Tokajew zementiert seine Macht

Nach der Wahl in Kasachstan herrscht Frust bei der Opposition, Präsident Kassym-Schomart Tokajew kann weiter durchregieren. Sind demokratische Reformen noch realistisch?
Nach dem Wahlsieg des amtierenden Präsidenten Kassym-Schomart Tokajew (69) mit mehr als 80 Prozent der Stimmen sehen Expert:innen Kasachstan weiter im Spannungsfeld zwischen Reformen und autoritärem Präsidialsystem. Die fünf Gegenkandidat:innen erreichten am Sonntag nur zwischen 2,1 und 3,4 Prozent.
„Die anderen Kandidaten waren völlig chancenlos, weil sie niemand kannte“, sagt Beate Eschment, Zentralasienexpertin vom Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien in Berlin, im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Zudem seien sie zeitlich von den um mehrere Monate vorgezogenen Neuwahlen völlig überrumpelt worden. „Mit seiner Wahl für nunmehr sieben Jahre hat Tokajew seine Macht zementiert; wie und ob die demokratischen Reformen weitergehen, muss man sehen“, sagte Eschment.
Den geringen Stimmenanteil für die Gegenkandidat:innen führt sie auch darauf zurück, dass die Wähler:innen sich bewusst waren, dass diese Stimmen verloren sind. Protest sei auf dem Stimmzettel durch das Feld „Gegen alle“ zum Ausdruck gebracht worden. Hier kreuzten 5,8 Prozent an. Während die Wahlbeteiligung 2019 noch 77,5 Prozent betragen hatte, ging sie dieses Mal auf 69,4 Prozent zurück. In der Millionenmetropole Almaty gingen gar nur 28,7 Prozent der Berechtigten an die Wahlurnen. Auch in anderen großen Städten war die Beteiligung geringer als auf dem Land. Eschment wertet auch das als „indirekten Widerstand“ und Ausdruck der Unzufriedenheit der Bürger:innen mit dem politischen System.
Tokajew hat mit einer Verfassungsänderung die Amtszeit des Präsidenten von fünf auf sieben Jahre angehoben, zugleich aber auch auf eine Wahlperiode beschränkt. 2023 soll es vorgezogene Parlamentswahlen geben, zu denen auch neu gegründete Parteien zugelassen werden sollen.
„Das wäre ein sehr wichtiger Schritt, um das politische Klima zu verbessern“, sagt Eschment, die vor 14 Tagen in Kasachstan war und in Teilen der intellektuellen Elite des Landes eine gedrückte Stimmung ausgemacht hat.
Durch eine Verfassungsreform im Juni hat Tokajew die Registrierung von neuen Parteien wesentlich vereinfacht. „Inwieweit das dazu beiträgt, dass sich eine echte Opposition etablieren kann, wird erst die Zukunft zeigen“, sagt Eschment.
Die frühere Sowjetrepublik Kasachstan mit ihren 19 Millionen Einwohner:innen versucht seit längerem, durch eine Annäherung an China die einseitige Abhängigkeit von Russland zu verringern. Mitte September besuchte Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping Kasachstan und bekräftigte dort, man werde Kasachstan bei der Wahrung seiner nationalen Unabhängigkeit unterstützen werde.
Auf Abstand zu Russland
Russland wurde zwar nicht explizit erwähnt, aber Eschment sagt, dass man diese Aussagen in Kasachstan als eine Art Schutzversprechen interpretiere. Russische Nationalisten sehen in Kasachstan ein „künstliches Gebilde“.
Tokajew versucht, Moskau bei Laune zu halten. Nachdem Präsident Wladimir Putin im Februar verkündete, Russland werde die ostukrainischen Separatistenrepubliken Donezk und Luhansk anerkennen, sagte Tokajew zwar ganz klar, sein Land werde das nicht tun. Zugleich gelobte er aber, Kasachstan werde weiter aktiv in der von Putin 2014 initiierten Eurasischen Wirtschaftsunion mitarbeiten.
Eschment sagt, Tokajew habe im Kurs gegenüber Moskau keine große Wahl: „Es käme einem Selbstmord Kasachstans gleich, wenn er in der jetzigen Situation versuchen würde, sein Land gegen Russland total abzugrenzen.“