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Robinson ist ein bisschen einsam

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Insel mit Aussicht: 200 Jahre vor David Glasheen und seinen Dingos erholten sich auf Restoration Island bereits Kapitän Bligh und seine Seemänner nach der Meuterei auf der Bounty. Audrey Comben
Insel mit Aussicht: 200 Jahre vor David Glasheen und seinen Dingos erholten sich auf Restoration Island bereits Kapitän Bligh und seine Seemänner nach der Meuterei auf der Bounty. Audrey Comben © Privat

David Glasheen lebt seit 25 Jahren auf einer Insel vor Australien. Er zähmt Dingos und kämpft mit den Elementen. Nun wird er 80 – und sehnt sich nach Gesellschaft

David Glasheen hat ein blaues Schild an einen Holzpfosten genagelt. Darauf steht: „Welcome to Resto.“ Der fast 80-Jährige entspricht dem Klischee, das man von einem Einsiedler hat: braungebrannt mit langen weißen Haaren, nacktem Oberkörper und Rauschebart. „Resto“ ist die Abkürzung für Restoration Island, die im Nordosten Australiens liegt. Die Insel ist ein kleines Paradies mit Palmen, weißem Sandstrand und hellblauem Meer.

Glasheen lebt seit 25 Jahren auf der einsamen Insel, bis dahin war er ein erfolgreicher Finanzmanager in Sydney, ging jeden Morgen mit Anzug und Krawatte aus dem Haus und verdiente Millionen. Doch dann kam der Börsencrash 1987. Der Australier verlor sein gesamtes Vermögen, seine Karriere und später auch seine Familie. 1997 schließlich wagte er den bis dahin folgenreichsten Schritt seines Lebens – und ließ sich auf der Insel nieder. „Ich brauchte eine radikale Veränderung“, erzählte er bei einem Treffen in Sydney 2019. Damals hatte er seine Insel kurz verlassen, um sein Buch „The Millionaire Castaway“ vorzustellen.

Restoration Island ist sein Rückzugsort, der ihm immer wieder neue Kraft gibt. Doch trotz seines Einsiedlertums ist er auch gesellig: Mit der lokalen Aborigine-Gemeinde, deren Siedlung 40 Kilometer weit entfernt liegt, pflegt er eine gute Freundschaft und ab und zu stoppen Fischer bei ihm, um ihre Garnelen gegen ein paar Flaschen seines selbstgebrauten Bieres zu tauschen. Außerdem hat er immer einen Dingo um sich herum. Das mache Spaß, sagt Glasheen – aber reden könnten die Dingos nun mal leider nicht.

Deswegen wünscht sich Glasheen jetzt doch etwas mehr Gesellschaft: „Alleine zu sein ist nicht einfach“, sagte er dem australischen Nachrichtenportal „News.com.au“. Zudem hat er nach einem Unfall, bei dem er sich die Hüfte brach, Angst, erneut in Schwierigkeiten zu geraten. Der Dingo könne nun mal nicht zum Telefon greifen und jemanden anrufen, scherzte er, und genau deswegen suche er auch Hilfe. „Ich brauche hier Verstärkung“, sagte er.

Er selbst wolle die Insel auf keinen Fall verlassen und der einzige Weg, auf Dauer dort zu bleiben, sei „ein Backup-Team von Leuten“. „Ich bin keine 18 mehr, alles ist schwerer und härter“, meinte er. Glasheen ist nun aktiv auf der Suche nach „Aussteigern auf Zeit“ – Reisende, die mehrere Wochen bei ihm verbringen wollen oder Rucksacktourist:innen, die eine Weile mit ihm zusammen wohnen und arbeiten wollen. Auf Facebook schrieb der gut vernetzte Einsiedler: „Deutsche sind hier auf Resto immer willkommen.“

Glasheen ist dabei nicht auf eine Nationalität beschränkt, wie der Post einer früheren, englischsprachigen Besucherin zeigte. Laura Evans beispielsweise postete auf Glasheens Facebook-Seite: „Ich würde so gerne eines Tages zurückkommen.“ Die Insel sei einfach „eine Million Meilen“ von dem Leben entfernt, das sie gerade lebe und die Erinnerungen von ihrer Zeit auf der Insel würde sie sehr schätzen. „Ich kann einen Besuch auf Resto nur empfehlen“, schrieb Evans. „Ein Tag mit Dave ist niemals langweilig.“

Der prominenteste Besucher auf Restoration Island war bisher Russell Crowe. Der Hollywood-Star segelte einst während seiner Flitterwochen vorbei. Und auch in der Vergangenheit war Restoration Island beliebt: Rund 200 Jahre vor Glasheens Zeit erholten sich dort bereits Kapitän Bligh und seine Seemänner nach der Meuterei auf der Bounty.

Zu essen gibt es auf der Insel genug: Glasheen baut in einem kleinen Garten Kräuter, Chili, Knoblauch und Ingwer an sowie asiatische Gemüsesorten wie Bok Choy. Außerdem fischt er mit einem Speer oder sammelt Austern. Die Dingos auf der Insel sind bisher stets freundlich zu ihm gewesen. Mehr in Acht nehmen muss er sich dagegen vor Salzwasserkrokodilen, Giftschlangen und -spinnen.

In den Sommermonaten machen dem Aussteiger zudem Zyklone, Buschfeuer und Überschwemmungen von Zeit zu Zeit das Leben schwer, so hat ein Wirbelsturm einst das Dach seiner Hütte zerstört. Doch trotz dieser Gefahren sagt Glasheen: „Die Stadt ist in meinen Augen gefährlicher als meine Insel.“ Den schnelllebigen Alltag in Sydney vermisse er kein bisschen. „Die meisten Menschen haben dort nicht genug Zeit“, sagte er.

Sein Buch ist 2019 erschienen. barbara barkhausen
Sein Buch ist 2019 erschienen. barbara barkhausen © Barbara Barkhausen

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