1. Startseite
  2. Kultur
  3. Kunst

Hamburger Kunsthalle: Gründlichkeit statt Lustprinzip

Erstellt:

Von: Johannes Wendland

Kommentare

Postkarte „Kunsthalle und Alsterbassin“, Kunstverlags-Anstalt, Röpke & Woortman Hamburg, ca. 1900.
Postkarte „Kunsthalle und Alsterbassin“, Kunstverlags-Anstalt, Röpke & Woortman Hamburg, ca. 1900. © Hamburger Kunsthalle / Christoph Irrgang

Die Hamburger Kunsthalle wird 150, blickt zurück und steckt in einer Krise.

Drei Jahrzehnte von ersten Planungsideen bis zur Eröffnung – schon im 19. Jahrhundert brauchte Durchhaltevermögen, wer ein Museum bauen wollte. Als am 30. August 1869 die Hamburger Kunsthalle eröffnet wurde, hatte fast eine Generation von Bürgern, Kaufleuten und Kunstenthusiasten viel Überzeugungskraft und Zähigkeit beweisen müssen. Das hanseatische Umfeld gab sich damals wie heute ebenso knauserig wie kunstkritisch. Doch nun hatte die Sammlung vor allem von norddeutscher und niederländischer Malerei und ein wenig Plastik vom späten Mittelalter bis in die unmittelbare Gegenwart, gewachsen durch Stiftungen und Schenkungen, endlich ein festes Domizil. In die geschleiften Wallanlagen, oberhalb von Binnen- und Außenalster hatten sich die Hamburger ein stattliches Gebäude im Renaissancestil gebaut.

Heute spielt die Hamburger Kunsthalle in der ersten Liga der großen Kunstmuseen Nordeuropas. Zweimal ist sie massiv erweitert worden – nach dem Ersten Weltkrieg um eine geräumige Gemäldegalerie und in den Neunzigern um die „Galerie der Gegenwart“, einen typischen Kubus von Oswald Mathias Ungers. Die stetig gewachsene Sammlung hat ihren nordeuropäischen Charakter bewahrt, was sich auch in den Lücken zeigt. Wer zum Beispiel Malerei alter Meister aus Italien oder Spanien sucht, wird in Hamburg nicht richtig satt werden. Protestantisch und kaufmännisch gab sich der Geschmack der frühen Hamburger Kunstsammler. Man bevorzugte Genremalerei, Landschaften, Porträts im mittleren Format.

150 Jahre Kunsthalle – ein Grund zum Feiern? Der Zustand, in dem sich die Jubilarin präsentiert, ist leider eher bedauerlich. Zwar gewährt die Kunsthalle am kommenden Wochenende freien Eintritt und hat schnell noch einige Ausstellungen zum Jahrestag eröffnet, doch so richtig mag keine Feststimmung aufkommen.

Das zeigt schon ein Blick auf die Jubiläumsausstellung, die unter dem Titel „Beständig. Kontrovers. Neu“ Streiflichter auf die ersten anderthalb Jahrhunderte werfen möchte. Statt einer Einladung zum Schauen erwartet den Betrachter eine Leseausstellung, in der Gründlichkeit und Vollständigkeit vor Pointiertheit und Lustprinzip geht. Wer Infografiken mag, kann hier Übersichten über alle Öffnungszeiten, Eintrittspreise und Diebstähle seit dem Gründungsjahr finden. Eine Wand voller Stifterporträts zeigt, wie wesentlich Schenkungen für ein Kunstmuseum in einer Bürgerstadt sind. Die spannenden Geschichten dahinter werden aber nicht erzählt.

Karl Kluth, „Kunstsammlerin Emmy Ruben“.
Karl Kluth, „Kunstsammlerin Emmy Ruben“. © Hamburger Kunsthalle / BPK

Das Kuratorinnenteam um die Provenienzforscherin Ute Haug hat wacker recherchiert, aber wenig Gefühl für die museale Vermittlung bewiesen. Aus der Not geboren, so wirkt das Ganze. Und es stimmt ja auch: Pünktlich zum wichtigen Jubiläumsjahr war der Kunsthallenchef plötzlich weg. Christoph Martin Vogtherr, gerade knapp drei Jahre im Amt, hatte dem Karrieresprung nach Potsdam nicht widerstehen können.

Wie gravierend dieser Verlust ist, lässt sich indes nur schwer beurteilen. Dem scheidenden Direktor war es nicht gelungen, den steten Publikumsrückgang und Bedeutungsverlust der Kunsthalle aufzuhalten. Zu akademisch wirkten viele der Sonderausstellungen der vergangenen Jahre. Ein Glücksfall war die Wiederentdeckung der Hamburger Malerin Anita Rée, eine Ausstellung auf der Basis der eigenen Magazinbestände. Ein Flop hingegen der Versuch, die mangelnde Rezeption des englischen Malers Thomas Gainsborough hierzulande durch eine Sonderausstellung anzukurbeln. Die Kunsthalle konzentrierte sich ganz auf die eher spröde Landschaftsmalerei, während der großartige Porträtist Gainsborough unbeachtet blieb. Der intendierte Blockbuster scheiterte.

Dass man auch mit wenig Mitteln attraktive Ausstellungen stemmen kann, beweist die Gegenwartsabteilung. Neben pointierten Sonderausstellungen wird der eigene Sammlungsbestand regelmäßig umgehängt und neu befragt. Durch die geänderte Wegeführung seit der Renovierung der Kunsthalle vor drei Jahren verlieren sich aber viel zu wenige Besucher in der Abteilung, bis zu der ein dunkler Tunnel und ein steiles Treppenhaus zu bewältigen sind.

Ein wesentliches Manko ist zweifellos die dauerhafte Unterfinanzierung der Kunsthalle. Dies führte in der Vergangenheit wiederholt zu Defiziten und damit verbunden zu einer Skandalisierung der Kunsthalle. Mit schmalem Geldbeutel wird auch der neue Kunsthallenchef Alexander Klar leben müssen, der vom Museum Wiesbaden wechselte und Anfang August sein neues Amt angetreten hat.

„Für uns alle“ lautet der neue Slogan der Kunsthalle. Vielleicht spricht daraus ein Signal für einen neuen Aufbruch. Noch zaghaft übte sich die Kunsthalle bislang in soziokultureller Öffnung, etwa mit einer Ausstellung, in der Migranten sich mit Werken aus der Sammlung auseinandersetzten. Die einstmals urbürgerliche Kunsthalle breiter aufzustellen – das könnte ein Weg in eine bessere Zukunft sein.

Termine

Hamburger Kunsthalle: bis 10. November. www.hamburger-kunsthalle.de

Auch interessant

Kommentare