Das Konzept der „Global Assembly“: Den Blick ins Globale weiten

Idee, Ablauf und Ziele der „Global Assembly“ 2023/24 - lesen Sie die Details des Projekts.
Das Vorhaben in Kurzfassung
An vielen Orten der Welt engagieren sich Menschen für soziale, ökonomische und kulturelle Menschenrechte, für Freiheit, Demokratie und die Erhaltung bedrohter Lebensräume. Oft erleben sie die Einschränkung ihrer Handlungsmöglichkeiten, den Abbau demokratischer Rechte, die Zerstörung der natürlichen Umwelt und die Verfolgung zivilgesellschaftlichen Engagements am eigenen Leib. Zur Global Assembly 2023/24 kommen Aktivist:innen aus aller Welt zusammen, um sich über den Kampf um Demokratie und Menschenrechte auszutauschen.
Der erste Teil der Versammlung, die in der Folgezeit bis 2024 weitergeführt werden soll, beginnt am 14. Mai 2023 mit einer öffentlichen Veranstaltung in der Paulskirche und wird bis zum 17. Mai mit einer Klausurtagung in der Evangelischen Akademie fortgesetzt. Eingeladen sind 50 Personen aus allen Teilen der Welt, sich über Möglichkeiten einer demokratischen „Globalisierung von unten“ auszutauschen.
Die Paulskirche, die im 175. Jubiläumsjahr der deutschen Nationalversammlung als Ort demokratischen Aufbruchs gewürdigt wird, soll zu einem „utopischen Raum“ werden, in dem ein freier Austausch über Wege zu globaler Demokratie möglich ist. Die Initiative folgt der Überzeugung, dass dem nationalen Aufbruch von 1848 heute nur gerecht werden kann, wer auf dem Anspruch umfassender Menschenrechte für alle auch im globalen Rahmen besteht.
Der Anlass
In der Frankfurter Paulskirche kamen im Mai 1848 Delegierte aus allen Teilen des Landes zu einer ersten Nationalversammlung zusammen. Das Ziel war die Schaffung nationaler Einheit auf der Grundlage rechtsstaatlicher Strukturen in einem Gebiet, das in zahlreiche Monarchien und Fürstentümer zersplittert war.
Obwohl die im März 1849 beschlossene Verfassung am Widerstand Preußens und Österreichs scheiterte, gilt die Nationalversammlung als Meilenstein der deutschen Demokratiegeschichte. Zwar kamen, für die Zeit nicht ungewöhnlich, in der Paulskirche durchweg gebildete männliche Abgeordnete zusammen, die zum größten Teil aus dem mittleren und gehobenen Bürgertum stammten.
Frauen blieben ebenso ausgeschlossen wie Menschen ohne Bildungs- und Einkommenschancen. Auch mit der Forderung nach sozialen Grundrechten konnten sich die fortschrittlichsten Kräfte nicht durchsetzen. Aber die beschlossenen Grundrechte – unter anderem Meinungs- und Redefreiheit, Schutz vor staatlicher Willkür, Religionsfreiheit, Zugang zu Bildung sowie die Freiheit des Eigentums und die Gleichstellung der jüdischen Bevölkerung – setzten Maßstäbe weit über die eigene Epoche hinaus.
Zum Hintergrund
Heute sind viele der Grundrechte, die während der europäischen Revolutionen im 18. und 19. Jahrhundert erkämpft wurden, in internationalen Dokumenten festgehalten, darunter die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die 1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verkündet wurde.
Aber das „Recht, Rechte zu haben“ (Hannah Arendt) ist keineswegs für alle gewährleistet, sondern vielfach bedroht: Der transnationale Kapitalismus, gegründet auf die Ausbeutung von Ressourcen, Naturschätzen und menschlicher Arbeitskraft auf globaler Ebene, sorgt für die Zerstörung von Lebensgrundlagen. Er treibt immer mehr Menschen in die Flucht und damit in die faktische Staaten- und Rechtlosigkeit.
Autoritäre Regime schränken Freiheitsrechte ein, um möglichen Widerstand im Keim zu ersticken. Die internationalen, von Staaten getragenen Mechanismen haben angesichts dieser Bedrohungen weitgehend versagt. Das macht den Kampf für eine „Globalisierung von unten“ und den Austausch darüber so dringlich.
Zentrale Fragestellungen
Die Entscheidung, welche Schwerpunkte die Global Assembly im Einzelnen setzt, bleibt selbstverständlich den Eingeladenen vorbehalten. Der mögliche thematische Rahmen lässt sich mit den Stichworten „Demokratie – Menschenrechte – Gerechtigkeit“ umreißen. Daraus könnten sich zum Beispiel folgende Fragestellungen ergeben:
- Können wir davon ausgehen, dass die Unteilbarkeit der Menschenrechte auch weiterhin für zivilgesellschaftliche und emanzipatorische Initiativen ein zentraler Bezugspunkt ist?
- Sind diese Rechte in ihrer gegenwärtigen oder einer fortzuentwickelnden Form angemessen und ausreichend, um allen Menschen politische, wirtschaftliche, soziale, kulturelle Teilhabe zu ermöglichen?
- Was braucht es, um den Anspruch Aller auf eine soziale und internationale Ordnung zu realisieren, die auf Gerechtigkeit und Freiheit basiert und die in der Allgemeinen Menschenrechtserklärung niedergelegten Rechte voll verwirklicht?
- Ist – und gegebenenfalls wie ist – eine globale Demokratie von unten möglich, wie kann diese gestaltet sein?
Diese Fragen sind den Eingeladenen als Beispiele für mögliche Themen übermittelt worden, verbunden mit der Bitte, sie durch eigene Fragestellungen zu ergänzen oder zu ersetzen.
Die Teilnehmer:innen
Die Zusammensetzung der Global Assembly ist ausdrücklich nicht repräsentativ im Sinne parlamentarischer Kriterien. Für die Versammlung im Mai 2023 wurde der Kreis der Eingeladenen in Zusammenarbeit mit politischen Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen bestimmt, die größtenteils in einem Trägerkreis vertreten sind.
Wichtige Aspekte dabei waren ein möglichst breites Themenspektrum, die regionale Verteilung sowie Kriterien der Diversität, etwa die Verteilung nach Geschlechtern. Auf die Teilnahme offizieller Vertreter:innen von staatlichen oder zwischenstaatlichen Institutionen wurde verzichtet zugunsten von zivilgesellschaftlichen Akteur:innen, die in unterschiedlichen Zusammenhängen Basisarbeit leisten.
Eingeladen wurden 50 Personen aus etwa 35 Ländern. Sie engagieren sich in unterschiedlichen Bereichen, darunter allgemeine Menschenrechtsarbeit, Einsatz für Frauenrechte, Ökologie und Klima, Lohn- und Arbeitskämpfe, Meinungsfreiheit und kulturelle Identität.
Der Prozess
Die Globale Versammlung ist als Prozess angelegt, der sich in mehreren Etappen von der „Vorversammlung“ im Mai 2023 bis zu einem großen Treffen, der eigentlichen Global Assembly, erstreckt. Dieses Treffen wird im Frühjahr 2024 stattfinden, wenn sich die Verabschiedung der Paulskirchenverfassung im Jahr 1849 zum 175. Mal jährt.
Ob und in welcher Form der Prozess über 2024 hinaus fortgesetzt wird, obliegt den Beteiligten. Nicht angestrebt ist so etwas wie die Einrichtung eines „Weltparlaments“ oder einer „alternativen UNO“.
Vorversammlung
Dieses erste Treffen beginnt mit einer öffentlichen Veranstaltung am 14. Mai 2023, bei der die Teilnehmenden und der thematische Rahmen der Öffentlichkeit präsentiert werden. Ihr folgt vom 15. bis 17. Mai eine dreitägige Klausur in den Räumen der Evangelischen Akademie am Römerberg.
Anschließend werden die Ergebnisse der Öffentlichkeit präsentiert. Begleitet wird die Versammlung von einigen Schriftstellerinnen und Schriftstellern, die als „Chronist:innen“ daran teilnehmen und ihre Beobachtungen literarisch verarbeiten werden.
Regionaler Austausch
In der Zeit zwischen der Vorversammlung und dem großen Treffen im Frühjahr 2024 soll der Prozess durch regionale Aktivitäten auf verschiedenen Kontinenten fortgesetzt und verstetigt werden. Teils in Präsenz und teils in digitaler Form wird es um die Aufarbeitung der Ergebnisse aus der Vorversammlung, die Themen für das Treffen 2024 sowie die Auswahl von Teilnehmerinnen und Teilnehmern dafür gehen.
Veranstaltungsreihe in Frankfurt
Ebenfalls zwischen den beiden Versammlungen werden einige Themen bei öffentlichen Veranstaltungen in Kooperation mit hiesigen Institutionen (unter anderem Museen) vertieft. Dabei kann es zum Beispiel um die Gewährleistung von Rechten jenseits nationalstaatlicher Zugehörigkeit, um die Debatte über eigene Rechte der Natur oder um den Zusammenhang zwischen dem Recht auf Eigentum und Ausbeutung gehen.
Große Versammlung
An der Versammlung im Frühjahr 2024, der eigentlichen „Global Assembly“, werden etwa 100 bis150 Personen teilnehmen, wiederum aus aller Welt. Die Auswahl erfolgt nun weitgehend in den Herkunftsregionen selbst im Rahmen der geplanten regionalen Aktivitäten. Auch hier obliegt die Entscheidung über die genauen Inhalte und das Ergebnis zuallererst den Teilnehmer:innen.
Der Initiativkreis hegt nicht die Erwartung, dass die Global Assembly detaillierte Handlungsempfehlungen im Sinne einer „Weltverfassung“ verabschiedet. Gedacht ist eher an Kriterien und Visionen für eine globale Verwirklichung von Demokratie und Menschenrechten.
Organisation und Struktur
Die Idee zu der Globalen Versammlung ist im Rahmen der Initiative „Der utopische Raum“ entstanden, die seit 2019 in Frankfurt Vorträge und Diskussionen zu unterschiedlichen Themen organisiert. Diese Initiative stellt eine Kooperation der Stiftung medico international, des Instituts für Sozialforschung und der Frankfurter Rundschau sowie einiger Einzelpersonen dar.
Zur Vorbereitung der Versammlung hat sich ein erweiterter Initiativkreis gebildet.
Daneben entstand ein Trägerkreis aus Stiftungen und anderen Organisationen. Von folgenden Organisationen wird die Versammlung finanziell und/oder organisatorisch mitgestaltet:
Brot für die Welt, Friedrich-Ebert-Stiftung, Global Policy Forum, Heinrich-Böll-Stiftung, Institut für internationale Politik an der Universität Wien, Institute of Development and Postcolonial Studies an der Universität Kassel, medico international, Misereor, Reporter ohne Grenzen, Rosa-Luxemburg-Stiftung
Die Global Assembly ist Teil der Aktivitäten des „Netzwerks Paulskirche“, in dem sich Frankfurter zivilgesellschaftliche Initiativen zum 175. Jahrestag der Nationalversammlung zusammengeschlossen haben.
Weitere Informationen über die Global Assembly finden Sie auf der Website www.globalassembly.de.