Modulare Handys: Einfache Reparierbarkeit wird immer attraktiver

Früher sind Konzepte für mobile Phones mit ausbaubaren Funktionen gescheitert. Warum ändert sich das gerade? Die Kolumne „Update“.
Frankfurt - Vorige Woche ging es in dieser Kolumne um Handykauf-Vorwürfe und um das modulare „Fairphone“ aus den Niederlanden. Daraufhin erreichten mich mehrere Hinweise auf das „Shiftphone“, das nicht nur ebenfalls modular und leicht reparierbar ist, sondern auch noch das Produkt eines hessischen Familienunternehmens. Das darf natürlich nicht passieren beim Kolumnieren in einer hessischen Zeitung. Zum Glück gibt es über das Thema noch genug für einen zweiten Beitrag zu sagen.
Ungeklärt blieb nämlich vergangene Woche die Frage, warum modulares Handydesign anfangs so lange gescheitert ist, und warum jetzt doch gleich mehrere Unternehmen davon leben können. Eigentlich liegt die Idee ja nahe, und entsprechend oft ist sie angekündigt worden.
Modulare Handys: Das Konzept „Phonebloks“ wollte Elektronikschrott reduzieren
Die israelische Firma IXI bewarb um 2003 ein Handy, dessen einzelne Komponenten nicht miteinander verkabelt, sondern durch Bluetooth verbunden sein sollten. So würde sich je nach Bedarf und Weiterentwicklung der Technik eine Kamera, eine Tastatur oder ein farbiges Display anschließen lassen. Die Software sollte ebenfalls modular sein, damit sich aus einem Fotografierhandy – so die Werbung – später ganz einfach ein Videohandy machen ließe. Ob das wirklich funktioniert hätte, lässt sich nicht mehr feststellen, denn es blieb bei der Ankündigung. 2009 brachte die ebenfalls israelische Firma Modu ein modulares Handy auf den Markt, ging aber kurze Zeit später pleite.
2013 entwickelte dann der niederländische Designer Dave Hakkens das Konzept „Phonebloks“. Es bestand aus einem Handygerüst, auf dem man Module von Drittanbietern individuell zusammenstecken können sollte. Hakkens wollte damit Elektronikschrott reduzieren. Die Kritik an diesem Konzept lautete allerdings, dass die Verlockung, alle paar Monate neue Module zu kaufen, im Vergleich zu einem Handyneukauf alle zwei Jahre eher noch wachsen würde– und damit auch der Müllberg.
Modulare Handys: Google scheitert mit „Projekt Ara“
Auf dem Phonebloks-Konzept und einem Teil der Modu-Patente setzte 2013 Googles „Projekt Ara“ auf. Das nackte Gerät sollte nur 50 Dollar kosten, alle Komponenten wie Legosteine austauschbar sein. Nach einigem Hin und Her wurde das ganze Projekt 2016 wieder beerdigt. Zu diesem Zeitpunkt gab es die ersten Modelle des Fairphone und des Shiftphone bereits zu kaufen.
In manchen Beiträgen über das Ende von „Projekt Ara“ wird als Grund für dessen Scheitern genannt, zu diesem Zeitpunkt sei in Handys schließlich schon so gut wie alles Einbaubare bereits eingebaut gewesen. Ich neige zu der Vermutung, dass das nur eine Variante der beliebten Illusion ist: „In den letzten Jahrzehnten hat sich alles rasend schnell verändert – aber jetzt sind die Innovationen erst mal ausgeschöpft. So wie es jetzt ist, wird es lange bleiben.“
Wir können uns schwer vorstellen, was in zehn oder auch nur fünf Jahren als selbstverständliche und unentbehrliche Handyfunktion gelten wird. Schon seit 2016 hat sich einiges verändert: größere Geräte und damit wachsende Displays und Akkus, viel mehr Speicher, die Betriebssystemversionen iOS 11 bis iOS 15 (auf Apple-Geräten) und Android 7 bis Android 12 (auf den meisten anderen Handys), 5G, die eSIM, LiDAR-Scanner für 3D-Aufnahmen und Augmented-Reality-Anwendungen. Wahrscheinlich sind das nicht mehr Veränderungen als in jedem anderen Fünfjahreszeitraum seit Beginn der Handygeschichte.

Modulare Handys: Heute geht es um Reparierbarkeit
Die gescheiterten Produkte haben gemeinsam, dass sie sich weniger mit dem Austausch defekter Teile befassten als mit der Möglichkeit, das Handy individuell zu konfigurieren. Naheliegend, schließlich klingt das in der Werbung besser als die Aussage: „Leider gehen die wichtigsten Komponenten unseres Handys kaputt, wenn man sie nur mal scharf anschaut, deshalb werden Sie später noch froh sein, dass man es so leicht reparieren kann.“ Allerdings interessieren sich gar nicht so viele Menschen für individuelle Konfiguration von Hardware. Einfache Reparierbarkeit hingegen wird immer attraktiver, je öfter man das zerbrochene Handydisplay austauschen lassen musste (oder es unter Fluchen mit Hilfe von sieben verschiedenen Spezialwerkzeugen selbst ausgetauscht hat).
Die Antwort auf die eingangs gestellte Frage ist also, dass die Frage falsch gestellt ist. Modulares Handydesign ist nicht anfangs gescheitert und hat dann doch noch die Kurve gekriegt. Das erfolglose modulare Handydesign von vor zwanzig Jahren und das erfolgreiche von heute sind zwei ganz verschiedene Konzepte. Damals ging es um Individualisierbarkeit und um das Nachrüsten neuer Fähigkeiten, heute geht es um Reparierbarkeit. Aber vielleicht funktioniert das Geschäftsmodell erst, seit auch wirklich alle eingesehen haben, dass Handys nicht wesentlich robuster sind als mundgeblasene Glasquallen. (Kathrin Passig)
In ihrer Kolumne „Update“ schreibt Kathrin Passig jede Woche über Themen des digitalen Zeitalters. Sie ist Mitbegründerin des Blogs „Techniktagebuch“. www.kathrin.passig.de