1. Startseite
  2. Kultur
  3. Gesellschaft

Maaßen und C.H. Beck: Aufstand der Aufrechten

Erstellt:

Von: Michael Hesse

Kommentare

C.H. Beck ist führender Verlag unter juristischen Titeln.
C.H. Beck ist führender Verlag unter juristischen Titeln. © imago

Polarisierende Debatte oder ein Brandbrief aus der Belegschaft? Zur Trennung von C.H. Beck und Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen.

Zaudern ist nicht nur ein Merkmal in der politischen Arena. Auch in der Verlagswelt gibt es dafür ein aktuelles Beispiel. Der juristische Fachverlag C.H. Beck soll sich dem Vernehmen nach erst nach massiver interner Kritik von dem ehemaligen Verfassungsschutz-Präsidenten Hans-Georg Maaßen als Autor getrennt haben. Über Wochen hinweg hatte der in München ansässige Verlag an dem schon seit langem umstrittenen CDU-Politiker festgehalten. Maaßen ist Mitautor in einem Online-Grundgesetz-Kommentar, dem „Epping/Hillgruber“, von C.H. Beck. Da es sich bei dem von ihm behandelten Kommentarteil um das Grundrecht auf Asyl handelte, war der Fall besonders brisant. Die Schriften des Verlages werden von Jura-Studierenden in ganz Deutschland für Prüfungen und Studien herangezogen, denn auf den Gebieten Recht, Steuern und Wirtschaft ist Beck für seine Fachbuch-Kompetenz bekannt.

Juristen, Juristinnen und auch Verbände zeigten sich dementsprechend entsetzt, als sie von Maaßens Mitwirkung in dem Band hörten, fällt er doch immer wieder durch Äußerungen auf, die ihn politisch weit rechts positionieren. Begonnen hatte die Diskussion über Beck und Maaßen bereits im Sommer 2022.

Einige Juristen sollen da bereits auf ihre Mitarbeit beim Verlag verzichtet haben. Auch der Bundesverband rechtswissenschaftlicher Fachschaften übte bereits vor Monaten Kritik am Festhalten an Maaßen. In München stieß man jedoch auf taube Ohren. Man wollte mit Maaßen weiter zusammenarbeiten, und noch im Januar soll dies auch intern deutlich gemacht worden sein. Laut dem ARD-Politmagazin „Kontraste“ gab es im hauseigenen Intranet den Eintrag, man stehe als juristischer Fachverlag „für eine pluralistische und freie wissenschaftliche Diskussionskultur, solange sich diese im verfassungsrechtlichen Rahmen“ bewege. Der Verlag arbeite, so hieß es weiter, ausschließlich mit Autoren und Autorinnen zusammen, die „auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen“.

Die Trennung von Maaßen soll erst durch einen internen Aufstand der Beschäftigten erfolgt sein, aus deren Sicht das Fass übergelaufen schien. Aus diesem Schreiben zitiert „Kontraste“ wie folgt: „Wir sind sehr besorgt – nicht nur um den Ruf des Hauses, sondern auch um unseren persönlichen Ruf. Es wird von Kolleginnen und Kollegen zum Teil angezweifelt, ob es für künftige Bewerbungen förderlich ist, wenn der Verlag C.-H.-Beck im Lebenslauf erwähnt wird“, heißt es darin. „Ist die Verlagsleitung weiterhin der Ansicht, dass die unseriösen rassistischen Äußerungen von Hans-Georg Maaßen in den Sozialen Medien rein privater Natur sind, wenn der Verlag dort explizit von ihm mit genannt wird?“

Der Verlag hat das auf FR-Anfrage nicht bestätigt, aber auch nicht dementiert. Man sehe sich zur Neutralität verpflichtet. „Diese Neutralität gebietet es auch, dass sich der Verlag nicht in die Auseinandersetzungen der Tagespolitik verstricken lässt“, teilte C.H. Beck der FR mit.

Zwar sei die Kommentierung von Maaßen im Beck-Online-Kommentar zum Grundgesetz „fachlich nicht zu beanstanden“. Es sei jedoch eine heftige Diskussion mit fortschreitender Polarisierung entstanden, „bei der sich die unversöhnlichen Positionen verselbstständigt haben. Diese schadet dem Grundgesetzkommentar, an dem Herr Dr. Maaßen mitwirkte, dessen Herausgebern und dem Verlag“. Man habe sich „daher entschlossen, unsere Möglichkeiten zu nutzen, den Verlagsvertrag mit Herrn Dr. Maaßen zu beenden. Daraufhin hat Herr Dr. Maaßen am 17. Januar 2023 diesen selbst gekündigt.“

Maaßen hatte durch Äußerungen auf Twitter wiederholt Nähe zur AfD erkennen lassen und so massive Kritik auf sich gezogen. In einem Interview sprach er von einem angeblichen Rassismus gegen Weiße. Erst kürzlich war er zum Vorsitzenden der Werteunion gewählt worden. In der CDU waren die Entgleisungen Maaßens als nicht mehr tragbar angesehen worden. Der Parteivorsitzende Friedrich Merz forderte ihn zum Parteiaustritt auf. Das CDU-Präsidium schloss sich dieser Forderung am Montag an und setzte Maaßen eine Frist.

C.H. Beck verfügt neben juristischer Fachkompetenz auch über einen geisteswissenschaftlich und kulturell orientierten Verlagsteil, der mit herausragenden Titeln immer wieder für Höhepunkte auf den Buchmarkt sorgt. Wie unterschiedlich beide Bereiche in dem traditionsreichen Haus sind, zeigte sich bei der Feier des 250-jährigen Bestehens des Verlages im Jahr 2013. Die beiden zu dieser Zeit aktiven Gesellschafter, die Brüder Hans Dieter Beck und Wolfgang Beck, konnten sich damals nicht über das Geschichtsbild des Hauses einig werden. Beide beauftragten Historiker, die sich mit der Geschichte des Verlages befassen sollten. Auf der Jubiläumsfeier auf der Frankfurter Buchmesse im Hessischen Hof wurde der Dissens dann für alle offensichtlich. Nicht nur die Brüder, auch die Historiker gerieten sich damals besonders über die NS-Zeit des Verlags in die Haare.

Auch interessant

Kommentare