Sieh mal, wer da baut

Die Arbeiten an Notre-Dame sind in vollem Gange. Eine Ausstellung würdigt auch die Menschen, die daran mitwirken, dass die Kathedrale bis Ende 2024 wieder zugänglich sein wird
Der steinerne Engelskopf trägt keinerlei Spuren eines Sturzes aus 33 Metern Höhe. Auch das Feuer in der Kathedrale Notre-Dame scheint er unbeschadet überstanden zu haben. Kein Wunder, handelt es sich hier doch um eine Kopie, die nie von irgendwo heruntergefallen ist, den aktuellen Originalen aber absolut gleicht, wie Lisa Bergugnat versichert. Sie ist verantwortlich für das kulturelle Programm der Ausstellung „Notre-Dame von Paris: im Herzen der Baustelle“, die nun unterhalb des Vorplatzes der Kathedrale eröffnet worden ist.
Die kostenlos zugängliche Schau zeigt Elemente wie jenen Engelskopf, von dem vier Exemplare auf dem Gewölbe des Querschiffs prangten, bevor am 15. April 2019 ein großes Feuer in der Kathedrale ausbrach. Ein detailreiches Holz-Modell ermöglicht einen Blick auf das Pariser Wahrzeichen als Ganzes. Die Ausstellung ist auch ein Weg, um das Warten auf die Wiedereröffnung zu verkürzen.
Das gotische Meisterwerk aus dem zwölften Jahrhundert werde in nur fünf Jahren „noch schöner als vorher“ aufgebaut sein, versprach Präsident Emmanuel Macron bereits am Tag nach dem Brand, der viele Menschen in Frankreich und darüber hinaus zutiefst erschüttert hatte. In der Folge kamen Spenden in Höhe von 846 Millionen Euro aus 150 Ländern zusammen.
Vielen Fachleuten erschien es unmöglich, den engen Zeitplan einzuhalten, zumal die Baustelle durch hohe Blei-Belastung und die Corona-Pandemie zeitweise zum Stillstand kam und allein die Stabilisierung des Bauwerks zwei Jahre in Anspruch nahm. Nun bestätigte die staatliche Einrichtung, die eigens für die Koordinierung des Wiederaufbaus gegründet wurde, eine komplette Öffnung des Kirchenbaus im Dezember 2024, also nach den Olympischen Spielen, die Paris im Sommer nächsten Jahres ausrichtet.
„Die klare Zeitvorgabe schuf eine Dynamik“, sagt Philippe Jost, Vize-Generaldirektor der Wiederaufbau-Behörde. „Wenn man ein Ziel vor Augen hat, geht es auch schneller.“ Im November dieses Jahres werde der damals zerstörte Spitzturm in 93 Metern Höhe wieder angebracht und „wie ein Werk von Christo“ nach und nach enthüllt.
Die Ausstellung
Die Schau „Notre-Dame de Paris: au coeur du chantier“ unterhalb des Vorplatzes der Kathedrale ist Dienstag bis Sonntag von 10 bis 20 Uhr geöffnet, der Eintritt ist frei, Broschüren in deutscher Sprache liegen aus.
Der sogenannte „Wald“, der aus dem Holz von Eichen aus dem 13. Jahrhundert gefertigte Dachstuhl, verbrannte ebenfalls komplett. Die Ausstellung präsentiert nun unter anderem verkohlte Originalteile, ein Kirchenfenster sowie einige der insgesamt 7952 Pfeifen der großen Hauptorgel. Diese blieb vom Feuer verschont und war auch von den Löscharbeiten kaum betroffen, doch befand sich auf ihr massenweise Bleistaub. Für eine intensive Reinigung wurde das Instrument komplett auseinandergebaut. Auch werden derzeit die Glasfenster und Wandgemälde im Inneren gereinigt.
In acht thematischen Abschnitten werden verschiedene Aspekte der Restaurierung sowie die damit betrauten Berufe vorgestellt. Frauen und Männer, die Jost als „Helden der Baustelle“ bezeichnet, erklären in kurzen Videoporträts, was sie tun. Mehr als 10 000 Menschen – vom Architekten über die Archäologin bis zum Bauarbeiter – seien hier insgesamt zugange. „Sie verfügen über ein einzigartiges Können und Wissen, das weitergegeben werden soll.“ Dahinter stehe auch die Hoffnung, junge Menschen für diese oftmals wenig bekannten Metiers zu interessieren, sagt Jost: „Es werden Arbeitskräfte gesucht und dafür ist es wichtig zu zeigen, wie spannend diese Aufgaben sind.“ Deshalb sollten auch viele Schulklassen die Ausstellung besuchen.
Es kommen auch jene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu Wort, die sich im nationalen Forschungsinstitut CNRS zu einer eigenen Arbeitsgruppe rund um Notre-Dame zusammengeschlossen haben. „Fünf Jahre lang erlaubt ihnen die Baustelle, Forschungen durchzuführen, die zuvor nicht möglich waren, weil die Kathedrale immer geöffnet war,“ erklärt Lisa Bergugnat.
Schon jetzt stellt man sich auf einen Ansturm in den Monaten nach der Wiedereröffnung des Wahrzeichens in knapp zwei Jahren ein. „Vor dem Brand kamen bis zu zwölf Millionen Besucher im Jahr, aber dann werden es wohl eher 15 Millionen sein“, sagt Jost. Das Drama von 2019 hat die Anziehungskraft von Notre-Dame noch erhöht.
Die Ausstellung „Notre-Dame de Paris: au coeur du chantier“ unterhalb des Vorplatzes der Kathedrale ist Dienstag bis Sonntag von 10 bis 20 Uhr geöffnet, der Eintritt ist frei, Broschüren in deutscher Sprache liegen aus.
