Sprengung der Nord-Stream-Pipelines: Das große Blubbern
Star-Journalist Seymour Hersh erhebt schwere Vorwürfe gegen die USA, die laut ihm für die Sprengung der Nord-Stream-Pipelines gesorgt hätten.
Der Kalte Krieg war zwar oft Theater, aber nie ein Spiel. Da vieles undurchschaubar war, hatten Spionagethriller Hochkonjunktur. An einen solchen fühlten sich viele erinnert, als über Nacht die Pipelines von Nord Stream 1 und Nord Stream 2 gesprengt wurden und sich auf der Ostsee Blubberwasser bildete. Hatten die Russen da etwa selbst Hand angelegt, um die Deutschen endgültig von der Gasversorgung zu trennen?
Alles Quatsch, sagt jetzt einer der bekanntesten investigativen Journalisten der Welt. Die Rede ist von Seymour Hersh. Der 1937 in Chicago geborene Reporter hat schon so manche US-Regierung in tiefe Verlegenheiten gestürzt. Berühmt wurde er 1969, als er US-amerikanische Kriegsverbrechen in Vietnam, das Massaker von My Lai aufdeckte. In eine bis heute andauernde Glaubwürdigkeitskrise stürzte die US-Armee auch seine Geschichte über Folter in dem mittlerweile berüchtigten irakischen Gefängnis Abu Ghraib. Nun wartet er mit der nächsten Geschichte auf, die, sollte sie wahr sein, einen immensen politischen Sprengstoff bergen würde.

In seinem Blog behauptet er nun, dass US-Spezialtaucher die entscheidenden Vorbereitungen an den Pipelines in der Ostsee vorgenommen hätten. Das sei während eines Manövers der Nato im Juni 2022 passiert. Das Weiße Haus in Washington hätte den Auftrag erteilt, Norwegen die Taucher bei der Arbeit unterstützt. Später seien die Rohre dann per Fernzündung gesprengt worden. Der Schaden war immens, wie Spezialisten aus Schweden später feststellen sollten. Der russische Präsident Wladimir Putin machte sogleich Großbritannien und die USA verantwortlich.
Sprengung der Nord-Stream-Pipelines: Viel Zweifel Hershs Darstellungen
Hat Hersh nun tatsächlich die nächste big story ausgepackt? Viele haben da Zweifel. Auf Twitter meldete sich etwa der Militärexperte und Politikwissenschaftler Carlo Masala. Er schrieb wörtlich auf Twitter: „Ich bin eine Reporter Legende, habe die möglicherweise heißeste Story des Jahres, alle großen Medien würden 1000ende dafür zahlen und ich ……… veröffentliche sie auf meinem Blog. Finde den Fehler“.
Hersh hatte „anonyme Quellen mit direkten Kenntnissen über die operative Planung“ genannt, die ihm die Informationen gegeben hätten. Die Recherche nur auf eine Quelle zu stützen, das wurde Hersh schon früher vorgeworfen. Eine Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates der USA nannte das „völligen Quatsch“. Die Russen hingegen jubelten: „Biden schreibt sich in die Geschichte als Terrorist ein“, veröffentlichte der russische Parlamentsvorsitzende Wjatscheslaw Wolodin im Telegram-Kanal. Aber auch CIA-Veteranen haben Zweifel an der Geschichte. John Sniper, früherer Leiter der Russland-Operationen des Geheimdienstes, meinte auf Nachfrage von t-online: „Das ergibt auf keiner Ebene Sinn“, sei schlicht nicht zu glauben.
Da Hersh nicht Ross und Reiter seiner Informationen nennen kann, blubbern die sozialen Netzwerke über. Auf Twitter, Telegram und Co. werden nun alle erdenklichen Dinge herbeigezaubert, die die Schuld der USA unterstreichen sollen. Klar ist nur, dass die Aussagen nur einem Mann helfen: Wladimir Putin. Was bleibt, ist viel Theater. Und wenig belastbare Fakten. (Michael Hesse)