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Glück

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Von: Michael Hesse

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Glück ist sehr schwer zu messen, was man in der Kognitionspsychologie auch weiß, weil es für Menschen schwierig ist, ihr eigenes Wohlbefinden einzuschätzen.
Glück ist sehr schwer zu messen, was man in der Kognitionspsychologie auch weiß, weil es für Menschen schwierig ist, ihr eigenes Wohlbefinden einzuschätzen. © Imago

Lohnt es sich, unbedingt glücklich sein zu wollen? Oder gibt es nicht Wichtigeres? Die Kolumne „Times mager“.

Glück gilt gemeinhin als flüchtige Sache. Und doch bewegt Menschen nichts mehr, als das Streben nach Glück. Die Verfassungsväter der Vereinigten Staaten von Amerika schrieben das Recht darauf sogar in die Verfassung: „Life, liberty and the pursuit of happiness“ werden als unveräußerliche Rechte aufgeführt. Für den griechischen Denker Aristoteles bestand das Ideal darin, eine Art von Tugend, einen besonderen Charakter auszubilden, so dass man glücklich wird oder es einem gut geht. Glück war seiner Meinung nach mit dem Charakter der glücklichen Person verbunden. Ein ganzer Zweig von Moralphilosophien wurde nach seinem Ansatz bezeichnet. Man nennt sie eudämonistische Morallehren. Doch das Verständnis des Glücks hat sich im Laufe der Geschichte völlig verwandelt.

Unter Glück mischt sich nun vor allem das Luststreben, also der Hedonismus. Dabei wird nun viel stärker das individuelle Glück betont im Vergleich zu den ursprünglichen Vorstellungen vom Glück. Zudem dominieren Vorstellungen vom Glück, die sich angeblich messen lassen. Und damit werden in unserer Gegenwart große Geschäfte gemacht. Viele sogenannte Glückswissenschaftler und -innen verstehen sich eigentlich als Unternehmer. Es werden weltweit in der Coachingbranche Milliarden Euro gemacht.

Glück ist sehr schwer zu messen, was man in der Kognitionspsychologie auch weiß, weil es für Menschen schwierig ist, ihr eigenes Wohlbefinden einzuschätzen. Wir überbewerten positive Ereignisse. Dennoch gibt es Messergebnisse, wie zufrieden das Wahlvolk mit der Politik seiner Regierung ist. All das findet Eingang in das, was man als „Glücks-Atlas“ kennt. Die Skandinavier gelten nach einer Erhebung etwa als die glücklichsten Menschen der Welt.

Glück ist ein Zeichen von Erfolg und ein Statussymbol. Und wer nicht glücklich ist, hat das selbst verschuldet, was zu einem Gefühl der Unzulänglichkeit führt. Auch die Politiker erkannten schnell: Es ist viel einfacher, die individuellen Glücksgefühle zu manipulieren, als die Struktur von Eigentum oder Ungleichheit zu ändern. Der Einzelne ist für alles verantwortlich, was immer ihm an schlechten Dingen widerfährt.

Vielleicht sollte man daher ein wenig auf Distanz zum Glück gehen. Man kann ja sehr sinnvolle Dinge tun, auch wenn man unglücklich ist. Man denke etwa an die Erziehung von Kindern, bei der man auch nicht immer glücklich sein muss - Eltern wissen das -, trotzdem ist es sinnvoll.

Es gibt also Wichtigeres als Glück: Sein Leben für eine Sache einzusetzen, die bedeutender ist als man selbst, zum Beispiel sich um das Wohl anderer zu sorgen oder sich um die Vertiefung des eigenen Wissens zu kümmern.

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