Feiern zur Revolution von 1848 – Die List der Vernunft im Rücken der Zeit

Die Revolution von 1848 verfehlte ihre Ziele, dennoch profitieren wir heute von ihr.
Karl Marx ließ in Europa ein Gespenst umgehen, das sich Kommunismus nannte. Kurze Zeit später kommt es wie von Zauberhand zu einem Umsturz, der Europa verändert – und der am 18. Mai Anlass für eine große Feier in Frankfurt sein wird: Am 24. Februar 1848 wird in Paris nach 1789 zum dritten Mal Revolution gemacht. Die Welt hält den Atem an. Die Monarchie wird gestürzt und die Republik ausgerufen. Die Dämme, die 1815 von den konservativen Monarchien errichtet worden waren, halten nicht mehr. Die Menschen wenden sich gegen die Willkürherrschaft des errichteten Deutschen Bundes. Schon seit Beginn der 1840er Jahre wuchsen die Unzufriedenheiten, Missernten begünstigten das revolutionäre Klima, bis das Feuer der Revolution in Paris ausbricht. Und endlich springt der revolutionäre Funke – anders als 1789 – auch über den Rhein.
Es ist ein europäisches Großereignis, die erste und einzige europäische Revolution. Nicht die Revolution, die Marx anstrebte, es ist ein Aufstand des Bürgertums. Ob die Umstürze in Osteuropa, die den Kalten Krieg beendeten, damit vergleichbar sind, ist umstritten. 1848 beginnen in den vierunddreißig deutschen Staaten und vier freien Städten Aufstände gegen die herrschenden Polizei- und Militärmonarchien.
Auch in deutschen Ländern werden Forderungen nach Gleichheit, mehr Freiheit und Demokratie laut: Es soll direkte, allgemeine Wahlen geben, die Republik wird gefordert, ebenso eine freiheitliche Verfassung mit Grundrechten, Gewaltenteilung und sozialem Ausgleich. In ganz Europa erfolgt der Ruf nach Verfassungen, nach Versammlungs- und Pressefreiheit, nach Wahlrechtsreformen oder Bürgerwehren. Je nach geografischem und kulturellem Kontext werden unterschiedliche Vorstellungen und Forderungen erhoben.
Es war nicht das eine Thema, das die Revolutionen beherrscht habe, schreibt der Historiker Christopher Clark in seinem soeben auf Englisch erschienenen Buch „Revolutionary Spring“. Es sei eine Vielzahl von Fragen – in Bezug auf Demokratie, Repräsentation, soziale Gleichheit, Arbeitsorganisation, die Beziehung zwischen den Geschlechtern, die Religion, Formen der Staatsmacht – und eine noch größere Vielzahl von konkurrierenden Antworten gewesen, betont er.
Deutscher Sonderweg
Die Revolution ist eine Zeitungsrevolution, die Nachrichten von den Aufständen in dem einen Land inspirieren die revolutionären Geister auch in anderen Monarchien. Die sich verbreitenden Gerüchte von neuerlichen Aufständen machen den Revolutionären Mut. Es herrscht allgemeine revolutionäre Ansteckungsgefahr in Europa. In der Paulskirche wird über eine neue Zeit diskutiert. Es ist der Beginn eines dramatischen Kampfes für jene Werte, auf denen unser heutiges freies Leben fußt. Für die scheinbar selbstverständlichen Grundlagen unseres Gemeinwesens lassen viele Menschen ihr Leben. 1848 ist ein Lehrstück der Geschichte. Radikale streben nach sozialer Gleichheit und politischer Partizipation, Konservative kämpfen um den Status quo.
Die einen treten für eine „demokratische Bundesrepublik“ ein, sie wollen das Neue, Fortschrittliche. Die anderen, „die Konstitutionellen“, wollen eine reformierte Monarchie. Sie verhindern später gemeinsam mit den Fürsten die Revolution. Überall brechen Kleinkriege aus, es kommt zu zahlreichen Exekutionen.
1848 verwandelt die Welt. Länder wie Großbritannien oder Frankreich schaffen in den Kolonien die Sklaverei ab. Ist 1848 eine Geschichte des Scheiterns? Vielleicht. Aber dann im Sinne des Scheiterns, das als Anfang der Veränderung und der viel später entstandenen Demokratien verstanden werden muss, sagen die einen. Die anderen verweisen auf Bismarck und den Machtstaat, das Deutsche Reich, das zwei Weltkriege maßgeblich mit zu verantworten hat.
Aber vielleicht hat am Ende doch die List der Vernunft gesiegt, die der Philosoph Hegel so oft betonte. Hinter dem Rücken der Zeit setzten sich schließlich doch die Ideen von 1848 durch.