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Stressen, waschen, fressen

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Apart und clever: ein Ibis, in Australien gemeinhin auch „Müllhuhn“ genannt. imago images
Apart und clever: ein Ibis, in Australien gemeinhin auch „Müllhuhn“ genannt. imago images © Imago

Australiens Ibisse haben die giftigen Aga-Kröten als Snack entdeckt

Der australische Ibis ist in seinem Heimatland wenig beliebt. Der weiß-schwarze Vogel hat sich perfekt an die Urbanisierung angepasst. Seine Vorliebe, Essensreste aus Mülleimern zu holen, hat ihm den wenig schmeichelhaften Namen „Bin Chicken“ – „Müllhuhn“ – eingebracht. Doch genau dieses ungeliebte Federvieh hat nun den Kampf gegen ein noch verhassteres Tier auf dem fünften Kontinent aufgenommen: die Aga-Kröte.

Ursprünglich stammen die Aga-Kröten aus Süd- und Mittelamerika. Nach Australien kamen sie in den 1930ern. Auf Farmen wollten die Menschen damals mit ihnen den Zuckerrohrkäfer bekämpfen, der große Ernteschäden im Land verursachte. Doch dieses Vorhaben schlug fehl und die Kröte breitete sich unkontrolliert aus. Heute kommen die Tiere in Teilen von New South Wales, Queensland, in Westaustralien sowie im Northern Territory vor, wo sie selbst den Kakadu-Nationalpark befallen, der als einer der schönsten Nationalparks des Landes gilt.

Ungeliebte Amphibien

Die bräunlichen Amphibien sind mit ihren hervorstechenden Augen schon rein äußerlich wenig attraktiv, doch was sie gefährlich macht, sind Drüsen am Kopf, die ein starkes Gift absondern, das selbst beim Menschen die Herzschlagfrequenz und den Blutdruck erhöht und sogar leichte Halluzinationen auslösen kann. Vögel, Warane, Beutelmarder, Krokodile und Schlangen, die die Kröten fressen, sterben meist qualvoll an dem Gift.

Der Ibis hat nun aber anscheinend eine „schlaue“ Methode gefunden, die verhassten Kröten auf seinen Speiseplan zu setzen, ohne selbst Schaden zu nehmen, wie Emily Vincent, Koordinatorin eines Aga-Kröten-Bekämpfungsprogramms in Ostaustralien, dem Sender „ABC“ berichtete. Anscheinend heben die Vögel die Kröten auf und schütteln die Tiere, bis diese so gestresst sind, dass sie das Gift aus ihren Drüsen freisetzen. Letzteres sei eine Art Abwehrmechanismus der Kröten, „wenn sie mit Fressfeinden konfrontiert werden“, wie Vincent erklärte.

Kaum setzen die Kröten ihr Gift frei, bringen die Vögel sie zum Bach und waschen die Kröten und damit auch das Gift ab. Das sei ganz klar ein erlerntes Verhalten, Wissenschaftler:innen hätten es in verschiedenen Regionen beobachtet. Rick Shine, Biologieprofessor an der Macquarie University in Sydney, hatte von der „Stress und Wasch“-Technik, wie die „ABC“ die Methode nannte, noch nicht gehört. Doch er nannte sie „einen ziemlich effektiven Weg, um das Gift aus den Schulterdrüsen einer Aga-Kröte loszuwerden“.

Laut Shine haben einige Vogelarten inzwischen Techniken entwickelt, wie sie die Kröten fressen und dabei die Giftdrüsen meiden. Einige würden die Zunge der Kröte fressen, andere sie umdrehen und Teile der Bauchhaut und Innereien fressen, sagte er. Der Biologe vermutete, dass die Vögel das Gift tatsächlich schmecken können. „Und es schmeckt schrecklich“, sagte er.

2019 machten andere Forschende in der Kimberley-Region in Westaustralien eine ähnliche Beobachtung: Sie fanden heraus, dass die dortigen Wasserratten gelernt hatten, die Aga-Kröten zu töten und zu verspeisen, ohne an ihrem Gift zu sterben. Die schlauen Nager schlitzten die Brust der Kröte ähnlich wie ein Chirurg mit seinem Skalpell mit ihren Zähnen auf und ließen sich Herz und Leber der Tiere schmecken. Die Gallenblase, die giftige Gallensalze enthielt, entfernten sie hingegen und platzierten sie außerhalb des Körpers.

Dass sich etliche einheimische Tiere an die Kröten angepasst haben, ist eine erfreuliche Entwicklung, doch die Kröten sind nach wie vor ein formidabler Gegner. Was sie so gefährlich macht, ist vor allem ihre Fortpflanzungsfähigkeit: Weibliche Kröten können zwischen 8000 und 35 000 Eier auf einmal legen und das gleich zweimal pro Jahr. Die Kröten wachsen sehr schnell und können in warmem Klima schon innerhalb eines Jahres ausgewachsen sein.

Zudem sind sie extrem resistent und können selbst den Verlust von 50 Prozent ihrer Körperflüssigkeit überleben. Als Allesfresser haben sie einen breitgefächerten Speiseplan und nehmen einheimischen Tieren Nahrung weg. Andere Tiere, die die Kröte fressen, sterben meist an ihrem Gift. Hunde verenden normalerweise innerhalb von 20 Minuten, wenn sie eine der Kröten fressen.

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