Polen: „Unsere Reformen gefährden die Unabhängigkeit der Justiz nicht“

Polens Europaminister Szymon Szynkowski vel Sek sieht die Rechtsstaatlichkeit in seinem Land gesichert und wirft der EU Respektlosigkeit vor.
Herr Szynkowski vel Sek, Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat in seiner Europarede in Heidelberg die Rolle der Nationalstaaten stark betont. Will Polen wirklich zurück zu einem „Europa der Vaterländer“ im Geiste von Charles de Gaulle?
Wir wollen die europäische Zukunft auf der Idee des Nationalstaats bauen. Die Staaten sollen kooperieren, aber auf Basis ihrer jeweiligen nationalen Identitäten. Die europäische Integration ist in einigen Bereichen zu weit gegangen, nicht alles muss gleich sein in ganz Europa. Am wichtigsten sind Freiheit, Solidarität und das Recht der Nationalstaaten auf eigenständige Gestaltung ihrer internen Belange.
Aber Rechtsstaatlichkeit gehört zu den Grundpfeilern der Europäischen Union, und diese Rechtsstaatlichkeit sieht die EU-Kommission in Polen gefährdet.
Wenn die Regierung in demokratischen Wahlen das Mandat für eine Justizreform erhält, soll Brüssel sie aus unserer Sicht nicht stoppen können. Unsere Reformen gefährden die Unabhängigkeit der Justiz nicht, die Lösungen, die wir einführen, sind ähnlich zu diejenigen die seit langem in anderen Staaten funktionieren, auch in Deutschland.
Es gibt aktuell eine Reihe von strittigen Punkten zwischen Deutschland und Polen. Polens geplanter Einstieg in die Atomenergie trifft auf deutscher Seite auf Sorgen und Vorbehalte, ebenso der geplante Containerhafen vor Swinoujscie, der Auswirkungen auf den Tourismus auf Usedom haben würde. Der von Polen geplante Oder-Ausbau wurde durch ein Urteil des obersten Verwaltungsgerichts in Warschau gestoppt – nach Klagen deutscher Umweltverbände. Führt Umweltschutz zu diplomatischen Verwicklungen?
Wir befürchten, dass Deutschland ökologische Argumente vorschiebt, um andere Interessen zu verfolgen und wichtige polnische Infrastrukturprojekte zu behindern. Wir erwarten Respekt für unsere Entscheidungen. Was die Oder angeht: Uns geht es um Schiffbarkeit, aber auch um Hochwasserschutz. Wir werden unsere Pläne nach dem Gerichtsurteil überprüfen und sehen, wie sie sich weiter verfolgen lassen.
Ministerpräsident Morawiecki hat zudem bekräftigt, dass Polen Reparationen für die Zerstörung und die Gräueltaten während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg verlangt. Das belastet die Beziehungen weiter, warum bestehen Sie so darauf?
Auch nach fast 80 Jahren ist diese Frage nicht gelöst. Wir können dieses Problem nicht länger verschweigen. Wir können nicht über Versöhnung sprechen ohne Wiedergutmachung.
Polen hat der Ukraine MiG-29-Kampfflugzeuge versprochen. Einige davon stammen aus Beständen der Luftstreitkräfte der ehemaligen DDR. Polen hält sie nun zurück. Wie geht es weiter?
Polen und die Slowakei wollen mit der Zusage, MiG-29-Kampfflugzeuge an die Ukraine zu liefern, mit gutem Beispiel vorangehen. Auch andere Staaten sollen unserem Beispiel folgen und Flugzeuge schicken. Für uns ist die Hauptsache, der Ukraine schnell zu helfen. Deutschland konzentriert sich manchmal sehr auf Formalia und das Prozedere als auf konkrete Aktionen.
Was wünschen Sie sich bei der Unterstützung der Ukraine noch von Deutschland?
Weniger Zögern, mehr klare Entscheidungen. Deutschland wirkt auf uns manchmal wie ein zögerlicher Hamlet. Deutschland muss sich klar auf die Seite des Guten stellen, nicht nur mit Worten, sondern auch mit mehr Taten!