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Die Philosophie der Natur

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Von: Julius Tamm

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Hicham Berrada: "Augeres mathématiques", 2018, Video Still.
Hicham Berrada: "Augeres mathématiques", 2018, Video Still. © The Artist/Wentrup, Berlin & Kamel Mennour, Paris/London

Die Ausstellung "Rückbindung an Welt" im Frankfurter Kunstverein.

Die Natur ist es, die den kunstschaffenden Menschen schon seit jeher fasziniert hat. Die ersten Höhlenmalereien zeigten die Wechselwirkung von Mensch und Natur etwa in Form der Jagd, in der Renaissance wird die Natur zum Bindeglied zwischen dem Menschen und der Religion, in der Romantik ist die Natur ein Ort der Sehnsucht und Freiheit und im Impressionismus steht gerade das Spiel von Licht, Farbe und Natur im Zentrum. Zunehmend wich dieser Naturschwerpunkt aber anderen Thematiken. Das ereignisreiche und sich rasant entwickelnde 20. Jahrhundert bot genug Motive, sowohl politisch und sozial als auch technisch. Natur wurde zu einem Randthema in der modernen und zeitgenössischen Kunst. 

Zuletzt jedoch im Zuge der immer lauter gewordenen Rufe nach Umweltschutz, Ökologie und Nachhaltigkeit wächst ein neues Interesse an einer ästhetischen Bearbeitung der Materie Natur. Aus diesem Grund widmet der Frankfurter Kunstverein seine aktuelle Ausstellung einer Künstlerin und zwei Künstlern, die sich in ihren Arbeiten maßgeblich mit der Umwelt und der Natur auseinandersetzen. „Rückbindung an Welt“, so der Titel, reiht sich ein in eine aktuelle Ausstellungslandschaft zum Beispiel mit einer Mondrian-Ausstellung in Wiesbaden (FR v. 30. Oktober) oder der kommenden Schirn-Ausstellung „Wildnis“, die ihren Schwerpunkt auf die Natur legt. Der Kunstverein abstrahiert mit seiner neuen Schau den Gedanken an das Natürliche und setzt ihn in Verbindung mit Themen aus Philosophie und Technik. Die hier entstehende Symbiose passt zur Stadt Frankfurt, an deren Universität Naturwissenschaften als Philosophie gelehrt werden (die Promotion ist nur als Dr. phil. nat. möglich, nicht wie üblich als Dr. rer. nat.). 

Über drei Etagen verteilen sich die Werke von Hicham Berrada, Lucy Dodd und Sam Falls, und schon im Foyer des Hauses werden Besucherinnen und Besucher von imposanten Monolithen empfangen. Ihre glänzend schwarze Oberfläche lässt nicht erahnen, was sich im Inneren verbirgt, erst die Erklärung der Kuratorin (und Direktorin des Kunstvereins), Franziska Nori, schafft Klarheit. Es handelt sich um Terrarien, in denen nachtblühender Jasmin wächst. Für die Installation hat Hicham Berrada mithilfe einer Zeitschaltuhr einen Tag/Nacht-Rhythmus geschaffen und je nach Uhrzeit schließen oder öffnen sich die Blüten. Zur Nachtzeit setzt das Gewächs einen herrlich duftenden Geruch frei, der sich olfaktorisch über die gesamte Ausstellung legt. 

Hinter der Arbeit Berradas erstreckt sich im Treppenhaus ein ausgeblichenes Leinentuch über alle Stockwerke. Das einmal gefaltete und insgesamt 21 Meter lange Stoffband ist das Werk von Sam Falls. Der Künstler setzte das eigentlich rote Tuch zwölf Monate der Sonne aus und platzierte an vereinzelten Stelle Autoreifen. Heute sind an diesen Stellen Kreise in der ursprünglichen Farbe des Stoffes zu sehen. Auch Spuren von anderen Witterungsbedingungen und sogar Abdrücke von Falls’ Hund sind zu entdecken. Auf subtile Weise zeigt das Kunstwerk die Einflüsse der Natur und ist dadurch „eine Klammer, die sich durch das ganze Haus erstreckt“, wie Nori erläutert. 

Lucy Dodd präsentiert als einzige der Drei typische Gemälde auf Leinwänden. Doch ihre Werke sind dadurch nicht weniger plastisch, sondern ganz im Gegenteil gespickt mit kleinen Objekten wie Haaren, Muscheln oder Blüten, die die Zweidimensionalität aufbrechen. Neben diesen Bestandteilen greift Dodd bei ihrer Arbeit immer wieder auf in der Natur vorkommende Materialien zurück. So erzeugt sie mit Erde oder auch Zwiebelschale eine farbenfrohe und natürliche Vielfalt auf den kleinen quadratischen Zeichnungen. Das Quadrat als unnatürliche Form schafft hier einen dynamischen Kontrast, der die Werke der Künstlerin gleichzeitig naturnah und doch unwirklich erscheinen lässt. 

Die gesamte Ausstellung ist eine nachhaltig beeindruckende Reise zu seltenen Natureindrücken. Der abstrahierende und tief gehende Blick der Künstler und Künstlerin lässt die Besucher des Kunstvereins in eine Welt wie in eine neue Welt eintauchen, die so neu eigentlich gar nicht ist. 

Frankfurter Kunstverein: bis 13. Januar 2019. www.fkv.de

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