Philipp Fürhofer im Städel Museum: Recyclebare Pseudonatur

Philipp Fürhofer entwirft im Städel Museum das Drehbuch eines vom Menschen gestörten, absurden Kreislaufs.
Er liebt ihn, er braucht ihn, er tötet ihn. Es ist eine toxische Beziehung, die der Mensch dem Wald aufdrängt. Und der Wald, abgenagt bis aufs Gerippe, gibt nicht auf, geht an letzte Kraftreserven, die tief im dunklen Boden schlummern. Verfall in Neues wandeln, wachsen, blühen, sterben, wiederauferstehen. In den Werken von Philipp Fürhofer, die jetzt unter dem Titel „Phantominseln“ im Metzler-Foyer des Städel Museums zu sehen sind, spiegelt sich der ewige Kreislauf von Leben und Tod. Hier atmet der Wald noch ein Weilchen ein und aus...
Sonnenaufgang, gleißendes gelb-grünes Licht fällt zwischen Baumstämme auf den herbstlichen Waldboden. Es ist ein künstliches Licht, ein industrielles, es strahlt aus Neon-Leuchtröhren. Sie sind im Hintergrund eines Jeff-Wall-artigen Leuchtkastens montiert und tauchen das Setting in eine träumerische Morgenstimmung. Dann verschwindet das Licht und der Wald verwandelt sich: Zweige verästeln sich zu Organen; zu Lungen, zu Herzen. Es ist, als schwebten Röntgenbilder durch die Luft; Sinnbilder der körperlichen Existenz - der Determiniertheit des Menschseins.
Geheimnisvolles Drehbuch
Einen „pseudonatürlichen, absurden Binnenkreislauf“, sehe man in seinen Arbeiten, sagt der Künstler, der 1982 in Augsburg geboren wurde und in Berlin Malerei studierte. Er arbeitet auch heute noch mit Farben, malt mal freier, mal illustrativ wie in einer Graphic Novel. Er nutzt Glas und Spiegel als Untergrund - oder Zwischengrund - und zerkratzt sie, um Durchsicht zu gewähren. Hinter einer Spiegelung tauchen so bei Beleuchtung neue Motive auf, neue Facetten. Facetten einer Welt, in der auch die Betrachtenden eine Rolle spielen - leider keine gute, offensichtlich.
Vielschichtig sind die Werke schon im formalen Sinne. Fürhofer nutzt Spionspiegel und lässt die Betrachtenden damit in seine Werke treten; bis das Licht die dahinterliegende Ebene sichtbar macht. Dann sind rote, an Blut erinnernde Farbnasen zu erkennen, der Nebel lichtet sich ein wenig, es verschwindet alles und man sieht wieder: sich selbst. Man ist Teil eines geheimnisvollen Drehbuchs. Fürhofer nennt es „Bildererzeugungsmaschine“. Natürlich ist das längst keine reine Malerei mehr, sondern Skulptur, Installation und Theater in einem. In der Vergangenheit hat Fürhofer auch Bühnenbilder für Opern erschaffen.
Im Städel präsentiert er neben fünf leuchtenden, „atmenden“ Bildern neun weitere, zweidimensionale, farbenfrohe, ebenfalls vermeintliche Idyllen: Es sind Sehnsucht-triggernde Postkartenmotive. Hinter Palmen versinkt die Sonne am Horizont. Das rote Leuchten - es ist kein romantischer Abendhimmel, sondern menschengemachtes Desaster: Waldbrände. Auf einer zweiten Ebene ziehen sich aufgeplatzte Oberflächen wie ausgetrocknete Böden über die Bilder. Immer wieder tauchen Wortschnipsel - „Forever young“ - und andere Hinweise auf kapitalistischen Optimierungswahn auf.
Ein Vorhang aus Industriefolien trennt den Raum ab; in einem Schlachtbetrieb würde sich vermutlich die Kühlung dahinter befinden, in einem Krankenhaus vielleicht eine Seuchenstation. Darauf gemalt, schemenhaft, ein paar Palmwedel. Die letzten Reminiszenzen der Hoffnung? „Es gibt keine Natur mehr“, sagt Fürhofer. „Wir können auch nicht mehr zurück. Was uns bleibt, ist zu versuchen, den Status Quo zu bewahren und Neues zu kreieren. Das Potenzial haben wir.“
Städel Museum, Frankfurt:
Bis 5. November, staedel.de