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Jeff Koons in Frankfurt: Es philosophiert und glänzt so schön

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Von: Lisa Berins

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Apollo, Schlange, Koons. Foto: Berins
Apollo, Schlange, Koons. Foto: Berins © Berins

Jeff Koons spricht in Frankfurt über die Antike und Kunst auf dem Mond. Von Lisa Berins

Ein Perfektionist sei er wirklich nicht, er wolle nur die Betrachterinnen und Betrachter seiner Kunst nicht enttäuschen, sagt Jeff Koons, der in der entspannten Haltung eines Mannes auf einem Barhocker sitzt, der es gewohnt ist, ein Fixstern der Aufmerksamkeit zu sein. An diesem Abend gibt er den Menschen, was sie erwarten – ein Interview hier, eine TV-Aufnahme dort, ein Foto dann noch und danach ein Gespräch im überfüllten Metzler-Saal des Städel Museums –, und es scheint ihm in unaufgeregter Weise Freude zu bereiten. Er enttäuscht jedenfalls nicht.

Mit tiefer, ruhiger Stimme – bei geschlossenen Augen glaubt man fast, ein Bob-Ross-Video liefe – spricht Koons über seine Anfänge als Künstler, über seine spezielle Verbindung zum Frankfurter Liebieghaus und dessen Sammlungsleiter Antike und Asien, Vinzenz Brinkmann: Sie besteht in der geteilten Passion für Mythologie, Philosophie und Kunst der Antike - Koons liebt antike Statuen -, und in der Polychromie; der Erforschung der Farbbeschaffenheit von Skulpturen, Architektur und anderen Artefakten. „I love polychromy!“, schwärmt Koons, der, wir wissen’s, einen Hang zu poppiger Buntheit hat.

In der aktuellen Ausstellung „Maschinenraum der Götter“ im Liebieghaus sind derzeit zwei Objekte des Künstlers zu sehen, unter anderem „Apollo Kithara“, eine farbig gefasste und teilanimierte Skulptur des Gottes, die Koons im vergangenen Jahr bei einer exklusiven Ausstellung auf der griechischen Insel Hydra präsentierte. Dort hatte er ein altes Schlachthaus in einen Apollontempel verwandelt. Dort hatte auch Vinzenz Brinkmann die Figur gesehen und zu träumen begonnen, sie bei einem kleinen „Stopover“ auf dem nächsten Transportflug in Frankfurt abzupassen und im Museum aufzustellen. Ganz so einfach war’s nicht, aber geklappt hat es am Ende schon. Neben der antiken Gottheit windet sich eine Schlange um Apollos goldene Leier. Mithilfe eines Computerprogramms und viel Technik bewegt sie sich tatsächlich wie lebensecht, mit der Zunge scheint sie nach den Betrachterinnen und Betrachtern zu schnüffeln.

Die Schlange, erzählt der Künstler, habe für ihn eine zwiespältige Symbolik. Man erfährt, wie ihm auf der Farm seiner Großeltern erstmals ein Exemplar über den Weg gekrochen ist, jedenfalls: Die Schlange, sie bedeute Gefahr, aber auch Prophezeiung, Heilung und Transzendenz. Etwas unklar bleibt, weshalb Koons sie nun animierte - vielleicht konnte er einfach. Während seines künstlerischen Coming-of-Age, daran erinnert sich der 68-Jährige, habe ihn der Dadaismus und der Surrealismus inspiriert, woraufhin er Ende der 70er Jahre seine „Inflatables“ – aufblasbare Plastiken – erschuf: Er wollte eine andere, neue Sichtweise auf die Dinge ermöglichen. Wahrscheinlich, dass das immer noch so ist.

Koons ist heute weltbekannt, seine Kunst eine zuverlässige Millionen-Cashcow: Seine Edelstahlskulptur „Rabbit“ von 1986 hält den Rekord für das teuerste Werk eines lebenden Künstlers, das bei einer Auktion verkauft wurde. Für 91 Millionen Dollar fiel 2019 bei Christie’s der Hammer. Der Wert seiner Kunst bestehe aber nicht im Finanziellen, sagt er im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau. Für den jungen Koons sei Kunst eine Erweckung, eine Befreiung gewesen: „Ich erkannte, dass Kunst etwas war, das mir eine Zukunft geben konnte. Wenn man Kunst erschafft, tritt man in Kontakt mit allen humanistischen Studien, man steht im direkten Dialog mit Philosophie, Soziologie, Psychologie, Physik, Ästhetik, Mythologie. Über Kunst können wir tiefgründige Diskussionen über unsere Existenz führen. Als ich das erkannte, war ich glücklich. Und dieses Gefühl habe ich noch immer, jeden Morgen, wenn ich aufwache.“

Für den Space-Tourismus

Sein nächstes großes Projekt stehe im Juni diesen Jahres an: Dann will der Künstler Skulpturen zum Mond schießen; es sollen „125 Gesichter des Mondes“ sein, die mit nicht mehr lebenden Persönlichkeiten verbunden seien. Die Mission werde von einem privaten US-Unternehmen gestartet, das schon mit der Nasa zusammengearbeitet habe. Kunst im All sei auch eine physikalische Herausforderung; nicht, dass die Objekte da oben noch schmelzen. Wenn möglich, sollen sie auf dem Mond überleben (wofür ganz offensichtlich anderes Material nötig ist als bei dem 42 000 Dollar teuren „Balloon Dog“, der vor kurzem von einer Messebesucherin vom Sockel gestupst wurde und am Boden zerschellte).

Aber was tun sie dort, die Mondgesichter auf dem Mond, auf wen warten sie? Klar: auf Astronaut:innen und Space-Tourist:innen. Für diese noch ein Tipp: Bitte mal ganz genau hinschauen, auch unter den Boden der Skulptur – und wenn nicht auch dort, an den nicht sichtbaren Stellen, alles formvollendet glitzert und glänzt – dann ist’s wohl doch kein echter Koons.

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