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Glück im fiktiven Adelsstand

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Friedrich August von Kaulbach, "Geraldine Farrar".
Friedrich August von Kaulbach, "Geraldine Farrar". © Landesmuseum Hannover

Die Regentschaft der Malerfürsten war kurz, aber pompös, wie jetzt in Bonn zu sehen ist.

Als die Stadt Köln Gerhard Richter die Ehrenbürgerschaft antrug, gab es für den Maler wenig mehr als warme Worte und einen feuchten Händedruck. Ganz anders huldigte der Gemeinderat von Krakau dem polnischen Künstler Jan Matejko: Zunächst wurde in der örtlichen Kathedrale ein Gottesdienst begangen, danach dem Maler feierlich ein eigens zu diesem Anlass geschmiedetes Silberzepter überreicht und schließlich ein üppiges Bankett für den „König im Reich der Kunst“ eröffnet. All diese Ehrbezeugungen machte die Stadt zudem der europäischen Weltpresse per Telegramm bekannt, die sich darüber nicht allzu sehr wunderte – um 1878 feierte man in München, Wien oder Paris seine eigenen Malerfürsten. 

Aus dieser Anekdote lässt sich daher auch nicht auf die Knausrigkeit der Kölner schließen, sondern vor allem darauf, dass sich die Zeiten ändern. Gefeierte Malerfürsten wie Matejko, Franz von Lenbach oder Mihály von Munkácsy gibt es heute nicht mehr, und es gab sie überhaupt nur für eine kurze Zeitspanne von der Mitte bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Die Regentschaft der Malerfürsten war so flüchtig, dass man Abhandlungen und Lexikoneinträge zu diesem Phänomen gleichermaßen vergeblich sucht. Ist der Malerfürst also das Einhorn der Kunstgeschichte? Oder hat die Moderne diese kulturhistorische allemal erstaunliche Figur nur allzu erfolgreich aus der Erinnerung verdrängt? 

In der Bonner Bundeskunsthalle will man dem Fabelwesen jetzt mit einer großen Ausstellung auf die Spur kommen. Furchtlos heißt sie „Malerfürsten“ und versammelt zahlreiche Gemälde und Materialien aus dem Werk und zum Leben von sieben zu ihrer Zeit berühmten Malern. Wobei schon das Münchner Trio, Franz von Lenbach, Franz von Stuck und Friedrich August von Kaulbach, verdeutlicht, dass sich aus dem Begriff Malerfürst kein einheitlicher Stil ableiten lässt. Zwar wusste jeder von ihnen den konservativen Geschmack der höheren Kreise zu bedienen, aber doch jeder auf seine sehr spezielle Weise. Gerade zwischen Lenbach und Stuck liegt kunsthistorisch eine kleine Welt. 

Die Suche nach Gemeinsamkeiten kreist daher um Äußerliches, das gleichwohl zum Kern des Phänomens gehört. Alle sieben Malerfürsten schwelgten in Luxus, residierten in standesgemäßen Villen und hielten für die bessere Gesellschaft Hof. Aus ihren Ateliers machten sie pompöse Bühnen, die mit Arbeitsräumen wenig gemeinsam zu haben scheinen. Insbesondere beim Wiener Dekorationskünstler Hans Makart war das bis unter die Decke vollgestopfte Atelier ein wesentliches Markenzeichnen: Wer Makart Porträt saß, wusste sich in eine andere Welt versetzt. 

In einer Hinsicht kommt man in Bonn aus dem Staunen kaum heraus: Die Stellung, die Makart, Matejko, von Lenbach, von Stuck, von Kaulbach, von Munkácsy sowie der Brite Frederick Leighton innerhalb der Gesellschaft einnahmen, ist in der gesamten Kunstgeschichte einzigartig. Erkauft wird diese Erkenntnis allerdings mit einer Anhäufung an Ölschinken, wie man sie in dieser Massierung aus gutem Grund kaum noch zu sehen bekommt. Zwar gehört Franz von Lenbachs realistische Porträtkunst zu den malerischen Höhepunkten seiner Zeit. Bei all den Matejkos oder von Kaulbachs schnappt man aber geradezu nach impressionistischer Frischluftzufuhr. 

Am deutlichsten ähneln sich die Malerfürsten in dem, was man den Preis des Erfolges nennen könnte. Er lag in repräsentativen Historienszenen (bei Makart gelegentlich mit eingeblendeter Wiener Prominenz) und reihenweise Porträts „nach Art des Hauses“ – und wurde von den Künstlern allzu gern bezahlt. Als Auftragnehmer waren sie im Grunde nicht viel freier als die Hofkünstler früherer Epochen – gerade das macht ihren Status aber besonders interessant. 

Mit dem Malerfürsten schien ein Jahrhunderte alter Freiheitskampf zu Ende gegangen zu sein; statt einem Herrscher zu gehorchen, war der Maler nun sein eigener Fürst. Vor dieser Zeit erzählten zahlreiche Legenden von der unerfüllten Sehnsucht der Künstler, ihren Auftraggebern, den Fürsten, auf Augenhöhe zu begegnen, und täuschten meist über die tatsächlichen Machtverhältnisse hinweg. Vermutlich glaubte niemand wirklich, dass Leonardo in den Armen des französischen Königs gestorben sei, doch 1818 malte Jean Auguste Dominique Ingres ein Bild davon. Aus diesem Geist wurden im 19. Jahrhundert die Künstler geadelt, während die adlige Herrschaft unweigerlich zu Ende ging. 

Am ehesten erscheint der Malerfürst als Zeichen für die Wachablösung in Fragen des künstlerischen Geschmacks. Das Bürgertum übernahm auch in dieser Hinsicht allmählich das Sagen und huldigte im freien Künstler eigentlich sich selbst. Aus Franz Lenbach, dem Sohn eines Maurermeisters, wurde auf diesem Weg ein Maler im fiktiven Adelsstand; dass er 1882 auch in den realen Adelsstand erhoben wurde und sich Franz von Lenbach nennen durfte, fällt unter das Kapitel historische Ironie. 

Als die Adelshäuser ihre politische Macht vollends verloren hatten, war auch die Hochzeit der Malerfürsten vorbei. Heute grenzt der Begriff mitunter an eine Beleidigung, weshalb sich sogar Markus Lüpertz gegen ihn verwehrt und Kunststars wie Olafur Eliasson in Berliner Hinterhöfen Kochbücher verlegen. Der Adel, so scheint es, liegt jetzt endgültig im demokratischen Auftreten der Kunst. 

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