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Entschädigung: Hohenzollern machen Rückzieher – Denk’ ich an Preußen in der Nacht

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Von: Michael Hesse

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Der Berg ist überschritten, sagte einst Friedrich der Große. Stammsitz der Hohenzollern in Hechingen.
Der Berg ist überschritten, sagte einst Friedrich der Große. Stammsitz der Hohenzollern in Hechingen. © Westend61/Imago

Ende eines unwürdigen Spektakels: Die Hohenzollern verzichten auf Entschädigung.

Gegen Demokraten helfen nur Soldaten“, kaum ein Satz sagt mehr über die Hohenzollern aus, als dieser Spruch von König Friedrich Wilhelm IV.. Er äußerte ihn im Jahr 1849, am Ende einer der wenigen Revolutionen in Deutschland für Freiheit und Demokratie. In diesem Jahr wird die 1848er Revolution besonders in Frankfurt gefeiert. Preußen steht zwar auch für eine große Kultur, für herausragende Denker und große Kunst, doch vor allem war es den Hohenzollern zu verdanken, dass in der Mitte Europas ein militaristisches Reich aus Blut und Eisen geschmiedet wurde, das letztlich zwei Weltkriege zu verantworten hatte.

Für die meisten Deutschen schien das Haus Hohenzollern in der Bedeutungslosigkeit versunken zu sein, umso mehr zeigte sich die Öffentlichkeit überrascht, als Georg Friedrich Prinz von Preußen mit Bund und Ländern über Kunstwerke stritt, die seiner Meinung nach der Familie gehören. Am Donnerstag gab er bekannt, dass er diese Ansprüche aufgibt, auch um eine unbelastete Debatte zu ermöglichen. Die Klagen in zwei Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Potsdam werde er zurückziehen, sagte der 46-Jährige am Rande einer Historikerdiskussion um die Rolle seiner Familie im Nationalsozialismus in Berlin.

In dem Verfahren ging es um rund 4000 Kunstwerke. Sie sollen sich in Liegenschaften der Hohenzollern in der damaligen sowjetischen Besatzungszone befunden haben. Sie seien im Zeitraum von 1945 bis 1949 ohne Gerichtsurteil enteignet worden. Das Land hatte eine Entschädigung auf Basis des Einigungsvertrags abgelehnt. Dagegen klagten die Hohenzollern. Es geht um 1,2 Millionen Euro. Gesetzlich ist die Regelung eindeutig: Wer dem NS-System „erheblichen Vorschub geleistet hat“, erhält keinen Ausgleich. Hierbei ist die Rolle von Wilhelm Kronprinz von Preußen (1882-1951) entscheidend.

Die Gespräche ruhten, nachdem Brandenburg einen seit 2015 laufenden Prozess um enteignete Immobilien wie das Schloss Rheinsberg, das Krongut Bornstedt und etliche Villen in Potsdam wieder aufgenommen hat. Brandenburg hatte eine Entschädigung auf Basis des Einigungsvertrages abgelehnt. Dagegen hatten die Hohenzollern geklagt. Auch um das Inventar aus den Schlössern Rheinsberg und Cecilienhof in Potsdam ging es in einer zweiten juristischen Runde.

An die Forderung der Hohenzollern schloss sich unmittelbar die Frage nach der Kollaboration mit den Nationalsozialisten an. Sie beschäftigte namhafte Historiker und Kenner der NS-Zeit sowie der preußischen Geschichte. Hierzu zählte etwa Christopher Clark, der mit seiner Monografie „Die Schlafwandler“ nicht nur den Nerv der deutschen Leserschaft getroffen hatte, weil er auch die Beteiligung der anderen Mächte außer Deutschland am Beginn des Ersten Weltkriegs hervorgehoben hatte.

Clark hatte schon zuvor mit einem Buch auf sich aufmerksam gemacht, das schlicht den Titel trug: „Preußen“. Darin würdigte er die Leistungen des untergegangenen Teils der deutschen Geschichte, der bei vielen Historikern wie Hans-Ulrich Wehler verhasst war. Clark war es dann auch, der für die Hohenzollern ein günstiges Gutachten zu der Frage erstellte, ob Kronprinz Wilhelm den Nationalsozialisten „erheblichen Vorschub“ geleistet hatte. Der australische Historiker hatte diese Frage verneint. Doch vor zwei Jahren gab es bei ihm eine Kehrtwende, „da die Forschungen ein viel nuancierteres Bild geben“, sagte Clark.

Die öffentliche Debatte hatte da längst Fahrt aufgenommen. Berichte von den und über die Hohenzollern wurden mit hoher Aufmerksamkeit des lesenden Publikums bedacht. Das Buch des Historikers Stephan Malinowski, „Die Hohenzollern und die Nazis“, avancierte sogar zum Spiegel-Bestseller.

Entlastet sahen sich die Hohenzollern auch durch die Darlegungen des Historikers Wolfram Pyta. Insgesamt gab es vier Gutachten über die Hohenzollern. Während Pyta und Clark die Familie entlasteten, hielten Malinowski und Peter Brandt dem Kronprinzen eine erhebliche Mitschuld am Aufstieg Hitlers vor.

Clark begründete seinen Sinneswandel mit der Lektüre eben jenes Buches von Malinowski, der an der University of Edinburgh Geschichte lehrt. Er besprach dessen Buch eigens in der „Zeit“ und wurde durch die Lektüre eines Besseren belehrt. „An Preußen scheiden sich die Geister“, erklärte Malinowski, der vom Sprecher der Hohenzollern wegen seiner Äußerungen mehrfach verklagt wurde. Die Geschichte Preußens führe sicherlich nicht direkt in den Nationalsozialismus, aber auch das vereinfachende Bild von Friedrich dem Großen treffe es nicht. Für ihn war klar: Die Hohenzollern wollten Demokratie und Parlamentarismus nicht. In seinem Buch legte er umfassend und grundlegend dar, welche Rolle sie beim Aufstieg der Nazis gespielt hatten. Er wies die tiefe rechte Überzeugung des früheren Kronprinzen nach wie auch die anderer Akteure. Am Ende steht der kaiserlich-nationalsozialistische Schulterschluss.

Malinowski schildert in seinem Buch auch die Erschütterung, welche die Flucht der Hohenzollern am Ende des Ersten Weltkriegs im deutschen Adel ausgelöst hatte, man sah im Türmen von Kaiser Wilhelm II., dem Kronprinzen und anderen einen einzigen Akt der Feigheit. Die Gretchenfrage, wie Wilhelm von Preußen als Kronprinz zum Systemwechsel 1933 stand, zeigte sich laut Malinowski in dessen Schreiben vom 17. März 1933 an die Verwalter seiner schlesischen Güter. Darin heißt es, dass er, Wilhelm, „den Zusammenschluss aller nationalen Kräfte, die sich in der schwarz-weiß-roten Front und der nationalsozialistischen Bewegung als Einheitsfront verkörpern“, begrüße. Er verlangte von allen in seinem Dienst stehenden Personen im Sinne dieser nationalen Ideen vollen Einsatz.

Die Aussage lässt keine Zweifel zu. Selbst Georg Friedrich Prinz von Preußen räumte am Donnerstag ein, dass Kronprinz Wilhelm zeitweise mit den Nationalsozialisten sympathisiert habe.

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