Merkwürdige Diskrepanz
Und nachher eine Mandelblüten-Handyhülle: Im Van Gogh Museum, wo der Meister verehrt, aber auch trivialisiert wird.
Vincent van Gogh ist einer der bedeutendsten Maler nicht nur der Niederlande, sondern der Moderne. Mehr als zwei Millionen Menschen kommen jedes Jahr ins Amsterdamer Van Gogh Museum, um seine Bilder zu sehen, die „Kartoffelesser“, die „Sonnenblumen“, das „Kornfeld mit Krähen“, das er malte, wenige Tage bevor er sich nahe der französischen Ortschaft Auvers eine Kugel in den Bauch schoss. Es ist eines der 75 Werke, die er in den letzten 70 Tagen seines Lebens schuf. Das Haus am Museumsplein besitzt die größte Anzahl seiner Werke, es ist eines der am meisten besuchten Kunstmuseen der Welt.
Das sind viele Superlative, aber abgesehen davon ist das Haus eine höchst verdienstvolle Einrichtung, nicht nur, weil es sich dem Maler mit Sonderausstellungen stets aus neuer Perspektive nähert. Hier wurden etwa in 15-jähriger akribischer Arbeit alle Briefe Van Goghs transkribiert und rekonstruiert. Es sind unschätzbare Dokumente, denn hier berichtet er von seinen künstlerischen Absichten, seinen Ideen und Theorien, aber auch vom Kunstmarkt, der eigenen Lage, von Kollegen. An mancher Hörstation im Haus kann man sich davon selbst einen Eindruck verschaffen.
Betritt man das Museum, erreicht man, noch bevor man einem einzigen originalen Werk des Malers begegnet ist, den Museumsshop. Hier erfährt sein Werk eine ganz neue Bearbeitung, kann man „Das gelbe Haus“ als Spardose erstehen, das „Schlafzimmer in Arles“ als Kissenüberzug, die „Iris“ als Untersetzer oder auch als Regenschirm, eines seiner zahlreichen Selbstporträts als Krawattendekoration.
Kein Motiv ist bei diesen Souvenirs beliebter als die „Mandelblüte“, die Van Gogh im Jahr 1890 in Saint-Rémy de Provence malte, wo er zeitweise im Irrenhaus lebte. Das Bild zeigt die Zweige mit den zarten rosafarbenen Blüten vor einem blauen Himmel, er schenkte das Bild seinem geliebten Bruder Theo und dessen Frau zur Geburt ihres Sohnes.
Ist es nicht eine merkwürdige Diskrepanz zum eigentlichen Zweck des Hauses, das den großen Maler durchaus verehrungsvoll präsentiert, seine bekanntesten Werke im Shop zur Deko für Kulis, faltbare Einkaufstasche, ja zur Weste für den Hund zu degradieren?
Sicher, das ist nicht nur in diesem Museum zu beobachten, aber vielleicht ist der Widerwille gegen diese Art der Trivialisierung und Kommerzialisierung von Kunst auch eine Alterserscheinung. Die Tochter der Freundin fand nichts dabei, sich eine Mandelblüten-Handyhülle zuzulegen.