Entschuldigung des Springer-Chefs: Der Popanz des Mathias Döpfner

Die Entschuldigung des Springer-Chefs nach der Kritik an den veröffentlichten Chatnachrichten ist scheinheilig.
Frankfurt/Berlin – Eigentlich will ich schon lange meinen Keller aufräumen. Aber ich tue es nicht, weil es mir nicht so wichtig ist – und ich andere Prioritäten setze. „Eigentlich“ sei auch „eine Entschuldigung fällig, Chef“, hatte Bild-Chefredakteurin Marion Horn von ihrem Vorgesetzten, Springer-Chef Mathias Döpfner, nach dessen Chat-Tiraden verlangt. Über die hatte die Zeit berichtet und auch die Frankfurter Rundschau im Nachgang.
Der Bitte ist Döpfner nachgekommen – mit einer Entschuldigung, die eigentlich alles andere als eine Entschuldigung ist. Sie ist – ganz uneigentlich – scheinheilig.
Die „Entschuldigung“ von Döpfner: Am Ende will er selbst das Opfer sein
Aber der Reihe nach. „Ich bitte um Entschuldigung dafür, dass ich mit meinen Worten viele gekränkt, verunsichert oder verletzt habe“, schreibt Döpfner in seiner Antwort auf Horns Forderung und nennt als Beispiel seine Verunglimpfung Ostdeutscher als „Kommunisten oder Faschisten“. Das sei verletzend, zumal es „die Ossis“ nicht gebe.
Döpfners Beispiel der Ostdeutschen ist wohlgewählt. Marion Horn hatte es explizit genannt („Mir gefällt das auch nicht“), womöglich mit Blick auf die Unruhe in der eigenen Redaktion, wo Ostdeutsche arbeiten – und mit Blick auf die Leserschaft in den östlichen Bundesländern. Sodann identifiziert sich Döpfner allerdings selbst als Opfer, weil er sich nicht vorstellen wolle, dass jemand Chat-Nachrichten, die „ins Unreine“ getippt seien, weitergeben könne. Das ist natürlich für Deutschlands bekanntesten Medienprofi eine erstaunliche Erkenntnis, dass geschriebene Nachrichten an die Öffentlichkeit gelangen können.
Was sich im Grunde nur in den ersten beiden Absätzen als ernstzunehmende Entschuldigung präsentiert, kippt im Verlauf in eine selbstgerechte Rechtfertigung, die zwei Zielgruppen adressiert: Zum einen sollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Bild beruhigt werden. Zum anderen die Fans von Klartext-Döpfner, dem es nicht immer gelinge, „private Nachrichten im korrekten Ton zu schreiben“.
Axel-Springer-Chef Döpfner und dessen Chats: Die angebliche Lehre
„Korrekt“ ist eine Chiffre im Werkzeugkasten der rechten Kampfbegriffe für alle, die hinter jedem Baum „Cancel Culture“ und „politische Korrektheit“ wittern. Dazu passt dann auch Döpfners letzter Satz zu seinen angeblichen Lehren aus dem Fall, die so gar nicht nach Reflektion und Entschuldigung klingen. Eine davon bleibe die „Idee von der ‚Gedankenfreiheit‘“, schreibt der frühere Feuilletonist.
Als solcher hätte er analysieren müssen: Die „Gedankenfreiheit“ ist in diesem Zusammenhang ein Popanz. Denn wer wollte ihm dieses Recht nehmen, das auch in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen verbrieft ist? Darum geht es ihm nicht. Seine Fans, die stets Zensur und Obrigkeitsstaat fürchten, werden die Anspielung verstehen – und Döpfner trotz allem als Kämpfer für die Meinungsfreiheiheit feiern. Alle anderen werden sich wundern über diese Entschuldigung, die eigentlich keine ist. (Martin Benninghoff)