Unschöne Entdeckung

James Cook hat mit der „Endeavour“ die Weltmeere durchkreuzt. Während um das Wrack des legendären Segelschiffes ein Streit tobt, macht sich der Schiffsbohrwurm über die wertvollen Überreste her
Nicht nur der Zahn der Zeit nagt am Wrack der berühmten „Endeavour“ – jenem Schiff, mit dem Kapitän James Cook im April 1770 in Australien landete. Wie der Meeresbiologe Reuben Shipway jüngst verkündete, macht sich auch der Schiffsbohrwurm an den alten Planken zu schaffen. Die auch als „Termiten der Meere“ bezeichneten Muscheln hätten den historisch bedeutsamen Überresten, die vor Rhode Island an der Küste der USA am Meeresgrund liegen, bereits ordentlich zugesetzt.
Die Entdeckung hat Shipway gemacht, als er zu dem Wrack hinabgetaucht sei. Bei seinem Tauchgang musste er feststellen, dass die die Würmer dabei sind, sich durch das Holz zu fressen. „Das bedeutet, dass eines der wichtigsten Wracks der Menschheitsgeschichte direkt vor unserer Nase zerstört wird“, sagte der Forscher, der an der University of Plymouth lehrt, dem „Boston Globe“.
Damit würde ein kulturelles Erbe zerstört, das Großbritannien mit Australien und den USA verbinde, so der Forscher. Die „Endeavour“, mit der Cook einst den fünften Kontinent entdeckt und sogleich für die britische Krone beansprucht hatte, war während des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges 1788 im Hafen von Newport versenkt worden.
Ein Befall mit Schiffsbohrwürmern ist eine ernste Angelegenheit. Die Tiere, die wie Würmer aussehen, aber zu den Muscheln gehören, fressen sich in das Holz von Schiffen oder Holzstrukturen wie Bootsanleger und legen mit Kalk ausgekleidete Gänge an. Im Falle des Schiffswracks vor Rhode Island soll es sich um die Art Teredo Navalis handeln. Letztere gilt als „Weltenbummler“, der sich sowohl in warmen Tropengewässern wie auch in kühleren Gefilden wohlfühlt. Er soll eine besonders zerstörische Art unter den Bohrwürmern sein. Laut Shipway wäre es deswegen dringend notwendig, sich um das Wrack zu kümmern und Ressourcen und Mittel aufzubringen, um es zu schützen.

Doch letzteres wird dadurch behindert, dass das Wrack zu einem Zankapfel unter Archäolog:innen geworden ist. So meldete das Australian National Maritime Museum (ANMM) im Februar, dass Fachleute eindeutig bestätigt hätten, dass es sich bei den Überresten vor Rhode Island in den USA um das Wrack der „Endeavour“ handele. Größe, strukturelle Details und die Form der gefundenen Teile würden passen, hieß es. Zudem würden Holzproben darauf hindeuten, dass das Schiff in Europa und nicht in Amerika gebaut worden sei.
In den USA wurde die Meldung dagegen mit Empörung aufgenommen. Das Rhode Island Projekt für Meeresarchäologie (Rimap) veröffentlichte als Reaktion ein Statement, in dem es die australische Bekanntgabe als „verfrüht“ bezeichnete. Rimap sei seit jeher die federführende Organisation für die Studie im Hafen von Newport gewesen, hieß es darin. An einer Stelle sprachen die US-amerikanischen Fachleute sogar von einem „Vertragsbruch“ der Australier.
Das, was man am Fundort des Schiffswracks sehen könne, stimme zwar tatsächlich mit dem überein, was man von der „Endeavour“ erwarte. Das gestanden auch die US-amerikanischen Archäolog:innen ein. Doch ihrer Meinung nach ist die Beweislage nicht eindeutig genug. Es gebe nach wie vor viele unbeantwortete Fragen. Im gleichen Atemzug kündigte das Rimap-Team einen eigenen Bericht an – sobald „ein angemessener wissenschaftlicher Prozess abgeschlossen“ sei, der nicht von „australischen Emotionen oder Politik“ bestimmt sei, wie es hieß.

Auch Rimap ist davon überzeugt, dass die „Endeavour“ in der Region liegt. Doch welches der insgesamt 13 Schiffe, die an neun Standorten in der Region gefunden wurden, Cooks Schiff ist, darauf wollten sich die US-amerikanischen Fachleute bisher nicht festlegen lassen. Ihr Bericht wird aber in Kürze erwartet.
Der britische Marineoffizier James Cook hatte das Kommando der „Endeavour“ 1768 übernommen. Cook war damals für seine Navigationsfähigkeiten in ganz Großbritannien geschätzt. Sein offizieller Auftrag lautete, den Durchgang der Venus durch die Sonne auf Tahiti zu beobachten und den noch immer sagenumwobenen Südkontinent zu finden, der das logische Gegengewicht zur Landmasse im Norden bilden würde. Nachdem er Plymouth im August 1768 verließ, segelte er zunächst durch die Pazifikinseln, bevor er im September 1769 in Neuseeland ankam. Als er schließlich im April 1770 im Osten Australiens landete, nahm er das Land für die britische Krone in Anspruch.
1775 wurde die „Endeavour“ schließlich verkauft und in „Lord Sandwich“ umbenannt. Während des US-amerikanischen Unabhängigkeitskrieges kam das Schiff als britischer Truppentransporter zum Einsatz und wurde 1778 in einer Blockade vor Rhode Island schließlich versenkt. Ein Nachbau der „Endeavour“ wird im Australian National Maritime Museum in Sydney ausgestellt. Außerdem befindet sich ein Bild des Schiffes auf der neuseeländischen 50-Cent-Münze. Auch das Nasa-Raumschiff „Endeavour“ wurde nach dem Schiff Cooks benannt.