Zusammengedrängte Pracht

Ein erster Rundgang durch das weitgehend fertiggestellte Humboldt-Forum, das im kommenden Jahr etappenweise eröffnen soll.
Covid-19 behindert weiter die Eröffnung des teuersten und größten Museums und Kulturzentrums der bundesrepublikanischen Geschichte: des Berliner Humboldt-Forums. Eingeladen durch den Generalintendanten Hartmut Dorgerloh konnten sich Medienvertreter einen Eindruck von einigen Räumen verschaffen. Zu denen Räumen gehörten zwar nicht jene des Stadtmuseums und der Humboldt-Universität, des Ethnologischen Museums mit der Boots- und der Häuserhalle, die Restaurants und Veranstaltungssäle. Dennoch lässt sich bereits einiges einschätzen.
So ist der Grundriss, obwohl der Bau nach außen hin so gewaltig wirkt, insgesamt oft erstaunlich knapp bemessen. Selbst die auf dem Plan so riesig erscheinende Eingangshalle an der Stelle des einstigen Eosander-Hofs wirkt im Vergleich zur Pyramiden-Halle des Louvre oder dem Elisabeth-Hof des British Museum mit den Möbeln und der Rieseninstallation des elektronischen Ausstellungsanzeigers jetzt bereits vollgestellt. Es dürfte eine große Herausforderung werden, hier künftig Tausende von Besuchen nach hygienisch korrektem Procedere abzufertigen.
Auch die Ausstellungsräume im obersten Geschoss, das den asiatischen Sammlungen des Ethnologischen Museums und des Museums Asiatischer Kunst gewidmet ist, wirken eng und niedrig. Die langgestreckten, meistens nur durch eine Pfeilerreihe geteilten Säle folgen der Struktur des historischen Schlosses und sind zudem überwiegend von zwei Seiten beleuchtet.
Welche Freiheit dagegen bieten da die offenen Hallen, die seit den sechziger Jahren international für Museen dieser Art üblich geworden sind. Um diese Beschränkungen zu kaschieren, entschloss man sich, einer kurzlebigen Gestaltungsmode der Zeit um 2010 zu folgen und die Räume mit harten Materialien in den Böden und Wänden auszustatten. Eine rätselhafte Entscheidung: Weiß isoliert Objekte und riesige Vitrinen zergliedern die Inszenierungen, anstatt sie zusammenzufassen. Harte Böden sorgen für Hall, für eine hektische Atmosphäre des schnellen Hindurchgehens. Gerade die aber möchte man in den bedeutenden Ausstellungsräumen doch eigentlich vermieden wissen.
Besonders deutlich wird diese Wirkung schon jetzt in den Sälen für japanische und koreanische Kunst. Die Dahlemer Inszenierung des Museums Asiatischer Kunst (MAK) vom Beginn der 2000er Jahre durch Helge Sypereck wurde hier in dichten, symmetrischen Raumfolgen komponiert – analog zu den Grundregeln chinesischer Architektur. Mit hölzernen Vitrinen- und Wandverkleidungen wirkte sie warm und intim, die Objekte wurden sanft umhüllt. Die Neuaufstellung durch Applebaum Architects aus New York dagegen zeigt die Vitrinen freistehend, als gewaltige Körper, weit voneinander entfernt und kälter, distanzierter. Das verdeckt sogar die warmen Farben jenes felsenartigen Gebildes, in dem sich ein moderner Teeraum verbirgt – eine großartige Idee, die deutlich macht, dass selbst die japanische Teezeremonie zur Erneuerung fähig ist.
Dennoch: Die oft zarten Objekte des MAK werden in dieser Inszenierung um die Konzentration der Besucher regelrecht kämpfen müssen. Ob sich hier ein Gesamtbild dessen, was als japanische oder koreanische Kunst bezeichnet wird, zusammenfügen kann?
In den Eingangsräumen zu den Museumsgeschossen sollen künftig Medieninstallationen die Besucher dazu animieren, sich mit der Geschichte der Sammlungen und Häuser zu beschäftigen. Inklusive Sitzgelegenheiten, die in den Ausstellungsräumen bisher nicht zu sehen sind. Man kann nur auf das Beste hoffen angesichts der als großartig zu bezeichnenden Medieninstallation zur Geschichte des Schlossareals im Erdgeschoss, die in einem herrlich-pathetischen Sichtbeton-Interieur wie ein riesiger Dia-Sortier-Tisch mit Bildern aus der Vergangenheit erscheint. In den Fenstern der Passage ist zudem eine Ausstellung zur Geschichte der Brüder von Humboldt montiert – es sind zwei der bemerkenswerten, auch äußerlich eindeutig modern auftretenden Zutaten zum Humboldt-Forum.
Es sind spannende Geschichtseinführungen, die die Inszenierung der „Geschichte des Ortes“ in den Resten der Keller und den Fundamenten des Schlosses ergänzen; ein Titel übrigens, der dem Katalog der Schlosskulissen-Ausstellung von 1993 entnommen wurde. Perfekt ausgeleuchtet zeigen sich die Mauerreste als Rahmen für jenen zerschlagenen italienischen Kachelofen aus den Sammlungen des Kunstgewerbemuseums, der in den Ruinen entdeckt wurde, für Maschinerie aus der Zeit Kaiser Wilhelms II. und die Sprenglöcher der DDR-Truppen. Mit knappen, durchaus kritischen Texten versehen ist auch diese Installation eine erfreuliche Abweichung vom bisher durchscheinenden Hang zur Leere und Weite im Humboldt-Forum.
Aber auch in dieser Ausstellung wird die inhaltliche Schwere des Architekturentwurfs von Franco Stella deutlich. Stella setzte durch, dass die Raumhöhen jeder Etage sich an denen des historischen Schlosses orientieren, sodass keine Durchbrüche möglich waren. Im litauischen Vilnius wurden beim Nachbau des Schlosses der Großherzöge vor einigen Jahren in der methodisch exakt gleichen Ausstellung die Geschossgrenzen durchbrochen und ein räumlich dramatisch aufgefalteter Rundgang inszeniert. In Berlin dagegen versuchte man zu sparen, blieb auch methodisch im Raumgitter des einstigen Schlosses befangen – anstatt des großartigen Theaters von Vilnius gleicht so diese Inszenierung eher einer besseren Ausgrabungsinstallation mancher Kathedralen.
Auch sonst überzeugt erstaunlicherweise gerade der Umgang mit den historischen Originalen, die von der Geschichte des Ortes erzählen, am wenigsten. Dass überall Lampen aus dem Palast der Republik hängen, vermag zwar ebenso zu erfreuen wie die verstreuten Reste aus dessen einstiger Ausstattung. Doch der Saal mit den originalen Skulpturenresten der Fassaden zeigt diese nur monumental und lässt das moderne Kunstwerk an der Wand verblassen – ganz zu schweigen von den peinlichen Klinken in schwerem Bronzeton-Metall vor dem simplen Feuerschutzportal. Da wäre ein wenig mehr Aufwand sinnvoll gewesen.
Ähnlich verhält es sich mit der Inszenierung der kostbaren Marmorskulpturen brandenburgischer Fürsten aus dem einstigen Marmorsaal des Schlosses, die im obersten Treppenhausgeschoss nicht mehr wie einst gedacht vor einem Wandhintergrund aufgestellt sind, sondern frei arrangiert wurden. Diese Objekte des niederländischen Barock erscheinen dadurch noch gedrehter, manierierter, abstruser. Besonders hart zu ertragen ist das angesichts der Skulptur von Friedrich III./I., jenem Kurfürsten und König in Preußen, der das Barockschloss in Auftrag gab, das nun nachgebaut wurde. Seine Skulptur wirkt in der freien Aufstellung wie die eines kleinen Mannes, der in lächerlicher Haltung posiert.
Allerdings: Diese Pose kontrastiert großartig mit jenem unteren Teil einer schwarzen Riesenfahne des Künstlers Kang Sunkoo, die als Kommentar installiert wurde. Der obere Teil der Fahne soll künftig in Afrika zu sehen sein. Friedrich III/I. nämlich war es, der die brandenburgische Kolonialpolitik vorantrieb – inklusive Sklavenhandel. Auch die Fassaden des Schlosses und seine prachtvollen Innenausstattungen wurden mit dem Blut zehntausender Menschen bezahlt, die aus Afrika nach Amerika verschleppt worden waren. Es ist gut, dies an einer so zentralen Stelle des Humboldt-Forums in den nachgebauten Fassaden des Schlosses zu betonen.