1. Startseite
  2. Kultur
  3. Kunst

„Fire“ im Fotografie Forum Frankfurt: Eine Kraft, die zerstört und erschafft

Erstellt:

Von: Lisa Berins

Kommentare

„Wildfire“ von David Uzochukwu. Foto: Davis Uzochukwu, Galerie Number 8, Prix Pictet
„Wildfire“ von David Uzochukwu. Foto: Davis Uzochukwu, Galerie Number 8, Prix Pictet © Davis Uzochukwu, Galerie Number 8, Prix Pictet

In der Ausstellung „Fire“ präsentiert das Fotografie Forum Frankfurt den Prix Pictet.

Seit rund einer Million Jahre spielt der Mensch mit dem Feuer. Oder, wissenschaftlicher ausgedrückt: er nutzt es, kontrolliert es. Er führt das Feuer seitdem als ein Attribut mit sich, als ein Instrument der Macht. Doch es ist ein gefährliches Tool, denn es ist natürlich eine Naturgewalt geblieben: eine lodernde, zerstörerische Kraft, die ohne Rücksicht und Gewissen auftaucht, Land, Häuser, Tiere und Menschen verschlingt und sich ohne Erbarmen durch die Welt frisst.

In der Ausstellung „Fire“, die nur für eine kurze Zeit - aber dafür für Besucherinnen und Besucher kostenfrei - im Fotografie Forum Frankfurt zu sehen ist, wird das Element facettenreich und künstlerisch-fotografisch durchforstet. Zwölf Positionen sind zu sehen. Stichwortgeber für die Beschäftigung mit dem Feuer ist die Pictet-Gruppe, eine schweizerische Privatbank, die 2008 den Prix Pictet für Fotografie und Nachhaltigkeit ins Leben gerufen hat. 100 000 Schweizer Franken winken dem Gewinner oder der Gewinnerin - der Rest der Bewerberinnen und Bewerber für die Auszeichnung geht finanziell leer aus. Immerhin gehen aber die zwölf Positionen der „Shortlist“ als Gruppenausstellung auf Tournee. Vor dem Stopp in New York werden sie jetzt in Frankfurt präsentiert.

Verlorenes wiederherstellen

Das Spiel mit dem Feuer wandelt die US-Amerikanerin Lisa Oppenheim in eine künstlerische Technik um: Grundlage ihrer Arbeit sind schwach belichtete Fotografien zweier verschollener Kunstwerke, die einmal für die Privatsammlung von Hermann Göring bestimmt waren. Mithilfe einer offenen Flamme belichtet und „solarisiert“ sie die Negative dieser Stillleben in der Dunkelkammer. Das Feuer wird „zu einer erzeugenden Kraft“, die „etwas verloren Gegangenes wieder herzustellen vermag“, wird Oppenheim im kleinen Booklet zur Ausstellung zitiert.

Weniger versteckt taucht das Feuer als Motiv in den Werken der anderen Fotografinnen und Fotografen auf: In der Serie „Wonder Beirut“ haben Joana Hadjithomas und Khalil Joreige alte Postkarten in Beiruter Kiosken gekauft und die darauf abgebildete Urlaubsidylle der 60er und 70er Jahre mit Säure zerstört. Sie frisst sich wie Bombenhagel durch die Stadt, hinterlässt feurige Spuren von Krieg und Zerstörung. Man meint, die Momente der Explosion live mitzuerleben.

Um Grauen und Schrecken geht es auch in den Arbeiten von Mak Remissa aus Kambodscha. Mitglieder seiner Familie wurden unter dem Regime der Roten Khmer ermordet und gefoltert. Die schmerzhaften Erinnerungen an die Schreckensherrschaft hält Mak Remissa in nachgestellten Szenen fest, in denen schemenhafte schwarze Schattenfiguren auf der Flucht sind, andere patrouillieren mit Gewehren im Anschlag. Auf den Straßen liegt Schutt, stehen verlassene Fahrzeuge. Rauch hüllt die Szenen wie kurz nach einem Anschlag ein. Es ist ein alptraumhaftes Setting, das unwillkürlich an den Ukraine-Krieg erinnert.

Als Naturgewalt ist das Feuer in Mark Ruwedels Reihe „LA Fires“ gegenwärtig: verkohlte, tote Bäume ragen als Mahnmale in die karge Landschaft, in der ein Flächenbrand wütete. Brent Stirton schockiert mit Arbeiten, die Mädchen und Jungen in Indien zeigen, die an schmerzhaften, massiven Brandverletzungen leiden. Dort geschehen die meisten Unfälle mit Feuer im Haushalt, weswegen vor allem Mädchen betroffen sind. Der plastische Chirurg Dr. Singh hat eine Klinik für die schlimmsten Fälle errichtet. Er ist einer der Protagonisten der Serie.

Um Selbstverbrennungen geht es in Carla Rippeys Arbeit „Immolation“. Rippey sammelte die in ihrer Furchtbarkeit kaum zu ertragenen Fotografien von verbrennenden Menschen, druckte sie auf Japanpapier und nähte sie mit Kupfer- oder Golddraht zusammen. Ob sie wie Dr. Singh heilen will?

Erinnerung verbrennt nicht

Eine gesellschaftskritische Metapher findet die US-Amerikanerin Sally Mann für das Feuer: Immer wieder wüten Brände in dem Gebiet des Great Dismal Swamp in Virginia. Als die ersten Sklavenschiffe in den USA ankamen, versteckten sich geflüchtete Sklavinnen und Sklaven in diesen Sümpfen. In Manns Ferrotypien herrscht eine dunkle Atmosphäre: es ist eine unwirtliche, menschenfeindliche Umgebung. Wenn sich dort wieder mal ein Feuer verbreitet und das Gebiet in dichten Rauch hüllt, verschwindet in ihm auch ein Teil der US-Geschichte - temporär. Aber doch nicht für immer: Feuer zerstört vielleicht die Natur - aber nicht die Erinnerung, formuliert Mann im Booklet: „Unabhängig davon, wie viel vom Great Dismal Swamp in Flammen aufgeht, wird niemand dessen leidvolle rassistische Vergangenheit vergessen.“ Mann wurde zur Preisträgerin des Wettbewerbs gekürt.

Fotografie Forum Frankfurt: bis 7. Mai. www. fffrankfurt.org

Auch interessant

Kommentare