Kontrolle, Kompetenz und Kehrtwendungen
Das London Philharmonic Orchestra mit Daniil Trifonov
Ein russisches Programm mit einem deutschen Warm-up hatte das London Philharmonic Orchestra im Reisegepäck bei seinem Gastspiel in der Alten Oper Frankfurt. Das einstige Beecham-Orchester trat zusammen mit der US-Amerikanerin Karina Canellakis am Dirigentenpult sowie mit dem Pianisten Daniil Trifonov als Solist bei den Meisterkonzerten von Pro Arte auf.
Nach der etwas einförmig gebotenen „Coriolan“-Ouvertüre Ludwig van Beethovens kam Sergei Prokofjews 3. Klavierkonzert in C-Dur op.26 zu Gehör. Das populärste der fünf Konzerte, deren enorme Anforderungen im Solo-Part der pianistischen Kompetenz des Komponisten geschuldet ist. Ähnlich wie Franz Liszt oder Ferruccio Busoni hat sich der 1891 geborene Prokofjew die Könnerschaft am Instrument kompositorisch zu Nutze gemacht. Seine Aufnahme aus den 30er Jahren bezeugt die unfassliche Leichtigkeit, mit der in uneinholbarem Tempo die Myriaden von Tönen in größter thematischer Dichte zu stets anderen Gestalten transformiert werden. Wobei an keiner Stelle auf fassliche und ausdrucksstarke Charaktere verzichtet werden musste.
Das spielerische, sportive, gewalttätige und groteske Moment seiner Musiksprache, dazu die lyrischen Bewegungen und emphatischen Aufschwünge hatten in Daniil Trifonov einen idealen Vermittler. Er leistete akribische Arbeit im Mechanismus der ineinander gehakten Sequenzen, hochfahrende Bewegung bei völliger Kontrolle der immer formbewussten Steigerungen und Höhenzüge. Das im Lyrismus des Satzes sich ab und an zeigende groteske Moment mit seinen grimassierenden Anmutungen war präsent und blieb doch feinsinnig und tänzerisch.
In ständigem Kontakt
Die harten Staccati hatten kristalline Kantigkeit und die Versenkung in völlig zurückgenommene Partien war anschlussfähig für blitzartige oder aufblendende dramaturgische Kehrtwendungen. Phänomenal das Zusammenspiel mit dem Tutti. Canellakis hielt ständigen Kontakt mit dem Pianisten und demonstrierte ihr Mitgehen in der Zeichengebung.
Der andere russische Programmposten war Pjotr Tschaikowskis 5. Sinfonie. Eine seiner großen Misanthrophonien, in denen das dräuende Schicksal aber schließlich doch angeeignet wird im Triumph. Das London Philharmonic brachte alle Voraussetzungen für eine vollplastische, ebenso den konfliktvollen wie anschmiegsamen Momenten angemessene Darstellung mit. Canellakis setzte der strahlenden Kompetenz aus London noch einige Oberlichter eher US-amerikanischer Blendung auf, sodass zuletzt russische Exaltation im big sound ein wenig übertrieben wirkte.