Alexander Farenholtz übernimmt vorübergehend Geschäftsführung der Documenta

Verwaltungswissenschaftler will Gespräche mit Ruangrupa führen
Nach dem Rücktritt der Generaldirektorin Sabine Schormann soll Alexander Farenholtz die Interimsleitung auf der documena fifteen übernehmen. Das teilte die Documenta am Montag mit. Farenholtz sei einstimmig durch den Aufsichtsrat bestellt worden. Er werde die Aufgabe schon ab dem heutigen Dienstag übernehmen. Das Engagement sei zunächst bis zum 30. September befristet.
Farenholtz, der bei der Documenta 9 im Jahr 1989 schon einmal Geschäftsführer der Weltkunstausstellung war, wolle zunächst mit der Künstlerischen Leitung und dann mit dem Team der documenta gGmbH Gespräche aufnehmen. Der Verwaltungswissenschaftler wechselte 1993 als Leiter des Ministerbüros ins Baden-Württembergische Kunstministerium und übernahm 1996 zusammen mit Tom Stromberg die Leitung des Kulturprogramms der Weltausstellung Expo2000 in Hannover.
Mit Beginn des Jahres 2002 wurde er zum Gründungsvorstand und Verwaltungsdirektor der Kulturstiftung des Bundes bestellt. Dieses Amt übte er an der Seite von Hortensia Völckers als Künstlerischer Leiterin bis zum Erreichen der Altersgrenze im Januar 2020 aus.
Am Wochenende hatte der Aufsichtsrat der Documenta seine Pläne für die documenta fifteen vorgestellt. Die angekündigte Interimsleitung war mit Spannung erwartet worden. Offen ist noch, wer die Expertinnen und Experten für das vorgesehene neue Gremium sein werden. Der Rücktritt von Sabine Schormann wird allgemein als Chance für die Kunstausstellung gesehen.
Meron Mendel, der Leiter der Bildungsstätte Anne Frank, der als Berater der Documenta hinwarf, betonte am Montag gegenüber der FR noch einmal, dass die Probleme mit dem Weggang Schormanns keineswegs gelöst seien. „Aber es ist zumindest jetzt der Weg frei, diese Themen anzugehen.“ Das Expertengremium, das vom Aufsichtsrat eingesetzt werden soll, hält Mendel für sinnvoll: „Ich habe den Eindruck, dass jetzt mit großer Seriosität gehandelt wird.“ Mendel möchte das neue Gremium bei der Gründung unterstützen. er selbst werde aber kein Teil davon sein. „Das hätte keinen Sinn, nachdem ich schon im Januar eigentlich für das Expertengremium, das Claudia Roth geplant hatte, vorgesehen war, dann für die abgesagte Gesprächsreihe und danach als externer Berater.“
Ruangrupa in der Pflicht
Miki Lazar, Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Kassel und zugleich Vorstandsmitglied des Documenta-Forums, betonte gegenüber der FR, dass er den Weggang von Sabine Schormann grundsätzlich für eine richtige Entscheidung halte, aber: „Die Diskussion, das gesamte Thema Antisemitismus, ist von Anfang an falsch behandelt worden.“ Lazar ist der Meinung, dass das Kuratorenteam Ruangrupa dafür verantwortlich sei, das Thema in der Öffentlichkeit anzugehen. Vielleicht sei nun ein Anfang dafür geschaffen: „Ruangrupa sind nicht laut, und sie sind sehr höflich. Sie wollen mit ihrem Konzept des Kollektivs etwas zeigen, auch vielleicht eine andere Form der Kommunikation. Möglicherweise werden sie jetzt, ohne den Filter der altenDocumenta-Leitung, offener kommunizieren können.“ Es gebe auf der Ausstellung genügend Möglichkeiten, mit dem Kollektiv zu sprechen. „Ich bin noch immer zuversichtlich, dass es einen konstruktiven Dialog geben wird. Ich sehe die Documenta jedenfalls nicht in Trümmern, wie man es jetzt von einigen Seiten hört.“
In der Diskussion um eine neue Organisationsstruktur der Documenta hält Lazar einen möglichen stärkeren Einfluss des Bundes nicht für grundsätzlich falsch, unter einer Bedingung: „Wenn nichts am Grundprinzip geändert wird. Das Geniale am Prinzip Documenta ist ja gerade, dass eine Findungskommission einen Kurator oder eine Kuratorin bestimmt, die oder der dann von Null auf alles aufbaut. Jede Documenta wird dadurch anders. Es ist praktisch jedes Mal wieder ein neues Experiment.“