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Heiße Städte in der Klimakrise: Lernen von den Wüstenländern

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Alles dient dem Zweck der Kühlung. Tuwaiq Palast Riad in Saudi Arabien.
Alles dient dem Zweck der Kühlung. Tuwaiq Palast Riad in Saudi Arabien. © Rashid & Ahmed Bin Shabib, Andreas Sütterlin

Die Ausstellung „Hot Cities“ widmet sich der Hitzebewältigung im Orient. Von Joseph Croitoru

Das Vitra Design Museum in Weil am Rhein gibt mit der Ausstellung „Hot Cities: Lessons from Arab Architecture“ wertvolle Denkanstöße für den architektonischen Umgang mit dem Klimawandel. Zahlreiche Beispiele aus arabischen Ländern veranschaulichen, wie dort seit Jahrtausenden der Hitze getrotzt wird.

Die kleine Gallery des Vitra Design Museums füllt eine arkadenähnliche Konstruktion, die an einen Innenhof denken lässt. Zugleich soll das mit sandfarbenen Stoffbahnen umhüllte Gerüst vor dem Hintergrund eines wandfüllenden Panoramafotos mit einer bergigen Wüstenlandschaft auch ein Zelt suggerieren. Für jeweils ein arabisches Land stehen 18 Nischen, in denen auf kleinen Tafeln die landesspezifischen Bauweisen zusammengefasst sind. Sie geben einen Eindruck davon, wie die Menschen in Arabien der oft extremen Hitze seit Jahrtausenden trotzen.

In die Stoffbahnen der Nischen sind Taschen eingenäht, die Kassetten mit Texten und Fotos enthalten. Die Besucherinnen und Besucher können sich an kleine Tische setzen und einen Einblick in die baulichen Strategien der Hitzebewältigung im Orient gewinnen – von altägyptischen Bauten bis hin zu den auch heute verbreiteten, „Riad“ genannten marokkanischen Hofhäusern. Wiederkehrende Elemente sind dicke Mauern und Wände aus dem besonders atmungsaktiven traditionellen Baumaterial Lehm, hohe Decken und schattige Innenhöfe, die für Kühlung sorgen.

Die Kuratoren, die Zwillingsbrüder Rashid und Ahmed bin Shabib, Ende 30, kommen selbst aus einem der heißesten Länder der Region. In ihrer Heimatstadt Dubai sind sommerliche Temperaturen von fast 50 Grad die Norm. Die beiden Brüder haben in Oxford nachhaltige Stadtentwicklung studiert und sich vor allem mit der reich bebilderten Kulturzeitschrift „Brownbook“, die sie seit 16 Jahren herausgeben, einen Namen gemacht. Ein Schwerpunkt der Publikation sind Städteporträts, die sich explizit auch mit den Eigenheiten der arabischen und nordafrikanischen Architektur befassen.

Den Kuratoren geht es darum zu zeigen, wie Natur, Klima und Architektur miteinander verwoben sind und in welchem Verhältnis Architektur und Ökologie zueinanderstehen. Wie Rashid bin Shabib im Gespräch erklärt, resultiert ihr Interesse auch aus der eigenen Biografie: „Wir sind ja in einem heißen Klima aufgewachsen und leben inmitten unserer Familien mit den traditionellen Festen, wie Ramadan, wo sich das Leben drinnen und draußen abspielt. Das ist Teil unserer Identität, und damit aufgewachsen zu sein, hat uns inspiriert.“

Aus der umfangreichen Dokumentation ihrer Zeitschrift „Brownbook“ schöpfte schon 2017 eine Ausstellung im Vitra Design Museum über den Wandel arabischer Städte. 2021 erregten die Shabib-Brüder mit ihrem Beitrag zu dem mit dem Goldenen Löwen ausgezeichneten Pavillon der Vereinigten Arabischen Emirate auf der Biennale in Venedig international Aufmerksamkeit. Der Pavillon machte auf die ökologischen Vorteile des Salzbetons aufmerksam und Ahmed und Rashid bin Shabib hatten dazu eine aufwendige Buchdokumentation beigesteuert. Sie klärt über das komplexe Umweltphänomen der „Sabkhas“ (Salzseen) am Golf auf, aus denen Salzsole gewonnen wird.

Ihre jetzige Ausstellung in Weil am Rhein verstehen die beiden Stadtforscher als ein mobiles Archiv, das sie auch in England und in den arabischen Ländern zu zeigen hoffen. Eine leise Anregung für die hiesige Baukultur liefern sie etwa mit einem kleinen Modell aus Lehm: Das Dach des von Frank Gehry gestalteten Ausstellungsraums der Vitra Design Museum Gallery ist hier mit zwei Windtürmen versehen, wie sie in der Architektur am Golf traditionell zur Kühlung eingesetzt werden.

Ziel der Ausstellung, wie Rashid bin Shabib betont, „ist es aber nicht, Handlungsanweisungen zu geben oder Lösungen vorzuschreiben. Wir wollen den Menschen die Möglichkeit geben, diese verschiedenen Themen auf vielfältige Weise zu erleben, so dass sie sich damit auseinandersetzen und davon lernen können.“

Museumsdirektor Mateo Kries sieht durchaus potenzielle Lerneffekte, und das nicht nur beim Thema Innenhöfe und dem Baumaterial Lehm. Es geht ihm auch um Horizonterweiterung und die kritische Reflexion eines hierzulande verbreiteten „Gefühls der Überlegenheit“, mit dem auf den Globalen Süden und seine Architekturen geschaut werde. Die Ausstellung, so Kries, präsentiere eine Bauweise, die der unseren etwas voraushabe: „Wir haben gebaut mit Beton, mit Hi-Tech. Das sind anfällige Lösungen, das sind oft auch Lösungen, die klimatisch wirklich bedenklich sind. Und hier haben wir eine Architektur, die uns zeigt, wie wir zu einem natürlichen Umgang mit klimatischen Veränderungen zurückkommen können.“

Vitra Design Museum, Weil am Rhein: bis 5. November. Ein Katalog ist in Vorbereitung. www.design-museum.de

Bau mit Gitterfenster.
Bau mit Gitterfenster. © Vitra Design Museum
Kikuma Watanabe, Community Center, Jordanien
Kikuma Watanabe, Community Center, Jordanien © Vitra Design Museum
Sheikh Saeed Al Maktoum House in Dubai, Emirate.
Sheikh Saeed Al Maktoum House in Dubai, Emirate. © Vitra Design Museum

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