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Caspar David Friedrich in Schweinfurt – Abgründe im Fränkischen

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Von: Andreas Hartmann

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„Landschaft mit Eichen und Jäger“, 1811, ebenfalls aus Winterthur. Foto: SIK-ISEA, Zürich, Philipp Hitz
„Landschaft mit Eichen und Jäger“, 1811, ebenfalls aus Winterthur. Foto: SIK-ISEA, Zürich, Philipp Hitz © Philipp Hitz, SIK-ISEA, Zürich

Das Caspar-David-Friedrich-Jahr 2024 wirft mit einer wunderbaren Ausstellung in Schweinfurt sein Licht voraus.

Die schneeweißen Kreidefelsen von Rügen – kann man sie auf einer Fotografie, bei einem Besuch betrachten, ohne an ihre berühmteste Darstellung zu denken, Caspar David Friedrichs gleichnamiges Gemälde von 1818? Auch wer sich wenig für Kunst interessiert, dürfte zumindestens fünf, sechs von Friedrichs magischen Landschaftsbildern kennen, den Wanderer über dem Nebel, das zerschellte Schiff zwischen den Eisschollen, den Mönch am Meer, den frühen Morgen im Riesengebirge, das Paar mit dem aufgehenden Mond oder die Klosterruine zwischen uralten Eichen.

Einer Ausstellung im kleinen, sehr feinen Museum Georg Schäfer, das eine der besten Sammlungen von deutscher Kunst des 19. und frühen 20. Jahrhunderts überhaupt besitzt, ist es gelungen, einige der berühmtesten Werke des wohl bekanntesten deutschen Künstlers der Romantik nach Schweinfurt zu holen – darunter den „Wanderer“ aus der Kunsthalle Hamburg, den „Watzmann“ aus der Berliner Nationalgalerie, das „Hünengrab im Schnee“ aus Dresden und eben die legendären „Kreidefelsen“.

Dieser so unheimliche wie faszinierende Abgrund, in den drei Menschen mit wohl ganz unterschiedlichen Gefühlen zwischen Angst, Ehrfurcht, Staunen und Gelassenheit blicken, wurden erst 1920 in einer Berliner Privatsammlung als Meisterwerk Friedrichs wiederentdeckt. Seit 1930 hängt das Meeresbild in einer stillen Schweizer Privatsammlung, der Stiftung des Kaufmanns Oskar Reinhart in Winterthur, der seit den 20er Jahren zwei erlesene Kunstsammlungen aufgebaut und in den 60er Jahren gestiftet hatte.

Winterthur liegt zu Unrecht abseits der breiten Trampelpfade des Kulturtourismus, lange kannte kaum jemand die millionenfach als Poster, Postkarten oder auch Karikaturen verbreiteten „Kreidefelsen“ im Original. Denn Reinhart hatte zur Auflage gemacht, dass die Werke seiner Sammlung nicht ausgeliehen werden dürfen. Erst seit wenigen Jahren ist das anders. Bilder aus Winterthur sind deshalb international immer noch wenig bekannt, obwohl sie nun immer einmal wieder auf Reisen geschickt werden können.

Die Ausstellung „Caspar David Friedrich und die Vorboten der Romantik“ verzichtet auf einen griffigen, werbewirksamen Titel (und gibt sich auch in Sachen Marketing und Online-Auftritt vielleicht doch allzu zurückhaltend), ist aber absolut sehenswert und würde nicht nur wegen der „Kreidefelsen“ und weiterer fast unbekannter Bilder aus Winterthur eine Anreise nach Franken lohnen – gerade in der Kombination mit der ständigen Sammlung im klug entworfenen Museumsgebäude des Architekten Volker Staab.

Zur Sache

„Caspar David Friedrich und die Vorboten der Romantik“ ist bis zum 2. Juli im Museum Georg Schäfer, Brückenstraße 20, Schweinfurt zu sehen. museumgeorgschaefer.de

Anschließend reist die Ausstellung weiter ins schweizerische Kunstmuseum Winterthur, Stiftung Oskar Reinhart, Am Stadtgarten, wo sie vom 23. August bis zum 19. November gezeigt wird. www.kmw.ch

Denn es ist doch ein kleines Wunder, dass es Kurator Wolf Eiermann gelungen ist, so viele Meisterwerke hierher nach Schweinfurt zu holen. Und auch die eigene Sammlung des Kugellagerfabrikanten Georg Schäfer verdiente mehr Aufmerksamkeit, er hatte seit den 1950er Jahren ebenfalls eine ganze Reihe erlesener Caspar-David-Friedrich-Werke erwerben können.

Eiermann und der Kurator Konrad Bitterli vom Kunstmuseum Winterthur haben die 25 Gemälde und 13 Zeichnungen Friedrichs durchaus originell nach Bildthemen geordnet – Tageszeiten, Berge, Kreuze, Meer und ähnliches – und außerdem mit zeitgenössischen sowie älteren Bildern hauptsächlich aus den reichen Winterthurer und Schweinfurter Sammlungen ergänzt. Friedrichs neuer, sein „romantischer“ Blick auf eine vom christlichen Glauben beseelte erhabene Natur lässt sich ja ohne die großen holländischen und französischen Landschaftsmaler des 17. Jahrhunderts, Jacob van Ruisdael oder Claude Lorrain, kaum verstehen.

Einziger Wermutstropfen in der großartigen Schau, die Friedrichs Vorläufer und Zeitgenossen zeigt, wäre vielleicht, dass lediglich zwei Werke der Berliner Gegenwartskünstlerin Anna Werkmeister in die Ausstellung integriert wurden – dabei ist Friedrichs Einfluss auf die Kunst und Fotografie auch des 21. Jahrhunderts enorm und hätte ein spannender Schlusspunkt sein können.

Konzipiert wurde „Caspar David Friedrich und die Vorboten der Romantik“ zusammen mit dem Kunstmuseum Winterthur, wohin die Ausstellung weiterreist. Sie ist sozusagen der Auftakt für das Friedrich-Jahr 2024, in dem der 250. Geburtstag des Malers unter anderem in Berlin, Hamburg und Dresden groß gefeiert werden soll, sicher auch mit mehr Bezügen zur Gegenwart. Die „Kreidefelsen auf Rügen“ sollen dann erneut in Deutschland gezeigt werden, erstmals seit wohl mindestens 100 Jahren auch in Friedrichs Geburtsstadt Greifswald. Das Marketing läuft bereits - so still und andächtig wie in Schweinfurt, dürfte es dort dann voraussichtlich nicht werden.

„Kreidefelsen auf Rügen“, 1818, aus der Stiftung Oskar Reinhart, Winterthur. Foto: SIK-ISEA, Zürich, Philipp Hitz
„Kreidefelsen auf Rügen“, 1818, aus der Stiftung Oskar Reinhart, Winterthur. Foto: SIK-ISEA, Zürich, Philipp Hitz © Philipp Hitz, SIK-ISEA, Zürich

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