kürzlich restituiert: Im Einvernehmen und zum Nutzen der Olsen-Nachkommen wie der Erbengemeinschaft Glaser geht das Bild in die Londoner Auktion. Es wird garantiert ein spektakuläres Kunst-Ereignis.

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