Döpfner chattet: Ein Mann geht steil

Ist das Ende der Ära Döpfner bei Springer eingeläutet? Interne Chats rücken den Medienmanager weiter ins Zwielicht.
Frankfurt - Die „Bild“ politisiert publizistisch, das ist seit Axel Springers Tagen keine Neuigkeit. Aber Mathias Döpfner, der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer SE, tut mehr als das - er will die Macht des Konzerns nutzen, um Politik zu machen. Nicht nur mit der Schlagkraft seiner reichweitenstarken „Bild“, sondern auch mit dem Geld, das der Aufsteiger aus der Mittelschicht selbst in den Händen hält, als mittlerweile milliardenschwerer und politisch radikalisierter Günstling von Friede Springer.
Das ist das Bild, das Cathrin Gilbert und Holger Stark in der aktuellen „Zeit“ von Döpfner zeichnen. Und sie tun das auf der Grundlage interner Dokumente aus dem Springer-Haus und eigener Zugänge zum Thema. Gilbert hat 2021 ein Interview mit Döpfners früherem Bruder im Geiste, Ex-„Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt, geführt, das in der Medienbranche für einiges Aufsehen sorgte, weil es das erste Interview mit dem publizistischen Rechtspopulisten nach seinem Rausschmiss gewesen war. Reichelt, dem Machtmissbrauch und Affären mit Verlagsmitarbeiterinnen vorgeworfen wurden, hetzt mittlerweile in einem eigenen Youtube-Format gegen Einwanderer und Einwanderinnen, Gendern und alles, was er für links-grüne Ideologie hält. Die „Zeit“-Redakteurin Gilbert kennt Springer von innen und hat 2004 und 2005 bei der „Bild“ volontiert, damals hieß der Chefredakteur allerdings Kai Diekmann.
Kai Diekmann soll Matthias Döpfner zu schlapp gewesen sein
Laut „Zeit“ ist Diekmann Döpfner zu schlapp gewesen. „Kai hat ,Bild‘ aus Sehnsucht nach bürgerlicher Anerkennung zu politisch korrekt gemacht“, zitiert ihn die Wochenzeitung. Das könne auf Dauer nicht gutgehen. Reichelt sollte es richten und die Boulevard-Zeitung wieder zu einem Kampfblatt machen, so wie sie es einst noch unter Springer gewesen ist. Das allerdings bringt sowohl Döpfner als auch Reichelt in Erklärungsnot. Denn Springers Witwe Friede Springer ist Freundin von Angela Merkel und findet die Politik der früheren Bundeskanzlerin im Prinzip richtig, im Gegensatz zu ihren leitenden Mitarbeitern. „Döpfner hält Angela Merkel offenbar für irre oder gefährlich“, schreiben Gilbert und Stark. Für Rechtspopulisten war „Merkel“ mittlerweile zur Chiffre geworden für alles, was ihrer Meinung nach schlecht läuft in diesem Land.
Die Duzfreunde Reichelt und Döpfner sind sich da einig, nur widerwillig löst sich der Medienmanager von seinem Chefredakteur. Die „Bild“ ist seitdem auf der Suche nach der publizistischen Schlagkraft, wie sie sich Döpfner wohl erhofft. Zuletzt mussten die bisherigen Mitglieder der Chefredaktion, Johannes Boie, Alexandra Würzbach und Claus Strunz, gehen.
Matthias Döpfner chattet – und das erstaunlich schlicht
Gilbert und Stark zeichnen das Bild eines Mannes, der in Medienkreisen anerkannt war und auch noch ist, weil er die Springer-Marken radikal digitalisiert - und auch auf dem US-Markt expandiert mit Zukäufen wie „Politico“ und „Morning Brew“. Letztere Marke bringt reichweitenstarke Newsletter heraus, die für deutsche Produktentwicklungen als vorbildhaft gelten. Aber umso weniger passt der andere Döpfner dazu, der sich in den (privaten) Mails erstaunlich schlicht äußert. Seine Mutter habe ihn „immer vor den Ossis gewarnt“, schreibt er. „Die ossis sind entweder Kommunisten oder faschisten“, zitiert die „Zeit“ eine Nachricht. Auch sei er „sehr für den Klimawandel. Zivilisationsphasen der Wärme waren immer erfolgreicher als solche der Kälte.“
So hanebüchen solche Einlassungen sind: Bei der deutschen Parteipolitik mag er es handfester. „Kann man noch mehr für die FDP machen? Die sollten 16 Prozent mindestens machen“, fordert er vor der Bundestagswahl 2021. Deren Parteichef Christian Lindner, mit dem er sich durchaus gut versteht, müsse mutiger werden. Offenbar reicht der lange Arm Döpfners dann doch nicht so weit: Die FDP erzielte gerade einmal etwas mehr als elf Prozent.
Schlüsselroman über den Springer-Verlag von Stuckrad-Barre
Die Berichterstattung der „Zeit“ ist natürlich nur die Darstellung einer Seite. Aus Springer-Kreisen verlautete nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag als Reaktion, der Artikel bestehe aus „manipulativen SMS-Fetzen“.
Wie auch immer: Am Ende verselbstständigt sich das Bild von Mathias Döpfner ohnehin bald auf literarische Weise. „Noch wach?“ heißt das neue Buch von Benjamin Stuckrad-Barre, das am 19. April erscheinen und so etwas wie ein Schlüsselroman über den Springer-Verlag sein soll. Eben jener Stuckrad-Barre, der bis vor einiger Zeit noch SMS mit Döpfner ausgetauscht hat. Die Kontextualisierung erfolgt da also doch aus erster Hand. (Martin Benninghoff)