Sorge ums Meereis

Antarktischer Sommer lässt die Eisfläche stark schrumpfen. Auch der Tourismus schadet dem Kontinent.
Das Meereis in der Antarktis war Mitte Februar auf seinem bisherigen Tiefststand. Seit die Satellitenbeobachtung vor vier Jahrzehnten startete, gab es noch nie weniger Eis um den Kontinent als in diesem antarktischen Sommer – seitdem wächst die Eisfläche wieder, da in der Antarktis der Herbst einsetzt.
Der mit Eis bedeckte Kontinent der Antarktis hält 90 Prozent des Eises der Welt. Lange Zeit schien der Klimawandel mehr Schaden auf der nördlichen Hemisphäre in der Arktis anzurichten, doch nun machen sich die Auswirkungen immer mehr auch in der Antarktis bemerkbar.
Am 21. Februar sank das Meereis in der Antarktis laut dem US-amerikanischen National Snow and Ice Data Center auf 1,79 Millionen Quadratkilometer, ein Rekordtief, seit die Satellitenaufzeichnung 1979 begann. Auch im Februar 2022 war bereits ein Tiefststand verzeichnet worden. Damals waren aber noch 136 000 Quadratkilometer mehr mit Eis bedeckt – eine Fläche mehr als dreimal so groß wie die Schweiz. Ähnlich beunruhigende Daten meldeten die Fachleute vom Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut. Ihre Messungen um den 19. Februar 2023 ergaben eine Meereisfläche im Südlichen Ozean, die auf rund zwei Millionen Quadratkilometer geschrumpft war.
„Während die Masse des antarktischen Eisschildes seit langem abnimmt, nimmt die antarktische Meereisausdehnung seit 2016 stark ab“, berichtete Marta Moreno Ibáñez, eine Doktorandin der kanadischen Université du Québec à Montréal, in einem Fachartikel im Magazin „The Conversation“. Dem Meereis kommt insofern eine wichtige Bedeutung zu, da es normalerweise das Schelfeis auf ähnliche Weise stabilisiert wie das Schelfeis die Eisdecke an Land stabilisiert. Weniger Meereis macht die Eisschelfe anfällig für Wellen und andere atmosphärische Einflüsse. Würde beispielsweise der westantarktische Eisschild abschmelzen, so würde dies laut der Klimaforscherin zu einem globalen Meeresspiegelanstieg von über drei Meter führen.
Bekannt ist, dass vor 129 000 Jahren eine Eisschmelze in der Antarktis schon einmal einen extremen Anstieg des Meeresspiegels verursacht hat. Seit 1900 sind die Meere weltweit um rund 20 Zentimeter gestiegen. Doch der Anstieg beschleunigt sich immer mehr: Ein Viertel davon ist seit 2006 passiert. In der jüngeren Vergangenheit stieg der Meeresspiegel durchschnittlich jedes Jahr um etwa 3,7 Millimeter. Bis 2100 rechnen Forschende mit einem Anstieg von mindestens 28 Zentimeter, doch je nachdem, wieviel Eis abschmilzt, könnte der Meeresspiegel auch um bis zu zwei Meter oder mehr in die Höhe schnellen.
Zehntausende zu Besuch
Vor allem wenn Gletscher wie der Pine Island oder der Thwaites kollabieren würden, könnte dies eine Art Domino-Effekt auslösen. Der Thwaites-Gletscher ist mit 192 000 Quadratkilometern fast so groß wie Großbritannien. Würde das dortige Eisschelf einbrechen, würde der Meeresspiegel global um etwa 65 Zentimeter ansteigen. Zudem stabilisiert der Gletscher auch den gesamten westantarktischen Eisschild, dessen Einsturz die erwähnte Erhöhung des Meeresspiegels um drei Meter verursachen würde.
Der Mensch entpuppt sich für die Region aber auch als ein direktes schädliches Element. Denn in den Sommermonaten auf der Südhalbkugel strömen oft Zehntausende Tourist:innen und Forschende mit Booten und Flugzeugen in Richtung Antarktis. Noch vor der Pandemie – in der Saison 2019/2020 – besuchten 74 000 Menschen den Kontinent aus Eis. Die überwiegende Mehrheit reiste dabei per Schiff an. Laut einer Analyse, die in „The Conversation“ vorgestellt wurde, war jeder Besucher zwischen 2016 und 2020 damit effektiv für die Schmelze von etwa 83 Tonnen Schnee verantwortlich. Die schlimmsten „Übeltäter“ seien dabei die Emissionen von Kreuzfahrtschiffen, hieß es.