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Umstrittener Auftritt von Roger Waters: Lasst den mal kommen

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Von: Michael Hesse

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Fast 80 Jahre alt und immer noch nicht weise: Roger Waters.
Fast 80 Jahre alt und immer noch nicht weise: Roger Waters. © dpa

Die geplanten Auftritte von Roger Waters spalten die Geister. Ist er ein Antisemit und deckt das die Meinungsfreiheit?

Pink Floyd ist eine der erfolgreichsten und einflussreichsten Bands der Zeitgeschichte. Mit Songs wie „The Wall“ schrieb die britische Band Rockgeschichte. Die berühmte Zeile des Songs „We don’t need no education“ wurde zum Kampflied ganzer Generationen von Schülern und Schülerinnen, die keinen Bock auf Schule hatten. Das frühere Mitglied der Band, Roger Waters, sieht sich nun schweren Vorwürfen ausgesetzt. Er sei ein Israel-Hasser, ein unverbesserlicher Antisemit, heißt es. Der 79 Jahre alte Musiker unterstützt die zumindest in Teilen antisemitische Israel-Boykottbewegung BDS (Boycott, Divestment and Sanctions - „Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“).

In München forderte die frühere Vize-Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, Waters in Deutschland nicht auftreten zu lassen. Städte wie München und Frankfurt versuchen nun, die Auftritte des Musikers zu verhindern. Waters will in fünf Städten im Zuge seiner für Mai geplanten Deutschlandtournee auftreten. Er und sein Team haben angekündigt, notfalls vor Gericht zu ziehen, sollte es zu den Absagen kommen.

Bei Waters stellt sich die grundsätzliche Frage, welche Äußerungen von der Meinungsfreiheit gedeckt sind – und welche nicht. Der Musiker reiht sich ein in eine Vielzahl von Fällen, in denen Auftritte von israelkritischen Künstlern oder Wissenschaftlern verhindert wurden, da sie angeblich antisemitisch seien. Bei der Ruhrtriennale wurde Stefanie Carp von ihrem Posten als Intendantin gedrängt, da sie mit Achille Mbembe einen Philosophen, der sich kritisch zu Israel äußert, als Redner verpflichtet hatte.

Kritiker:innen dieser Vorgänge monieren, dass, je aggressiver das Vorgehen Israels in den von ihm besetzten Gebieten gegen die Palästinenser sei, desto schärfer auf Kritiker:innen eben dieser Politik Israels reagiert wird. Speziell in Deutschland seien Personen öffentlich ein für allemal diskreditiert, sobald sie als Antisemit:in bezeichnet würden. Intellektuelle und auch Kulturinstitutionen setzen sich zunehmend gegen diese Engführung des Begriffs zur Wehr, zumal Israel seine Politik gegenüber Palästinensern deutlich verschärfe: Das Siedlungsprojekt im Westjordanland soll ohne richterlichen Beschluss vorangetrieben werden. Auch der Minderheit der arabischen Israelis will man am liebsten das Wahlrecht nehmen. Die dauerhafte Besatzung untergräbt die moralischen Grundlagen des israelischen Staates, schrieb die „Zeit“. Kritiker:innen des BDS würden übersehen, dass Israel auch sein moralisches Ansehen weltweit durch die Unterdrückung der Palästinenser schwächt. Auftrittsverbote wie bei Waters zu fordern, verenge den Meinungskorridor und könnte eher zu einem wachsenden Antisemitismus führen.

Rechtlich scheint der Versuch, Auftritte wie den von Waters zu verhindern, ohnedies schwierig zu sein. Darauf verwies der Verfassungsrechtler Christoph Möllers in einem für Kulturstaatsministerin Claudia Roth erstellten Gutachten: „Die Freiheit der Kunst kann auch in Fällen rassistischer oder antisemitischer Tendenzen im Rahmen der Verhältnismäßigkeit vor staatlichen Zugriffen schützen.“

Auch die Resolution des Bundestags gegen BDS wird nicht nur von Intellektuellen kritisiert, sondern das Gutachten Möllers stellt hierzu fest, dass die Anwendung der Resolution „nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der Instanzgerichte gegen die Meinungsfreiheit“ verstoße.

Freiheit auf Verzicht

Im Fall von Waters wird man sich damit auseinandersetzen müssen, wie man mit jemanden umgehen möchte, der andere Künstler:innen drängt, nicht in Israel aufzutreten, der BDS unterstützt, der Israel einen Apartheitsstaat nennt, der einen Davidstern auf ein fliegendes Gummischwein drucken ließ, das er bei Konzerten aufsteigen lässt. Das Publikum des bald 80-jährigen Musikers dürfte allein aufgrund seiner Altersstruktur in seinen eigenen Meinungen relativ gefestigt sein – und vermutlich deutlich stärker an der Musik von Waters als an seinen politischen Äußerungen interessiert sein. Da mündige Bürgerinnen und Bürger die Freiheit haben, auf Konzertbesuche zu verzichten, sofern sie der Meinung sind, dass man einen Künstler wie Waters in seinen Auffassungen nicht unterstützen will, sollte man ihnen diese Möglichkeit nicht nehmen.

Ein Eingriff der öffentlichen Seite erscheint da als Akt der Bevormundung, der nicht nur rechtlich nicht gedeckt ist, sondern auch eine überflüssige moralische Entlastung zur Konsequenz hat. Vielleicht sollte man es daher in Frankfurt so handhaben, wie die „Süddeutsche Zeitung“ es im ironischen Doppelsinn des Satzes forderte: „Lasst den mal kommen.“

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