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Zufallsfund vor Tasmanien

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Als das Schiff Schlagseite bekommt, retten sich die zehn Mann an Bord auf ein Floß. Queen Victoria Museum
Als das Schiff Schlagseite bekommt, retten sich die zehn Mann an Bord auf ein Floß. Queen Victoria Museum © Queen Victoria Museum

Als der Frachter „Blythe Star“ im Oktober 1973 sinkt, sieht es so aus, als hätte niemand das Unglück überlebt. Die Entdeckung des Wracks weckt nun in Australien die Erinnerung an ein kleines Wunder.

Eigentlich wollte ein australisches Forschungsteam einen Erdrutsch unter Wasser näher untersuchen. Doch während ihrer Expedition stießen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf ein Schiff, das 1973 auf der Fahrt von Hobart, der Hauptstadt der australischen Insel Tasmanien, zur benachbarten King Island sank. Die Suche nach der „Blythe Star“ und ihrer zehnköpfigen Crew war damals die größte Rettungsaktion auf See gewesen, die Australien zu diesem Zeitpunkt je unternommen hatte.

Der Frachter war am 13. Oktober 1973 auf einer Routinefahrt gewesen, um Dünger und Bierfässer zu liefern, als er Schlagseite bekam und kenterte. Möglicherweise war das Schiff überladen. Nachdem es nicht wie geplant nach zwei Tagen ankam, wurde am dritten Tag Alarm ausgelöst und eine Suche in die Wege geleitet. Die Aktion blieb aber erfolglos und wurde nach einer Woche wieder eingestellt. Man ging davon aus, dass die Crew ums Leben gekommen sei.

Doch die zehn Besatzungsmitglieder waren nicht mit ihrem Schiff untergegangen. Sie hatten sich auf ein aufblasbares Floß retten können. Michael Doleman war damals das jüngste Crewmitglied und ist heute mit 68 Jahren der letzte verbleibende Überlebende der Mannschaft. Als das Schiff zu sinken begann, hatte er geschlafen. „Als ich an der Seite des Schiffes stand – ohne Schwimmweste, mit Badehose, eiskalt – war es eine sehr beängstigende Erfahrung“, berichtete er dem australischen Sender „ABC“.

Das Einzige, was die Besatzung noch hatte, war etwas Wasser aus der Dose, trockene Kekse, Leuchtraketen, zwei Ruder und einen kleinen Eimer zum Auffangen von Wasser. Obwohl die Küste nah war, konnten die Männer sie mit dem Floß nicht erreichen: Das Meer war zu rau, im Wasser tummelten sich Haie und zu einem Zeitpunkt auch Killerwale. Nach etwa drei Tagen auf See starb der zweite Ingenieur John Sloan. Er hatte lebenswichtige Medikamente an Bord der „Blythe Star“ zurücklassen müssen.

Nach acht Tagen auf dem Meer gelang den inzwischen nur noch neun Überlebenden schließlich die Landung an der Deep Glen Bay auf Tasmanien. Doch damit sollte die Tortur noch nicht vorbei sein. Innerhalb von zwölf Stunden nach der Landung starben der erste Offizier Ken Jones und der Chefingenieur John Eagles an Unterkühlung und Erschöpfung.

Die Stärksten der Gruppe, darunter Michael Doleman, beschlossen schließlich, Hilfe zu holen. Nachdem sie sich zwei Tage lang die Klippen hinauf und durch abgelegenes Buschland gekämpft hatten, stießen die drei Männer auf einen Forstweg und konnten einen Lastwagenfahrer anhalten, der sie in die nächste Stadt brachte. Letzterer wollte seinen Augen nicht trauen und sagte zur Gruppe: „Nein, ihr seid doch alle tot.“ Die anderen Überlebenden wurden schließlich per Helikopter von der Küste zurück in die Zivilisation geholt.

Das Wrack des Schiffes blieb trotz einer umfangreichen Suche verschollen. Erst am Montag bestätigten Wissenschaftler:innen der australischen Forschungsagentur CSIRO und der University of Tasmania in einer Pressemitteilung, das Wrack in 150 Metern Tiefe vor Tasmanien geortet zu haben – 50 Jahre nach dem Unglück. Um sicherzustellen, dass es sich um die „Blythe Star“ handelte, manövrierten sie Unterwasserkameras vom Heck zum Bug des Wracks und suchten nach Merkmalen. Sie verglichen die Bilder mit historischen Fotos der „Blythe Star“. Abmessungen und Profil passten. Eindeutig konnte das Schiff letztlich identifiziert werden, nachdem ein Teil des Namens – „STAR“ – am Bug auftauchte.

Der Überlebende Doleman flog nun nach Hobart, um sich die Unterwasseraufnahmen anzusehen. „Als ich hörte, dass sie es gefunden haben, war ich einfach überwältigt“, sagte er der „ABC“. „Im Großen und Ganzen war es ziemlich intakt, besonders der Propeller und das Ruder.“ Das Wrack selbst ist mit Algen- und Seegrasbewuchs bedeckt, das Heck ist beschädigt und das Steuerhaus fehlt. Flusskrebse, Fischschwärme und Pelzrobben wurden beim Schwimmen um das Wrack herum gefilmt.

Tragödien wie die der „Blythe Star“ führten zu etlichen Verbesserungen in der Schifffahrt: Beispielsweise wurde ein Seepositionsmeldesystem eingeführt und die Sicherheit auf See so erheblich gefördert.

Kaum zu erkennen: die Buchstaben „Star“. csiro
Kaum zu erkennen: die Buchstaben „Star“. csiro © Csiro

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